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British Espresso

Published in Blog

Britisch-italienischer Stil

Aston Martin. Da denkt man sofort an den smarten Geheimagenten, der 1964 in „Goldfinger“ erstmals eine dieser britischen Legenden über die Leinwand fuhr. Im Alltag oder dem Straßenverkehr des neuen Jahrtausends sah und sieht man diese Autos eigentlich nie. Aston Martin Lagonda Ltd baute von den Modellen DB1 bis DB6 über die Jahre jeweils nur drei- oder vierstellige Stückzahlen, sie waren schon immer very expensive – und es waren schon immer „britische“ Fahrzeuge. Da trauen sich nach einigen Lebensjahren auf der Straße nicht pauschal alle Enthusiasten ran. Ich habe einen gefunden.

Was für ein klares „Geschicht“!

Der Spion, der mich liebte

Wer damals einen Aston Martin käuflich erwarb, der hatte keine rationalen Gründe. In den späten 60ern bekam man zum Beispiel in der schönen Schweiz einen Aston Martin für rund 62.000 Franken. Für den gleichen Preis konnte man sich aber auch einen Maserati Mexico oder einen Ferrari 365 GT hinstellen. Trotzdem griffen solvente Kunden zu. Und es gibt immer wieder Menschen, die sich auch heute noch übergebühr mit einem solchen Fahrzeug befassen. Alte Astons sind gar nicht so astronomisch teuer, da hätte man im Sinne der Werterhaltung damals lieber zum Maserati oder zum Ferrari greifen sollen. Aus der Sicht eines normalen Klassikerkäufers ist das natürlich super – aber der Markt geizt mit Ersatzteilen.

Quasi DIE klassische Coupé-Linie

Eine saubere Restaurierung übersteigt den Wert ums Vielfache. Bei der Oldtimerversicherung wiederum kommt man preiswerter weg, klickt doch mal auf die Seite von Hiscox und schaut euch an, was dort für euren Klassiker angeboten wird! Auch wenn es kein Aston ist. Und jetzt stehen wir in der Hansestadt Lübeck und bestaunen das Ergebnis einer Restauration. Einer von nur 787 gebauten DBS mit Sechszylinder. Und was für einer.

Wer’s sich leisten kann…

Dr. No

„Machen Sie den Wagen wieder fit, und machen Sie es gut bitte. Ich möchte den täglich fahren können.“ Eine solche Aussage lässt den Chef eines jeden Restaurationsbetriebs frohlocken. Der Besitzer dieses Aston Martin möchte nicht in Erscheinung treten. In den Wagen ist mehr Geld geflossen, als andere für ihr Einfamilienhaus ausgeben, das hält man gern dezent britisch unter Verschluss. Nennen wir ihn also „Dr. No“. Das Fahrzeug wurde vor vielen Jahren aus England nach Deutschland importiert und vor sechs Jahren in einem bedauernswerten Zustand aus einer vergessenen Garage gezogen. Kurz darauf nahm Dr. No den Kontakt zu Mike Knoke in Stockelsdorf bei Lübeck auf, und ihm den Auftrag mit dem Aston zu erteilen.

Geschichte und Geschichten

Diamantenfieber

Knoke ist es auch, der mich jetzt durch die Backsteinmauern der alten Hansestadt fährt, denn niemand kennt dieses Auto so wie er. Hunderte Stunden Arbeit, viel Recherche und eine Menge seltenes und wirklich teures Material waren nötig, bis sein Team den Briten in diesem Zustand hatte. Die Alukarosse wurde komplett entlackt, neu aufgebaut und mit funkelnden Lackschichten überzogen, die allein schon mehr Finanzmittel verschlungen haben als so mancher für sein ganzes Auto ausgibt. Alle Chromteile hat der Betrieb entweder neu gekauft oder neu verchromt. Das komplette Interieur wurde mit bestem Leder und Teppichen neu aufgebaut. Am Ende kamen neue Reifen auf neue Felgen, und der DBS hatte so fein geputzte Schuhe wie der Doppelnull Agent.

Details zum Verlieben

Stirb an einem anderen Tag

Legende plus Lagonda – 1947 kaufte und rettete der Unternehmer David Brown das Unternehmen, dessen Wurzeln bis 1913 zurück reichten. Angeboten über eine Zeitungsannonce gingen für die Aston Martin Motors Ltd. 20.000 Pfund über den Tresen, und das bei Staines nahe London ansässige Unternehmen Lagonda kam gleich noch obendrauf. Hier hatte man einen Sechszylinder DOHC Motor im Programm, der von keinem geringeren als Walter Owen Bentley (der Gründer der gleichnamigen Automarke) entwickelt wurde. Alle ab dann gebauten Aston Martins trugen nun die Initialien des David Brown und aufsteigende Nummern. Herr Bond fuhr damals einen DB5.

Schauen wir doch mal rein

Moonraker – Streng geheim

Nach dem DB6 hätte also logisch konsequent eigentlich der DB7 folgen müssen, aber ab 1966 planten die Designer und Ingenieure ein komplett neues Fahrzeug. Der italienisch anmutende Gran Turismo sollte von Anfang an mit einem kräftigen Achtzylinder angeboten werden. Der machte den Testern aber immer kapitale Sorgen. Also gestaltete die Mailändische Carrozzeria Touring für den Pariser Autosalon 1966 zwei neue Entwürfe von zweitürigen Coupés, die zwar für einen Achtzylinder ausgelegt waren, aber zunächst nur den bewährten Reihensechser aus dem DB6 bekommen sollten.

Kein V8 – und das ist irgendwie cool.

David Brown fand die Entwürfe vergleichsweise unelegant und ließ William Towns ans Zeichenbrett. Towns arbeitete bei Aston Martin eigentlich an der Gestaltung von Sitzen. Dass er mehr als das konnte zeigte er bei seinem ersten Wurf, einem viertürigen Coupé. Dieses im nächsten Schritt auf zwei Türen zu reduzieren erschien ihm einfacher, als ein zweitüriges Coupé im Falle einer Limousinenvariante zu verlängern.

Die Welt ist nicht genug

Der kraftvolle und eigenständige Entwurf überzeugte das Management sofort. Die flach abfallende Dachlinie mit der Abrisskante am Heck ähnelte ein wenig dem ersten Mustang Fastback, aber insgesamt kam der Wagen sehr italienisch, kräftig und elegant rüber. Besonderes Merkmal waren die in den Grill eingelassenen Doppelscheinwerfer. Sitzdesigner Towns erschuf mit dem DBS die Grundlage für das „Gesicht“ der kommenden Modelle in den nächsten 20 Jahren.

Eine Uhrensammlung zum Beneiden

Auch unter dem Kleid ging eine Menge gute Technik an den Start. Das alte Fahrwerk des DB6 wurde überarbeitet und so dimensioniert, dass es später auch die Achtzylinder tragen könnte. Am Heck wurde eine De-Dion Achse mit Wattgestänge und Längslenkern verankert, am Vorderwagen arbeiteten Dreiecksquerlenker mit Schraubenfedern und Kurvenstabilisatoren.

Falsche Seite? Wie man’s nimmt.

Feuerball

Zwei Jahre nach Verkaufsstart hatten die Techniker den Achtzylinder gebändigt und präsentierten 1969 auf der London Motor Show das Auto, was sie ursprünglich geplant hatten. Der von Tadek Marek entwickelte 5,3-Liter-V8 aus Leichtmetall basierte auf seinem ausgereiften Sechszylinder, vor allem die Bohrung hatte man übernommen (um auf die gleichen Kolben zurückgreifen zu können). Der neue V8 beschleunigte den Gran Turismo auf über 240 km/h und ließ ihn endlich nicht nur optisch, sondern auch von den Fahrleistungen in der Liga der Italiener mitspielen.

Sogar hinten ist einigermaßen Platz

Einzig der Verbrauch schmälerte die Euphorie ein wenig. Auch wenn die erste Ölkrise noch nicht in Sicht war – Auto Motor und Sport attestierte dem DBS V8 im Jahr 1970 einen Durchschnittsverbrauch von stattlichen 28 Litern. 1972 veräußerte Brown „sein“ Unternehmen an Company Developments, und seine Initialien sollten für immer aus den Modellbezeichnungen verschwinden. Die letzten 70 noch bei der Übergabe vorhandenen DBS wurden von der neuen Unternehmensführung unter dem Namen „Aston Martin Vantage“ an die Kunden übergeben. Der Ur-V8 erreichte eine Stückzahl von 402 und bekam als Nachfolger mit einer modifizierten Frontpartie fortan den Namen „Aston Martin V8 Saloon“.

Schlicht und schön

Ein Quantum Trost

Der Funken springt schon über, bevor ein anderer Funken das Benzin zündet. Einmal auf der falschen Seite eingestiegen umgibt mich duftendes Leder und feine Schlingenware mit Neuwagengeruch. Das einzige Holz hier drin ummantelt das Nardi Lenkrad. Als der Sechser rund und gleichmäßig läuft verharrt Knoke noch ein paar Sekunden und lauscht. Er kennt die mechanischen Geräusche, hört Ungleichmäßigkeiten und identifiziert jedes Zischen oder Schnaufen. Alles gut. Der Restaurations-Profi legt den kleinen Schaltknubbel auf D und lässt das britische Coupé mit dem italienischen Kleid vorbeibrausen an Holstentor, Musik- und Kongresshalle und Traveschiffen.

Knoke reitet uns durch die Hansestadt

Die hochglänzende schwarze Haube lässt tatsächlich Gedanken an den frühen Mustang aufkommen. William Towns gab lange nach den damaligen Muscle Car Vergleichen allerdings zu, sich ein bisschen am Camaro bedient zu haben. Und sind das wirklich nur sechs Zylinder? Die fast 400 Newtonmeter drücken gefühlt schon im Standgas so kraftvoll nach vorn, dass man gar nicht so recht in den Genuss der historischen Umgebung kommt. Zumal ein Auge erfahrungsgemäß auch immer auf dem Kühlwasserthermometer ruhen möchte. Aber well, all is fine.

Rundreise durch Lübeck, nicht London

Man lebt nur zweimal

Ein geretteter Klassiker, ein mit dem Ergebnis mehr als zufriedener Mike Knoke, ein adrenalingefluteter Mitfahrer und ein Dr. No, der in den nächsten Jahren viel Spaß mit einem sagenhaften Auto haben wird. Habt ihr euren Klassiker auch wieder auf der Straße und genießt die Ausfahrten? Seid ihr gut versichert (klickt mal auf den Hiscox Link), auch wenn der Wert eures eigenen Autos in anderen Dimensionen pendelt? Geld ist eben nicht alles. Cool, wenn man es hat und es wie in diesem Fall in ein altes Auto investiert, um eine längst vergangene Zeit noch einmal aufleben zu lassen. Eine Zeit, wo gut gekleideten Agenten von ihren Landsleuten noch wirklich schöne Autos auf die Straße gestellt wurden.

Sandmann

Aston Martin DBS S
Baujahr: 1971
Motor: Reihe 6
Hubraum: 3.996 ccm (244 cui)
Leistung: 207 KW (282 PS)
Max. Drehmoment: 390 Nm bei 3850 U/min
Getriebe: Dreigang Automatik
Antrieb: Hinterräder
Länge/Breite/Höhe: 4585/1830/1325 mm
Leergewicht: 1707 kg
Beschleunigung 0-100 km/h: 6,8 s
Top Speed: 225 km/h
Wert: ca 170.000 Euro

Kontakt:
Mike Knoke Automobiltechnik
Tel. 0451 499 44 55
www.kfz-knoke.de

Der Beitrag British Espresso erschien zuerst auf Sandmanns Welt.

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