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Numbers: Die «idea cars» von Chrysler (1)

Published in radical-mag.com

Zeitenwende

1961 warf Chrysler Virgil Exner dann raus, der Designer hatte einfach nie das gemacht, was die Teppich-Etage von ihm erwartete. Aber so ist das halt mit kreativen Geistern, die Manager werden sie nie verstehen, weil diesen Warmluftbläsern ja genau das fehlt, für was sie Designer anheuern: Phantasie. 1949 war Exner als Head des Advanced Styling Studio eingestellt worden, er war damals schon ein Star, er hatte vorher bei GM unter Harley Earl gearbeitet, er hatte mit Raymond Loewy gearbeitet, er hatte Studebaker erneuert. Und was er in den 50er Jahren für den Chrysler-Konzern schuf, veränderte nicht nur die Design-Sprache des Konzerns komplett, sondern auch die Rolle der Designer in der Auto-Industrie: Sie durften jetzt ganz oben mitreden. Als Virgil Exner gehen musste, war er Vice President der Chrysler Corporation.

Virgil Max Exner, geboren 1909, hatte Kunst studiert. Und wohl auch deshalb war sein Horizont etwas weiter als jener der Ingenieure, die vor seinem Eintritt bei Chrysler noch hauptsächlich die Optik der Chrysler-Fahrzeuge bestimmt hatten. Wie Harley Earl bei GM war auch Exner fasziniert von Flugzeugen, er experimentierte früh mit Heckflossen, die bald zu einem prägenden Design-Element im amerikanischen Auto-Design werden sollten. Ausserdem schaute Exner auch nach Europa, wusste, was die Italiener auf die Räder brachten – und konnte die verschiedenen Einflüsse gut vermischen. Was ihn allerdings dazu brachte, eine enge Zusammenarbeit mit Ghia in Turin zu suchen, das ist nicht ganz klar – wahrscheinlich waren es ganz einfach persönliche Beziehungen, mit Luigi Segre verband ihn eine enge Freundschaft (siehe Bild unten, Exner links).

1951 schuf Exner einen ersten Concept-Car in einer langen Reihe solcher Design-Experimente, die später als «idea cars» berühmt wurden. Der K-310 wurde in Detroit im Advanced Styling Studio entworfen – und dann in Turin bei Ghia umgesetzt. Die Italiener verfügten über die handwerklichen Fähigkeiten, die Exner in den USA damals noch fehlten. So schickte er das Chassis eines Chrysler Saratoga über den grossen Teich, bei Ghia entstand dann der Aufbau mit seinen zwar weichen, aber gleichzeitig aggressiven Formen. Der K-310 war zwar erstaunliche 5,6 Meter lang – und deutlich eleganter als alles, was man bisher aus den USA kannte. Das K in der Bezeichnung war ein Danke an den damaligen Chrysler-Chef K.T. Keller, die 310 sollte ein Hinweis sein auf den ganz neuen Hemi-Motor, der unter der langen Haube arbeitete, auch wenn die 310 PS wohl auf der sehr optimistischen Seite lagen. Exner träumte auch von einer kleinen Serie dieser K-310 (Bilder oben), doch dafür waren die Mittel dann nicht vorhanden. Auch die Anfang 1952 vorgestellte offene Version, als C-200 (Bilder unten) bezeichnet, blieb ein Einzelstück.

Doch Exner gab sich nicht so schnell geschlagen. Und ein wenig half ihm auch der Zufall. Für den Salon in Paris im Oktober 1952 hatten er und sein Team ein weiteres Ausstellungsstück entwickelt, den «Special», der auf einem verkürzten Saratoga-Chassis stand. Mehr noch als am K-310 war an diesem Fahrzeug der neue «Forward Look» von Exner zu sehen, es war alles ruhiger, sauberer – und von Ghia wieder ausgezeichnet umgesetzt. Der «Special» war definitiv der Star der Show – und der französische Chrysler-Importeur Ladouch fragte beim Export Manager von Chrysler, Cecil Beaton «C.B.» Thomas, an, ob sich nicht vielleicht eine kleine Serie realisieren liesse. Thomas konnte Detroit überzeugen, er selber erhielt zum Dank seinen eigenen «Thomas Special» (auf verkürztem Radstand, Bild unten).

Und Ghia baute 18 weitere «Special», diese nun aber auf einer normalen New-Yorker-Plattform. Sechs gingen zu Ladouch, 12 verkaufte Ghia selber – die «Special» waren ausschliesslich europäischen Kunden vorbehalten. Unten zeigen wir Chassis-Nummer #7232631, ein Fahrzeug, das über den damaligen Schweizer Chrysler-Importeur Amag ausgeliefert wurde, bis in die 70er Jahre in der Schweiz blieb. Der «Special» war dann lange in Besitz des «Dream Car»-Sammlers Joe Bortz, der viel dafür tat, dass diese «Special» und vor allem Virgil Exner nicht in Vergessenheit gerieten.

Wir haben noch mehr, auch wenn wir vom Fahrzeug unten so gut wie gar nichts wissen, nicht einmal die Chassis-Nummer. Es stand lange im Blackhawk Museum in Kalifornien – und wurde 2023 von RM Sotheby’s für 500’000 Dollar versteigert.

Beim Fahrzeug unten handelt es sich um einen der französischen «Special», Chassis-Nummer #7231533. Erster Besitzer war Leon Coulibeuf, ein reicher Franzose, der 1957 auch die 24 Stunden von Le Mans bestritt, zusammen mit José Behra auf einem Maserati 200S. RM Sotheby’s verkaufte dieses nur sanft restaurierte Exemplar 2014 für 336’000 Euro.

Es heisst, dass Exner 28 «idea cars» entwickelte, 24 davon zusammen mit Ghia. Das bedeutet, dass es noch weitere Stories geben wird. Mehr seltene US-Cars finden sich bei «Numbers», sonst ist da noch das Archiv.

Der Beitrag Numbers: Die «idea cars» von Chrysler (1) erschien zuerst auf radicalmag.