Vorstellung Mercedes-EQ EQS
Lange hat sich Mercedes-Benz mit einem echten Elektroauto Zeit gelassen. «Echt» deshalb, weil alle bisherigen Angebote auf umgebauten Verbrenner-Modelle basieren. Doch nun haben die Stuttgarter den Mercedes-EQ EQS gezeigt und der 5,20 m lange Luxusliner beeindruckt – zumindest in der Theorie.
Technisch will er seine Stärke vor allem aus der rein elektrisch konzipierte EVA-Plattform beziehen. Sie wird auch einen EQE und jeweils ein SUV beider Fahrzeugklasse unterbauen, alle drei sollen zügig auf den Markt kommen. Doch was macht die Architektur und mit ihr den EQS so besonders?
Dank seines glatten Designs, Mercedes nennt es «one bow», wirkt die Form nicht nur auffällig (gefällt den Chinesen), sondern ist auch windschlüpfrig. Mit einem Widerstandsbeiwert von nur 0,20 setzt der Mercedes-EQ EQS immerhin einen Rekord für Serienfahrzeuge. Weiterer Lohn der Mühe: der niedrige Windwiderstand wird mit höherer Reichweite belohnt.
Mit einem Fassungsvermögen von 107,8 kWh schöpft der EQS aus einem gigantischen Kraftspeicher. Die schwächere Antriebsvariante, der 333 PS starke EQS 450+, will so bis zu 770 Kilometer pro Ladung kommen. Dennoch beschleunigt er in 6,2 Sekunden auf 100km/h und wird bis zu 210 km/h schnell.
Noch zügiger erledigt das der mit je einem Elektromotor pro Achse allradgetriebene EQS 580 4matic. Er verfügt über eine Leistung von 524 PS und sprintet in 4,3 Sekunden auf 100. Sein Stromverbrauch will bei 21,8 kWh pro 100 Kilometer liegen, weshalb er auf etwas weniger Reichweite kommt.
Spitze im Modellprogramm wird ein noch in Entwicklung befindliches AMG-Modell bilden. Seine Leistung wird mit 761 PS beziffert. Entsprechend beeindruckend dürfte das Spurtvermögen ausfallen.
Geladen werden können die auf 400V laufenden Akkupacks mit 11kW und optional mit 22kW an der Wallbox. Am Schnelllader soll es, sehr theoretisch, mit 200kW in 15 Minuten immerhin 300 km weiter, nach einer halben Stunde sollen 80 % nachgeladen sein. Ein 800V-System analog zu Porsche oder Hyundai/Kia soll dann vielleicht bei einer Modellpflege technisch möglich sein.
Aha. Dann wollen wir jetzt einmal ein bisschen rechnen. Wären die 107,5 kWh des Riesen-Akkus tatsächlich zu 100 Prozent verfügbar, dann würden die angegeben 770 Kilometer einen Verbrauch von 14 kWh bedeuten. So optimistisch ist nicht einmal Renault bei seinem halb so schweren Zoe.
Es ist nur: lächerlich. Mag der Benz noch so aerodynamisch gestaltet sein, allein mit seinem Gewicht sowie all den verbauten Verbrauchern im Wagen drin, wird er wohl schon im Stand auf diese 14 kWh kommen. Und nein, wie viel Ressourcen so eine 100+-kWh-Batterie in der Herstellung braucht, daran mögen wir nicht einmal denken wollen. Da wird Daimler aber viele Umwelt-Zertifikate kaufen müssen, denn ab nächstem Jahr soll die Batterieproduktion ja CO2-neutral sein.
Mehr Wert als auf zeitgemässe Technik hat Mercedes beim EQS sowieso auf den Komfort gelegt. Das unterstreicht Firmenchef Källenius: «Genau das muss ein Mercedes leisten, um sich den Buchstaben «S» im Namen zu verdienen. Denn diesen Buchstaben vergeben wir nicht leichtfertig.» Entsprechend viel Technologie fahren die Schwaben auf, um den Insassen die Fahrt angenehm zu gestalten.
Und mit dem optionalen Hyperscreen haben sie eine echte Benchmark geschaffen. Es ist nicht nur die schiere Grösse, das Display spannt sich über die gesamte Wagenbreite. Es ist vor allem die Bedienbarkeit dieser völlig neuen Art des «Armaturenbretts». Denn der Hyperscreen kommt ohne Menüstrukturen aus.
Natürlich hat er zig Einstellmöglichkeiten und orientiert sich am bisherigen MBUX-Bediensystem. Doch die Kamera, die auch gleichzeitig für Müdigkeitserkennung und andere Features sorgt, erkennt den Fahrer und schaltet «sein» Menü frei. Je häufiger man etwa eine bestimmte Funktion nutzt, desto höher und direkter zugreifbar rutscht sie auf dem Display.
Der Rest liest sich wie klassischer Mercedes-Luxus. Das Ambientelicht ist nun auch mit Klangwelten und speziellem Parfüm kombiniert. Die Fahrerassistenzsysteme sind bereit für Autonomie des Level 3. Die Klimatisierung der Innenraumluft hat dank HEPA-Filter Reinraum- und OP-Saal-Qualiät.
Es ist deutlich zuviel, um es in diesem Beitrag darstellen zu können. Und genau daran merkt man, dass es den Ingenieuren wichtig war, von den wirklich elementaren Werten abzulenken. Mit dem Mercedes-EQ EQS haben sich die Schwaben versucht, sich selbst übertroffen – und ein Monster geschaffen, das jetzt schon veraltet ist.Denn es muss schon erstaunen, dass die Stuttgarter bei ihrem Vorzeige-Projekt nicht einmal auf ein 800-V-Bordnetz zurückgreifen (was ja auch bei Volkswagen erstaunt). Dass sie mit schierer Grösse der Batterie zu kaschieren versuchen, was sie technologisch anscheinend nicht auf die Reihe kriegen. Der Blick nach China hat Mercedes wieder einmal die Sicht auf die Zukunft vernebelt.
Ach ja, das Auto haben sie auch nicht erfunden, einfach, damit das auch wieder einmal geschrieben ist. Mehrcedes haben wir in unserem Archiv.
Der Beitrag Vorstellung Mercedes-EQ EQS erschien zuerst auf radicalmag.