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Test Honda e

Published in radical-mag.com

Leider, leider nein

Er ist sicher der hübscheste unter den rein elektrischen Kleinwagen, der Honda e, das muss wohl sogar der Peugeot e-208 anerkennen. Gut, das mit den Kulleraugen vorne und hinten ist der Teddybären-Trick, der ja auch von jungen Tieren angewandt wird, grosse, runde Augen aktivieren beim menschlichen Betrachter den Beschützerinstinkt. Doch auch sonst haben die japanischen Designer, deren Können wir hier auf «radical» schon mehrfach in Frage gestellt haben (alle aktuellen Toyota-Modelle, fast alles von Lexus, der Honda Jazz Cross…), das gut hingekriegt, die Linien des doch 3,89 Meter langen, 1,75 Meter breiten und 1,52 Meter hohen Honda sind sauber, schnörkellos, werden wohl auch noch in zukünftigen Jahren bewundert werden.

Was aussen cool ist, wird innen fast noch besser. Gleich fünf Bildschirme ziehen sich über die ganze Breite des Armaturenbrettes; die beiden äussersten diesen als Seitenspiegel. Doch während wir uns beim Audi e-tron nicht so recht an diese gewöhnen wollten (und sie auch noch einen happigen Aufpreis kosten), findet man sich im Honda schnell zurecht auf dem ungewohnte Bild. Was da sicher hilft: die Live-Übertragung über die Kameras kommt gestochen scharf, der Blickwinkel lässt sich stufenlos einstellen. Über diese gute Bildqualität verfügt auch der Rückspiegel, die ist aber auch nötig, denn der Blick nach hinten ist sonst schwierig, viel sieht man ohne Hilfe der Kamera nicht. Die drei Screens vor den vorderen Passagieren lassen sich nach Belieben konfigurieren, wieder ist die Darstellungsqualität überragend. Steht man im Stau, dann kann man stundenlang spielen mit Farben, neuen Konfigurationen, Navi, Apps, sogar die Playstation lässt sich anscheinend anschliessen – Honda lässt in Sachen Connectivity und Infotaiment wirklich nichts aus. Ausser vielleicht: die Qualität des Soundsystem könnte noch besser sein, so ein richtig grobes HiFi-Equipment würde noch gut in den kleinen Japaner passen.

Und ja, die Ergonomie ist gut, das Bediensystem logisch aufgebaut, da hat man auch als Mensch, der noch nicht mit diesen Smartphonefingern auf die Welt gekommen ist, keinerlei Probleme. Und sonst kann man sich ja noch über die überraschend bequemen Sitze freuen, zumindest vorne, denn hinten ist es etwas eng. Und dies, obwohl der Kofferraum mit 171 Litern Volumen (mit abgeklappter Rückbank: 861 Liter) alles andere als grosszügig bemessen ist – man fragt dann schon, wo all der Platz bleibt, den ein rein elektrisch angetriebenes Fahrzeug mit seinen Batterien im Unterboden eigentlich bieten müsste. Zumal der Honda ja nun keine riesigen Akkus spazieren fährt, ganz im Gegenteil.

Und damit nähern wir uns dem Punkt des «leider nein» im Titel. Es ist ja prinzipiell nichts einzuwenden gegen eine sinnvolle Grösse der Batterie. Auch mit 154 PS maximaler Leistung können wir bestens leben, dies auch, weil jederzeit beachtliche 315 Nm maximales Drehmoment zur Verfügung stehen. All diese Kraft sorgt beim leider mehr als 1,5 Tonnen schweren Winzling für ein sehr souveränes Vorwärtskommen, im Stadtverkehr fährt man die Thermiker schwindlig (wenn man denn kann), 8,3 Sekunden für den Sprint auf 100 sind ebenfalls ein feiner Wert für einen Kleinwagen. Das Problem ist schlicht und einfach die Reichweite der 35,5-kWh-Speicher: Zwar gibt Honda 210 Kilometer an, doch mehr als 160 auf dem Bildschirm und deshalb sehr theoretisch haben wir nicht geschafft. Nimmt man dann etwas Autobahn mit oder steht gar ein Hügel vor dem in der Stadt so furchtlosen Samurai, dann wird es sehr schnell zweistellig. Und nein, wirklich sparsam geht der «e» mit der Energie nicht um, es sind auch bei bravem Gleiten eher 25 als 18 kWh/100 km, die sich der Honda aus den Akkus saugt. Das ist zu viel, viel zu viel, ganz besonders dann, wenn die Batterie so klein ist. Da nützt es auch nichts, dass der Honda theoretisch mit bis zu 100 kW wieder geladen werden kann (und eigentlich auch gut rekuperiert), denn daheim sind es dann halt meist nur etwa 2+ kW, die durch den Haushaltsstecker fliessen mögen. Anders ausgedrückt: 1,5 Stunden Fahren, um dann 20 Stunden zu laden, das ist keine gute Rechnung.

In der Stadt, ja, da macht er Spass. Er ist mehr als nur flink, dank reinem Heckantrieb kann die Lenkung so eingerichtet werden, dass die Räder fast im 90-Grad-Winkel abdrehen; der Wendekreis von 9,2 Metern ist tatsächlich grossartig. Die Lenkung, die immer progressiver wird, je höher die Geschwindigkeit wird, ist es ebenfalls. Das ist auch alles ok, in der Stadt, in der Agglomeration, aber da vor meinem Haus steht ein Hügel, den ich gerne morgens vor der Arbeit noch vernasche, und da macht der Honda keine Freud’. Nicht nur, weil er zu viel Energie zieht, sondern weil sein Fahrwerk das nicht wirklich kann, weder enge noch schnelle Kurven. Biegungen sind allgemein nicht sein Ding, ausser, man biegt auf einen Parkplatz ab. Zudem ist er für Überlandfahrten einfach zu wenig gut gedämpft.

Der Honda e startete einst als Studie «Urban EV». Leider hat er sich nicht weiter entwickelt. Und als reines Stadtverkehrsmittel, tja – da darf man sich dann schon die Sinnfrage stellen, das können nämlich Bus oder Tram besser und auch viel noch günstiger. Denn das ist noch so ein Punkt, der beim Honda e einfach nicht stimmt, so niedlich die Kulleraugen auch sein mögen und so eng sein Wendekreis: Mindestens 39’900 Franken kostet das Ding in der Schweiz – und das ist, sorry, absurd. Man darf sich deshalb auch nicht wundern, dass man ihn kaum je sieht auf der Gasse. Es ist irgendwie auch schade, da hat sich Honda wieder einmal eine grosse Chance vergeben.

Mehr Honda gibt es in unserem Archiv, zuletzt den wunderbaren NSX.

Der Beitrag Test Honda e erschien zuerst auf radicalmag.