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Die Supersonic von Ghia

Published in radical-mag.com

Nur fliegen ist schöner?

Eine der wahrscheinlich schönsten Karosserien der 50er Jahre wurde – vielleicht – aus der Not geboren. Robert Fehlmann, einer der bekanntesten Schweizer «Gentleman»-Piloten der 50er-Jahre, war 1952 zur Mille Miglia mit einem Cisitalia angetreten, konnte das Rennen aber nicht beenden. Für die Mille Miglia 1953 wandte sich Fehlmann an Virgilio Conrero, der sich 1951 selbständig gemacht und mit seiner Turiner Autotecnica Conrero ganz besonders unter leistungshungrigen Alfa-Romeo-Fahrern bereits einen guten Namen hatte. Auf Basis einen Alfa Romeo 1900 – modifiziert etwa mit gleich vier Dell’Orto-Vergasern – und mit Komponenten aus dem Fiat 1400 sowie der Lancia Aurelia entstand ein Renn-Fahrzeug, das Fehlmann eine gute Platzierung bei der 53er-Mille Miglia ermöglichen sollte. Es kam dann nicht so: Fehlmann, gestartet mit der Nummer 453, zerstörte den Wagen komplett, der Conrero-Alfa überschlug sich und brannte aus. Der Pilot hatte aber noch immer nicht genug, er liess das Wrack zu Conrero bringen, der versah es mit einer offenen Karosserie, Fehlmann startete auch 1954 wieder bei der Mille Miglia (mit einem neuen Beifahrer, Gilleron anstatt Vuille) – und kam wieder nicht ins Ziel.

Der 53er Fehlmann-Alfa wäre wahrscheinlich eine Fussnote der Automobil-Geschichte geblieben, hätte nicht Conrero seinem Freund Giovanni Savonuzzi den Auftrag gegeben, eine Karosserie für dieses Fahrzeug zu entwerfen. Zwar war Savonuzzi, der am Politecnico in Turin studierte und sich in Aeronautik fortgebildet hatte, gerade zum Design-Chef von Ghia ernannt worden, doch er setzte sich trotzdem ans Zeichenbrett und entwarf eine Form, die stark von der Luftfahrt inspiriert war. Das war sicher auch der Grund, weshalb er seinem Entwurf den Namen «Supersonic» gab. Savonuzzi, der zusammen mit Scaglione und Spada zu den am meisten unterschätzten italienischen Designern gehört, hatte schon bei früheren Entwürfen, etwa für Cisitalia, mit einer ausgefeilteren Aerodynamik experimentiert, doch der Fehlmann-Alfa war wirklich einmalig, eine ganz neues Design-Kapitel. Erstmals gezeigt wurde das Fahrzeug 1953 auf dem Turiner Salon – und dann zerstörte es Fehlmann bei der Mille Miglia.

Doch Savonuzzi und Ghia wussten schon in Turin auf dem Salon, wo das Fahrzeug viel Aufmerksamkeit erregt hatte, dass es schade wäre, nur einen «Supersonic» zu bauen. Weshalb man sich aber entschied, für die Produktion einer kleinen Serie den Fiat 8V als Basis zu verwenden, ist nicht geklärt – es könnte daran gelegen haben, dass sich die eigentlich wunderbaren Fiat nicht besonders gut verkauften. Und es hat sicher damit zu tun, dass Ghia sowohl mit Alfa Romeo als auch mit Ferrari nicht so gut konnte; Pegaso wäre wohl auch noch ein Kandidat gewesen, doch dort hatte Touring den Fuss in der Tür und 1953 mit dem «Thrill» bereits einen Nagel eingeschlagen. Und nein, es soll hier nicht diskutiert sein, wer da wen beeinflusste (man müsste ja auch noch den Alfa B.A.T. 5 von Scaglione dazu nehmen) und wie genau die zeitlichen Abläufe waren, denn dafür müsste man ja dann unbedingt auch noch über den grossen Teich schauen.

Egal, der Fiat 8V «Supersonic» von Savonuzzi/Ghia war ein ganz grosser Wurf, der im Oktober 1953 auf dem Salon in Paris erstmals gezeigt wurde. Auch wenn er im Vergleich zum Fehlmann-Alfa etwas vereinfacht wurde, die Dach-Konstruktion simpler war und das Heck etwas schlichter: ein Traum. 14 (oder 15?) Stück sollen gebaut worden sein, Anfang Mai kommt bei RM Sotheby’s bei der Versteigerung der «Elkhart Collection» das Fahrzeug mit der Chassisnummer 106.000041 unter den Hammer; von diesem Fahrzeug stammen auch die hier gezeigten Bilder. Man achte unbedingt auf die vielen wunderbaren Details.

Doch damit war die «Supersonic»-Geschichte noch nicht zu Ende. Da war ein Monsieur Malpelli, ein Geschäftsmann aus dem französischen Lyon, der sich anscheinend auch in die Savonuzzi-Form verliebt hatte. Er liess vom französischen Jaguar-Importeur Delecroix gleich zwei XK120 nach Turin schaffen, wo sie 1954 ebenfalls mit einer «Supersonic-Karosserie versehen wurden (ein Fahrzeug wurde dann auch noch bei Conrero getunt). Ganz so gross schien die Liebe aber nicht zu sein, denn Malpelli bezahlte die Rechnung für die Umbauten nie, also kamen die Fahrzeuge zurück zu Delecroix – der den Conrero-getunten XK120 erst 1969 verkaufen konnte. Es gibt sogar noch einen dritten «Supersonic»-XK120, das heisst, es gibt ein Bild vom Concours d’Elegance in Cannes 1954, auf dem drei dieser Jaguar zu sehen sind – vom dritten Exemplar fehlt seit damals jede Spur.

Und dann gab es auch noch einen Aston Martin DB2/4 als «Supersonic». Weil leider die Aufzeichnungen sowohl von Ghia wie auch von Aston Martin nicht sehr vollständig sind, weiss man nicht genau, wie es dazu kam. Sicher ist aber, dass der Wagen im April 1956 auf dem Salon von Turin gezeigt wurde. Und sicher ist auch, dass er Harry Schell gehörte, einem amerikanischen Playboy, der in Frankreich lebte und in den 50er Jahren ein einigermassen erfolgreicher Rennfahrer war (er bestritt 56 Läufe zur F1-Weltmeisterschaft, mit einem 2. Rang beim Grossen Preis der Niederlande 1956 als bestem Resultat; Schell war 1950 der erste Fahrer gewesen, der mit einem Mittelmotor-Rennwagen (Cooper-J.A.P. ) in der Forme 1 startete).

Genug jetzt? Nein, denn da war ja auch Virgil Exner, der legendäre Chef-Designer von Chrysler. Er kaufte sich einen Fiat 8V mit «Supersonic»-Karosserie, liess in die USA verschiffen, nahm dort Mass – und zeichnete eine modifizierte «Supersonic»-Karosserie auf einem Chrysler-Fahrgestell. Dann wurde alles, also der Fiat, das Chrysler-Chassis und die Exner-Entwürfe, wieder zu Ghia verfrachtet, wo der Vorschlag von Exner dann umgesetzt wurde. Am 16. Juni 1954 war das fertige Produkt, bezeichnet als DeSoto Adventurer II, bei der Eröffnung eines neuen Chrysler-Testgelände der Öffentlichkeit vorgestellt. So ein echter «Supersonic» ist das zwar nicht – und leider weiss man auch nicht, was danach mit dem Fiat 8V geschehen ist.

Und noch einen Fiat 8V «Supersonic» ereilte ein unschönes Schicksal. 1965 verschaffte sich John Willment, damals grösster Ford-Händler in Grossbritanien, direkt bei Shelby das Chassis und den Motor einer 427er-Cobra. Darauf liess er, wohl mit einigen Anstrengungen, die Karosserie des besagten 8V-Supersonic setzen. Der von Holman & Moody getunte Motor soll etwa 480 PS leisten und diesen ganz speziellen «Supersonic» über 300 km/h schnell machen; das Fahrzeug existiert noch.

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Der Beitrag Die Supersonic von Ghia erschien zuerst auf radicalmag.