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Der ultimative V8

Published in radical-mag.com

Street Hemi!

Die Wedge-V8 hatten also die erste Hemi-Generation, die zwischen 1951 und 1958 angeboten worden waren, abgelöst (siehe: hier). Diese Wedge, «Kuchenstücke», waren mehr als anständige Maschinen, der 62er 413er und vor der 426er (ab 1963) dominierten die Drag Strips. NASCAR war allerdings ein anderes Thema, und Chrysler-Chefingenieur Lynn Townsend fragte seine Crew im Frühling 1963: «Was können wir tun, um in Daytona zu gewinnen im Februar 64?» Bob Hoover soll ihm geantwortet haben: «Wenn Du nach Daytona willst um zu gewinnen, dann sollten wir einen Hemi-Kopf für einen 426er-Wedge adaptieren.» Schon im April 1963 erhielt Hoover die Zusage für das Projekt. Und ein anständiges Budget. Und Frank Bilk. Der ultimative V8 konnte auf den Weg gebracht werden.

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(Leider haben wir keine Bilder von diesen ganz frühen Fahrzeugen, wir zeigen oben deshalb einen 66er Plymouth Belvedere. Selbstverständlich ein «Street Hemi».)

Bilk wusste, dass man die erforderlichen zusätzlichen PS in der Kürze der Zeit nicht mit einer komplett neuen Konstruktion schaffen konnte, sondern effizienter (und günstiger) mit der intensiven Überarbeitung eines schon bestehenden Layouts. Dieses fand sich im ehemaligen Motor, der bei Indy 500 eingesetzt worden war, dem A-311. Bilk verpasste dessen Zylinderkopf neue Kipphebel, dreht die ganze Geschichte ein paar Grad nach innen – und schickte alles zu Harry Westlake nach England, damit dieser die Auslasskanäle optimierte. Für den Bau der ersten Motoren brauchte es 80 Mann-Stunden – und doch waren diese ersten Maschinen nicht perfekt, die rechte Zylinderbank war nicht ganz dicht. Chrysler gab diese Motoren trotzdem – mit der entsprechenden Warnung – Anfang 1964 an Kunden weiter, für gute Quali-Resultate reichte es. Erst wenige Tage vor dem Rennen in Daytona konnten die ersten «guten» Hemi mit der Bezeichnung A-990 ausgeliefert werden. Und selbstverständlich gewann ein Chrysler das Rennen.

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(Oben: ein 66er Plymouth Satellite.)

Und auch für die Drag Races gab es dieses Aggregat ab Mitte Jahr – und zwar gleich doppelt. Da war einerseits die 415-PS-Version mit dem Carter-AFB-Doppelvergasern und einer Verdichtung von 11:1, die aber nur in Fahrzeuge mit klassischer Stahl-Karosse verbaut wurde. Und dann gab es noch die Maschine mit 425 PS und einer Verdichtung von 12,5:1, die für die «lightweight» verwendet wurde. Einfach, damit das klar ist: wir schreiben immer noch das Jahr 1964.

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(Oben: ein 67er Dodge Coronet R/T Convertible.)

Am 5. Januar 1965 wandten sich Chefingenieur Robert Cahill und Special Car Manager Bob Roger an die Geschäftsleitung. Sie schlugen vor, dass A-990 auch in Serienfahrzeuge eingebaut werden sollte. Sie hatten sich ausgerechnet, dass sich jährlich 5000 bis 7000 Exemplare absetzen lassen würden. Am 12. Januar kam bereits die Zusage – und wurde auch gleich öffentlich verbreitet: ab Modelljahrgang würde der Chrysler-Konzern einen «Street Hemi» anbieten. Die Bezeichnung war von Anfang an klar: 426 Hemi. Und obwohl die Maschinen so genannt «detuned» waren, wurde ihre Leistung auch mit 425 PS angegeben. Angeboten wurden sie mit der A727-TorqueFlite und dem manuellen 4-Gänger A833. Als erste Modelle erhielten die B-Bodies von Dodge und Plymouth sowie der neue Charger diese Motoren-Option. Und sie kostete viel Geld: beim Plymouth Satellite, der als V8 2810 Dollar kostete, schlug der 426 Hemi mit zusätzlichen 1105 Dollar zu Buche. Kein Wunder, dass im ersten Jahr nur gerade 2731 Dodge und Plymouth mit dem «Street Hemi» verkauft werden konnten. Und da war dann halt noch ein Problem: diese B-Body war schon auf der eher altbackenen Seite, ein GTO von Pontiac oder eine Chevelle SS396 machten zumindest optisch deutlich mehr her.

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(Oben: ein 67er Plymouth GTX.)

Doch wir müssen nochmals zurückblenden. Denn schon 1964 wurden ja die ersten Serien-Fahrzeuge mit den beiden Hemi-Maschinen ausgerüstet – genaue Zahlen gibtes aber leider nicht, deshalb «existieren» heute wohl deutlich mehr Plymouth Belvedere, Plymouth Satellite und Dodge Coronet der Jahrgänge 1964/65 mit den bösen Rennmotoren, als je gebaut wurden. Naja, es ist irgendwie verständlich, denn mehr «understatement» ist gar nicht möglich. Bis zu 425 PS in einem dieser sehr biederen B-Bodies, das ist wirklich grossartig. 11,39 Sekunden für die Viertelmeile mit einer Höchstgeschwindigkeit von 126,05 Meilen – da muss noch manch ein moderner Sportwagen früh aufstehen; ein aktueller Porsche 911 Turbo S, Allradantrieb, Launch-Control, ist so viel schneller auch nicht. Und diese Zahlen gelten übrigens für die nicht speziell gepimpten Fahrzeuge: der legendäre «Silver Bullet», ein 67er Plymouth GTX, rund 600 PS stark, rannte die Viertelmeile in unter 10,5 Sekunden und mit über 140 Meilen.

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(Oben: ein 67er Plymouth GTX Convertible.)

Ab 1966 standen die «Street Hemi» für die Plymouth Satellite und Belvedere sowie im Dodge Coronet (plus Coronet Deluxe, Coronet 440 und Coronet 500) dann offiziell in den Preislisten. Aber wie schon erwähnt: es kostete eine Stange Geld, sich solch ein Gerät anzuschaffen. «Motor Trend» testete 1966 einen der ersten Hemi-Satellite, der mit etwas Ausrüstung auf 4211 Dollar kam; eine Corvette mit dem ebenfalls ziemlich bösen 427er kam auf 4396 Dollar. Andererseits war das ja dann nur eine Corvette. Und allein schon an der Tankstelle schlug der Hemi alle Vetten locker, also: sein Durst war bedeutend grösser. (Ja, wir wissen selbstverständlich, dass 1966 auch der Charger auf den Markt kam, aber das ist uns dann noch eine andere grosse Story wert.)

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(Oben: ein 68er Plymouth GTX Convertible.)

1967 wurde alles anders. Bei Dodge hiess es nun R/T, bei Plymouth GTX. Das Problem: es waren weiterhin Belvedere und Coronet. Standard-Motorisierung war bei beiden Modellen der 440ci-Magnum (also: Wedge) mit 375 PS, den «Street Hemi» gab es als Option. Doch weil diese neuen Modelle von Anfang an geplant und gerechnet waren, konnten sie 1967 zu einem deutlich interessanteren Preis angeboten werden: weniger als 3200 Dollar standen auf dem Preissticker. Dafür gab es auch noch einige optische Gimmicks aussen und innen, das «heavy duty»-Fahrwerk, grössere Scheibenbremsen. Die 66er hatten noch einen blauen Streifen auf ihren 7.75×14-Reifen, die 67er dann einen roten. Trotzdem konten 1967 nur gerade 108 GTX und R/T mit dem Hemi-Motor verkauft werden. Der 426er-Hemi blieb als Option auch für die anderen Modelle erhältlich (also: ebenfalls Belvedere und Coronet, einfach ohne die R/T- und GTX-Insignien), aber insgesamt bleib es bei bescheidenen 316 B-Bodies mit «Street Hemi». (Wie schon erwähnt, den Charger behandeln wir gesondert.)

Für den Modeljahrgang 1968 wurde dann wirklich alles anders. Und so richtig kompliziert auch noch. Es gab ein komplett neues Design für den Dodge (Coronet) R/T und dem Plymouth (Belvedere) GTX. Und dazu gab es auch noch den Plymouth Road Runner und den Dodge Super Bee, die quasi die Sport-Versionen darstellen sollten. Anders ausgedrückt: der R/T war der grosse Bruder des Super Bee, der GTX ebendies vom Road Runner. (Und dann gab es ja auch noch den Charger, doch den behandeln wir – wie neu auch Super Bee und Road Runner – in einer anderen Story).

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(Oben: ein 69er Dodge R/T.)

Also verbleiben wir vorerst bei den GTX und R/T. Sie wurden wieder teurer, beim GTX kamen gegenüber dem Road Runner 322 Dollar dazu – und dann noch einmal 604,75 Dollar für den 426er Hemi. Damit waren dann schon wieder rund 4000 Dollar fällig, und das war damals jede Menge Moos. Da durfte sich Plymouth nicht wundern, dass nur gerade 410 Hardtops und 36 Cabrios verkauft werden konnten. Noch seltener waren die Dodge R/T: 220 Hardtops und nur gerade 9 Cabrios. Die Preise für diese Fahrzeuge sind heute absurd hoch. Gut ist aber, dass sich die Originale ganz genau bestimmen lassen; Fälschungen gibt es zwar, wie bei den italienischen Sportwagen, zuhauf, aber sie lassen sich ganz einfach identifizieren. Dabei hilft, dass es für all diese «Street Hemi» eine ganz hervorragende Club-Szene gibt, die intensiv auf den wahren Purismus achtet. Sehr puristisch handelte auch der Chrysler-Konzern in jenen Jahren: der 426 Hemi wurde technisch nicht mehr weiterentwickelt.

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(Oben: ein 69er Plymouth GTX Convertible.)

Die 69er-Modelle wurden auch optisch kaum verändert – und sie sind ganz einfach erkennbar: die GTX erhielten einen Lufteinlass auf der Motorhaube namens Air Grabber, bei den R/T hiess das Ding Ram Charger. Aber mit den Verkaufszahlen ging es weiter bergab: 97 Hardtops und 10 Cabrios vom R/T wurden verkauft, beim GTX waren es 198 Coupé und 11 Convertibles. Und 1970 wurde es dann richtig tragisch: Obwohl der R/T komplett neu gestaltet wurde, konnten insgesamt nur gerade 2408 Stück abgesetzt werden. Und davon waren nur noch 14 Exemplare mit dem Hemi-Motor ausgerüstet. Es war dies das letzte Jahr für den Dodge (Coronet) R/T.

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(Oben: ein 70er Dodge R/T.)

Dem (Belvedere) GTX ging es nicht viel besser, trotz Re-Styling gingen nur 7202 Exemplare an neue Kunden – und nur noch 72 davon kreuzten die Option «Hemi» an. Für den Modelljahrgang 1972 erhielt der GTX noch einmal eine Chance, doch es gab in den USA neue Einstufungen bei den Versicherungen, welche die «muscle cars» unsäglich verteuerten – nur gerade 35 Stück wurden noch verkauft. Es war dies ein unrühmliches Ende für einen der grossartigsten Motoren aller Zeiten.

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(Oben: ein 71er Plymouth GTX.)

Mehr schöne Amerikaner haben wir in unserem Archiv. Empfehlen wollen wir ganz besonders unsere sehr ausführlichen Stories etwa zu:

Der Beitrag Der ultimative V8 erschien zuerst auf radicalmag.