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Automobile aus unserer Leserschaft (3)

Published in radical-mag.com

Oldsmobile Omega Brougham 2,8

Von Freud und Leid, einen Amerikaner zu fahren

Zur doch seltsamen Gruppe jener Menschen gehöre ich, die das amerikanische Autodesign lieben. Als ich «meinen» Oldsmobile bei einem Händler stehen sah, musste ich es einfach haben. Alleine das Design des 1980er-Modells: Der auffällige Wasserfall-Grill mit typischer Oldsmobile-Nase in der Mitte! Die steile Heckscheibe und die schmalen, Cadillac-ähnlichen Heckleuchten! Der Traum vom Amerikaner konnte endlich Wirklichkeit werden! Noch dazu, weil es die Top-Version mit 2,8-Liter-V6 war und als Brougham innen mit unglaublich viel Chromzierrat und Wurzelholz daherkam – die beide sowas von keinem Geheimnis daraus machten, dass sie aus billigem Plastik waren.

Alsn den USA 1980 die X-Body-Baureihe von GM herauskam, zu der mein Wagen gehört, galten diese Autos als fortschrittliche (weil Frontantrieb), preiswerte Kompaktwagen. Blöd nur: In einer Zeit, in der amerikanische Autos in Sachen Qualität generell keinen tollen Ruf hatten, war die X-Body-Baureihe besonders schlecht. Massive Probleme mit den Bremsen, Rost und sonstige Mängel liessen die Verkaufszahlen binnen vier Jahren völlig zusammenbrechen. Das hätte ich vorher in der Szene nachfragen sollen, ich kannte dort sogar jemanden. Im analogen Zeitalter war so etwas die einzige Infoquelle. In Österreich gab es eh nur wenige davon, weil sie – anders als das Schwestermodell Buick Skylark – nie offiziell importiert wurden. Nicht nur deshalb, sondern auch wegen des für uns «sehr» amerikanischen Designs des 1980er-Modells fiel man mit so einem Auto ziemlich auf. Spannend war immer wieder, was meinem Auto zugeschrieben wurde: 2,5 Tonnen, 20 Liter Verbrauch, «Zuhälterschlitten». Tatsächlich war das Omega so gross und schwer wie ein Mazda 626, brauchte 12 Liter (für damals nicht schlecht!) – und kein Zuhälter dieser Welt wäre auf die Idee gekommen, mit so einem Billigauto vorzufahren.

Aber zurück zum Wagen: Herbert Völker beschrieb Mitte der 1990er den Chrysler New Yorker als «das Auto zur Vermeidung des Autofahrens». Das bringt das typische US-Fahrgefühl für mich auf den Punkt. Ich war nie der BMW-Typ, sondern immer mehr so Mercedes. Meine Schwester fuhr damals einen 520er (E28), ein toller Wagen mit dem zu Recht legendären Sechszylinder. Nie hätte ich ihn gegen meinen Benz tauschen wollen. Ich wollte kein «aktives» Auto, sondern eines, das mich möglichst komfortabel von A nach B bringt. Deshalb war das Oldsmobile für mich ein Traum. Es war unglaublich leise. Sowohl im Stand als auch beim Fahren war der Motor kaum zu hören. Und dieses spezielle Fahrgefühl, das nur Amerikaner bieten, war noch entspannender als in meinem Mercedes. Natürlich waren die Fenster alle elektrisch und die Zentralverriegelung wurde selbstverständlich innen betätigt. Also beim Aussteigen einfach – klack! – den Schalter in der Armlehne drücken und die Türe ohne Schlüsselgefummel ganz lässig zuwerfen. Der in den USA obligatorische Tempomat war natürlich auch dabei. Es gab keinen massiven Mitteltunnel und keine Mittelkonsole. Das bedeutete viel Freiheit für die Beine. Vorne war eine durchgehende Bank, natürlich mit Armlehne in der Mitte. Und Plüsch war mir definitiv lieber als Leder, das saukalt ist, wenn man sich im Winter ins ungeheizte Auto setzt. Mit Frontantrieb und dem grossen Motor auf der Vorderachse verlor der Tiroler Winter jeden Schrecken. Mein diesbezügliches Highlight war, als ich auf einer tief verschneiten Landstrasse mit meinem «Ami-Schlitten» einen Golf aus der Schneewächte zog.

Ich bin damals regelmässig Langstrecke gefahren, alle paar Wochen Innsbruck-Wien und retour oder noch weiter in die Oststeiermark zu meinen Eltern. Das waren 500-650km in eine Richtung. Ich glitt in meinem Wagen wie in einer geschützten Blase entspannt dahin, vermied gerne (ganz besonders in Deutschland) die linke Spur. Stattdessen beobachtete ich lieber mit Staunen die Lichthupen- und Drängeldramen, die sich dort abspielten. Was scherte es mich da, dass die inferiore GM-Dreigangautomatik einen theoretisch drehmomentstarken 2,8-Liter-Motor mit 120 PS auf das Temperament eines müden 70-PSers zusammenschnürte. Das Fahrwerk war erstaunlich europäisch. Keine Spur von einer knieweichen Schaukelkiste. Tiroler Pässe oder kurvige Landstrassen – kein Problem. Ich habe mit dem Oldsmobile Touren quer durch Österreich gemacht, das sind unvergessene Erinnerungen. Auch wegen diesem tollen Reiseauto. Ja, das Oldsmobile hatte noch die klassische …ich parke mit zwei Fingern»-Servolenkung. Die ist tatsächlich so leichtgängig. Mich hat das nie gestört. Mein Zugang war: Warum sollte ich mich mehr plagen als notwendig? Wenn man so eine Lenkung nicht grundsätzlich hasst, liebt man sie nach einer kurzen Eingewöhnung. Einziges Manko war die schwache Rückstellkraft, da wäre ich am Anfang zwei, drei Mal beim Abbiegen um ein Haar auf der Gegenfahrbahn oder in parkenden Autos gelandet.

Und damit kommen wir zum Leiden. Meine Liebe zu diesem Auto war in etwa so vernünftig wie die Liebe zu alten Italienern oder Engländern. Autos mit Charakter, deren Macken man aber aushalten muss. Erinnert sich noch wer an Lucas als die gefürchtete englische Gottheit der Finsternis? Mit meinem Oldsmobile war das nicht besser. In meinem Fall musste ich das Lenkgetriebe bald einmal tauschen, weil es so grosses Spiel hatte, die Hörner der Hupe fielen plötzlich aus, der Auspuff musste getauscht werden und die Tachowelle (an der der Tempomat hing) brach. Mein grosses Glück war, dass mir der Vorbesitzer einen identen Wagen zum Schlachten dazugeschenkt hatte und ich die benötigten Teile dort alle ausbauen konnte. Frage nicht nach den Werkstattkosten! Einmal ging mir am ziemlich steilen und kurvigen Hahntennjoch einfach so der Motor aus. Den Wagen steil bergab ohne jede Servounterstützung zu lenken und zum Stehen zu bringen war ein schweisstreibender Kraftakt. Ja, es war auch Angstschweiss dabei. Mit Automatik hat man leider keine Motorbremse. Als ich endlich in einer Ausweiche stand, musste ich einige Male tief durchatmen, bevor ich weiter fahren konnte. Dass der Wagen nicht abbrannte, war reiner Zufall. Als ich eines Morgens vor dem Wegfahren eine grössere Lacke unter dem Motor sah, war ich Gott sei Dank klug genug, den Motor nicht zu starten, sondern rief gleich den Pannendienst. Der Pannenfahrer war einigermassen schockiert. Ursache für die Lacke war die undichte Benzinpumpe, die intelligenterweise direkt über dem Auspuffkrümmer (!!) am Motorblock montiert war und ihn schon ganz ordentlich angetropft hatte. Was es bedeutet hätte, wenn das während der Fahrt passiert wäre, muss ich nicht erklären.

Mein Wagen verschied schliesslich an einem Defekt der Automatik, wahrscheinlich der Getriebepumpe. Damals, in den 1990er-Jahren, musste man mit einer Automatik und so einem Exoten zum Spezialisten. In Innsbruck hätte ich so jemanden zur Hand gehabt, der den Wagen sogar kannte. Blöderweise passierte der Defekt aber in Wien. Die Überführung hätte mich ein Vermögen gekostet. Ich war damals knapp bei Kassa, die vielen Reparaturen hatten ein ordentliches Loch in mein Budget gerissen. Also blieb mir nichts anderes übrig, als den kaputten Wagen um 2000 Schilling (in heutigem Geld etwa 280 Euro) an einen Wiener US-Autohändler zu verkaufen. Fun fact: Der selbe Händler bot mein Auto (das ich über einen sehr speziellen Heckaufkleber eindeutig wiedererkannte) wenige Jahre später in völlig abgeranztem Zustand um wohlfeile 20’000 Schilling (heute: 2.800 Euro) zum Verkauf an. Vor über 25 Jahren eine mutige Ansage, und nein, ich nenne hier keinen Namen. Ich hätte mir so ein schäbiges Auto jedenfalls niemals um so viel Geld gekauft. Noch dazu, wo dieses Oldsmobile keinerlei Sammlerwert hat.

Würde ich mir dieses Auto wieder kaufen? Ich weiss es nicht. Ich verbinde mit diesem Wagen viele schöne Erinnerungen. Alleine regelmässig abends von Innsbruck nach Hall mit Tempomat 70 und Sarah Brightman im Ohr auf der grünen Welle tiefenentspannt dahinzusurfen. Meine richtig schönen Österreich-Touren, das völlig entspannte Fahrgefühl. Auf der anderen Seite ist ein gut erhaltenes Oldsmobile Omega mit V6 wenn, dann vielleicht in Belgien, den Niederlanden oder Deutschland zu bekommen. Die Risiken und Nebenwirkungen von Direktimporten aus den USA sind bekannt. Also wird es wohl bei der Erinnerung bleiben.

Wir bedanken uns herzlich bei unserem Leser yumiyoshi für diese Geschichte. Sie dürfen auch, ruch@pruductions.ch, jederzeit.

Der Beitrag Automobile aus unserer Leserschaft (3) erschien zuerst auf radicalmag.