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Volvo XC90 B6 AWD

Published in radical-mag.com

Besser als gedacht

Während du da so lümmelst, hoch oben und federweich gebettet im famosen und edel belederten Sitz des neuen Volvo XC90 B6, kommt es plötzlich: so langsam ist das hier alles gar nicht.

Ja, ein Zweitonner täte mit einem Dreiliter-Sechszylinder sicher besser. Vor allem klingen. Aber objektiv betrachtet tut der B6 schon mächtig, die Zahlen am Tacho sind beeindruckend. Als Referenz: 6,3 Sekunden auf 100km/h. Das ist schnelle als einst ein Cayenne S mit 4.8 Liter V8 und 385PS.

Und so bist du also im Zwiespalt. Gerne würdest du dich ein bisschen mehr aufregen, jammern, dem großen Hubraum nachtrauern. Im echten Leben aber, draußen auf der Straße, in der Stadt, im Stop & Go: da tut der Volvo plötzlich wunderbar.

Unaufgeregt, flüsterleise und seidenweich. Man spürt praktisch gar nix vom Motor. Warum dann also ein riesiges Eisenschwein spazierenfahren und vor allem: durchfüttern?

Eben. Vielleicht ist die Idee gar nicht so schlecht.

Zugegeben, sie haben eine Weile gebraucht, bis das alles so fein und edel zusammenkam. Mit dem Erscheinen der aktuellen XC90-Generation war das noch nicht ganz so. Wir waren deshalb auch erschreckt, als im vergangenen Jahr verkündet wurde, dass sie die Entwicklung am Verbrenner einstellen zugunsten der Elektrifizierung.

Doch nun zeigt sich das Bild klarer: es geht nicht ums komplette Abschieben der Viertakter, nein, sie müssen sich nun bloß ein bisschen Beihilfe gefallen lassen. Was voll in Ordnung ist.

Die Einen mögen das als cleveren Schachzug abtun, die Anderen freuen sich über ein fein abgestimmtes Aggregat. Doch eigentlich ist der Motor im Volvo XC90 B6 AWD zweitrangig. Denn erste Geige werden immer Raum und Komfort spielen.

Design, Platz & Komfort

Zum Facelift für das aktuelle Modelljahr haben die Schweden nur wenig angefasst. Leicht geänderte Schürzen und eine feinere Leuchtengrafik – selbst das geschulte Auge findet die Unterschiede nur mit Mühe. Es war aber auch nicht nötig, denn selbst nach fünf Jahren wirkt das Design des Volvo XC90 noch immer frisch.

Im Interieur hat sich ebenso wenig geändert. Es gab ein großes Update für die Google-basierte Infotainment-Software, die nun mit neuen Funktionen glänzt. Der Rest ist bekannt. Erlesene Materialien, skandinavisch perfektes Design und feinste Verarbeitung.

Wieviel Platz der große Schweden-SUV eigentlich hat, zeigt sich am Besten in der Siebenplatz-Variante. Denn mit aufgestellter dritter Reihe ist man versucht das Kofferraumvolumen zu kritisieren. Faltet man Platz sechs und sieben allerdings zusammen, staunt man nicht schlecht. Das Kofferraumvolumen ist gigantisch, besonders die Tiefe begeistert dabei.

Dazu kommt, dass die zweite Sitzreihe gut zehn Zentimeter längsverstellbar ist. Zum einen kann man den ganz-hinten-Sitzenden so mehr Fußraum gönnen, zum anderen noch mehr Kofferraum schaffen. Einzeln klappbar und in der Neigung verstellbar ist die zweite Reihe obendrein. Viel Flexibilität also, die der Volvo XC90 hier bietet und die ihn in seinem Segment wenig Konkurrenz kennen lässt.

Gleiches gilt für den Komfort. Das große SUV begeistert mit fantastischen und vielfältig auf die eigene Statur anpassbaren Sitzen, doppelter Verglasung und toller Geräuschdämmung. Dazu kommt das adaptive Fahrwerk, dass auch in der sportlichen Grundabstimmung des R-Design-Pakets eher gemütlich abgestimmt ist.

Technische Highlights

Der wortwörtlich spannendste Teil des neuen Volvo XC90 B6 AWD versteckt sich unter der Motorhaube. Dort soll der völlig neu konstruierter Zweiliter-Vierzylinder in Kombination mit dem 48V Mild-Hybrid-System für mehr Sparsamkeit sorgen. Herzstück des elektrischen Teils ist ein riemengetriebener integrierter Starter-Generator. Diese besonders starke Lichtmaschine bringt es auf 10kW, also 14PS und unterstützt in Boost-Phasen mit bis zu 40Nm.

Dabei greift der ISG auf einem kleinen Lithium-Ionen-Akku zurück, in den er auch Bremsenergie einspeisen kann. Rein elektrisches Fahren ist wie bei allen Mild-Hybrid-Systemen nicht möglich, dennoch verspricht Volvo großes Sparpotenzial. Zumal die 48V-Architektur eine neue Technik für den Verbrenner ermöglicht.

Bislang halfen ein Turbolader und ein Kompressor bei der Zwangsbeatmung des Benziner-Topmodells. Nun wird der leistungszehrende mechanische Antrieb von Letzterem auf einen elektrischen umgestellt. Mit dem Wechsel von 12V auf 48V für Teile des Bordnetztes wurde dieser Schritt möglich. Neben direktem Ansprechverhalten und geringerer Geräuschentwicklung ist der Ladedruck nun erstmals unabhängig von der Motordrehzahl.

Neben dieser Neuerung sollen auch andere konstruktive Details des neuen B6-Topmotors für mehr Freude sorgen. So etwa eine Zylinderabschaltung, ein neuer Schwingungstilger im Schwungrad und ein Direktantrieb der Kraftstoff-Hochdruckpumpe an der Kurbelwelle. Trotz der neuen 48V-Bauteile und Feinheiten wie einem wassergekühlten Ladeluftkühler und einer Niederdruck-Abgasrückführung ist das neue Aggregat trotzdem leichter geworden. Dennoch wurde er steifer und damit haltbarer, Geräuschen und Vibrationen kommt die Neukonstruktion auch zu Gute.

Wenn man die Liste der Neuerungen durchgeht, dann überrascht der Aufwand schon. Zumal für einen Hersteller, der dem Verbrenner eigentlich abgeschworen hat. Doch ohne Benziner und Diesel ist es scheinbar doch nicht so einfach zu schaffen. Und die Ideen zum Erreichen immer strengerer Abgasnormen scheinen in Fülle vorhanden zu sein.

Wie fährt der Volvo XC90 B6 AWD?

Herrschaftlich. Und ja, wir nehmen es gleich vorweg: natürlich würde einem Fahrzeug dieser Dimension auch ein Dreiliter-Sechszylinder gut tun. Aber gerade der neue B6-Motor steht dem großen Schweden-SUV ausgezeichnet. Die Kombination aus Elektro-Boost und dem elektrischen Kompressor machen den XC90 sehr agil aus dem Stand.

Auch das Beschleunigen ist kräftig und über alle Zweifel erhaben. Die neu – und sehr sauber – abgestimmte Achtgang-Automatik trägt ihren Teil zum feinen Gesamteindruck bei. Im Alltag gibt es entsprechend wenig zu kritisieren. Man fühlt sich stets ausreichend und souverän motorisiert.

Einzig wenn es dann mal wirklich schnell und dynamisch sein soll schwächelt der Volvo XC90 B6 AWD ein wenig. Wenn die Drehzahlen zu hoch werden, weil man alle 300PS aufmarschieren lässt, dann wirkt er ein wenig angestrengt. Selbst die beste Dämmung und die dicksten Scheiben können das Geräusch nicht aussperren.

Aber es sind dies eben nur wenige Momente, in denen der Vierzylinder schwächelt. Im Alltag ist er ein Prachtantrieb: nicht hörbar, nicht spürbar und jederzeit kräftig genug. Dazu hält er sich an der Tankstelle tatsächlich zurück. Wir blieben im Testmittel unter zehn Litern auf 100 Kilometer. Und das ist für ein Auto dieser Größe im echten Leben mehr als in Ordnung.

Fazit:

Das neue Modelljahr hat dem grossen Schweden gut getan. Der neue Motor des Volvo XC90 B6 AWD bringt deutlich mehr Souveränität mit als sein Vorgänger. Dank des 48V-Systems hält er sich trotzdem an der Tankstelle zurück. Die Summe der Qualitäten hat allerdings ihren Preis, der Testwagen kam auf weit über 100’000 Franken.

Technische Daten:

Modell: Volvo XC90 B6 AWD R-Design (7-Sitzer)
Motor: Vierzylinder-Reihe, 2’000 ccm
Leistung: 300PS (220kW)
Drehmoment: 420 Nm bei 2’100-4’800U/min
Antrieb: Allradantrieb, Achtgang-Automatikgetriebe
Verbrauch (NEFZ): 7,6 l Benzin/100km
Testverbrauch: 9,7 l Benzin/100km
Beschleunigung (0 – 100km/h): 6,3s
Höchstgeschwindigkeit: 230km/h
(Abmessungen (L/B/H): 4,95m/1,93m/1,77m
Gewicht: 1’680kg
Grundpreis: 94‘800 CHF

Der Beitrag Volvo XC90 B6 AWD erschien zuerst auf radicalmag.