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Car of the Year 2020

Published in radical-mag.com

Vergleichsfahrten

Und dann komm ich mit so knapp über 200 km/h angerauscht auf der langen Gerade. Ja, diese zweite Runde im Tesla Model 3 Dual Motors auf dem Rundkurs von Mortefonatine ist flott, aber jetzt nicht wirklich mit dem Messer zwischen den Zähnen, es geht ja nicht um Sekundenbruchteile, sondern um einen vertieften Eindruck vom Fahrverhalten. Also bremse ich schon deutlich vor dem letzten Bremspunkt vor der Schikane an – und es ploppt ein Alarmsignal in den grossen Tesla-Bildschirm: High Break Temperature (oder so ähnlich). Was sich dann so ausdrückt, dass der Tesla quasi keine Bremse mehr hat, ich draufstehe ohne grosse Wirkung, loslasse, es nochmals versuche, diesmal volles Wadenbein, immer noch nicht viel. Es wurde dann: knapp. So in Richtung: unangenehm. Ein bisschen Schaden an der Landschaft gab es, Auto und Fahrer haben es überstanden, letzterer mit doch ziemlich erhöhtem Puls. (Was Tesla dazu zu sagen hat, werden wir an anderer Stelle noch berichten.)

Jeweils zwei Wochen vor dem Genfer Salon trifft sich die komplette Jury von «Car of the Year», bestehend aus 60 etablierten Auto-Journalisten aus 23 europäischen Ländern, jeweils in Mortefontaine auf dem Ceram-Testgelände für die letzten Test- und Vergleichsfahrten mit den sieben Kandidaten, die noch für den «Oscar» der Automobil-Industrie in Frage kommen. Zwei Tage lang können die Fahrzeuge auf den Strassen nördlich von Paris sowie auf einem anspruchsvollen Rundkurs noch einmal auf Herz und Nieren und auch allfällige Bremsprobleme getestet werden. Es ist klar, dass Fahrzeuge wie ein Toyota Corolla oder eben der Tesla nicht auf schnelle Runden auf der Rennstrecke ausgelegt sind, doch sie müss(t)en das halt auch können, das Fahrverhalten lässt sich unter diesen verschärften Bedingungen am besten überprüfen. Der direkte Vergleich hilft auch bei der Beurteilung: Der Peugeot 208, zum Beispiel, den «radical» im Test noch gelobt hatte, muss sich von seinem französischen Konkurrenten Renault Clio klar geschlagen gegeben, der Löwe ist zu weich, weniger präzis. Und noch eine (erstaunliche) Erkenntnis: Der e-208 mit seinem tieferen Schwerpunkt und dem höheren Gewicht fährt sich deutlich sportlicher (und eben: präziser) als die Verbrenner-Versionen. Auch interessant: Renault schafft bei seinem ersten Hybrid den Übergang von Strom auf Verbrenner und zurück so souverän wie Toyota – und die Japaner haben doch ein paar Wochen mehr Erfahrung.

Gut und wichtig ist auch, dass die Hersteller verschiedene Varianten ihrer Fahrzeuge nach Mortefontaine bringen. BMW hatte den 116d mit dabei, den einzigen 1er, der unter den von Brüssel geforderten 90 Gramm CO2 pro Kilometer liegt. Aber auch den M135i, der unter all den Kandidaten am meisten Automobil ist, wie wir es kennen und schätzen. Auf der schon erwähnten Gerade kam er auf über 220 km/h – und wurde nur geschlagen vom unfassbaren Porsche Taycan Turbo S, der es locker auf über 240 km/h brachte. Und auch nach der vierten Runde keinerlei Bremsprobleme zeigte. Was man auch von allen anderen Konkurrenten schreiben kann (mit Ausnahme des Tesla, wie erwähnt), wobei es halt der Hybrid-Corolla mit knapp über 150 km/h auch nicht ganz so schwer hatte wie andere.

Bis am 28.2. müssen die Juroren (und Jurorinnen) nun abstimmen. Sie dürfen 25 Punkte vergeben, die sie über mindestens fünf der Finalisten verteilen müssen; die Höchstnote sind 10 Punkte, die Null darf auch vorkommen. Im Gegensatz zu den meisten anderen Auto-Auszeichnungen werden die Urteile der Juroren öffentlich gemacht, die Abstimmung ist vollkommen demokratisch – das öffentliche «Auszählen» der Stimmen findet am 2.3. auf dem Genfer Salon statt und kann in einem Live-Stream verfolgt werden. Nach welchen Kriterien die Juroren ihre Punkte verteilen, ist ihnen überlassen, bei «radical» sieht das Schema so aus: Design; Innenraum; Fahrverhalten; Umweltverträglichkeit; Preis/Leistungsverhältnis; Innovation; Gesamteindruck. Wir werden unsere Einschätzung wie immer publik machen.

Und nochmals zur Erinnerung, folgende sieben Fahrzeuge stehen zur Wahl: BMW 1er-Reihe (inkl. M135i), Ford Puma, Peugeot 208 (inkl. e-208), Porsche Taycan, Renault Clio, Tesla Model 3, Toyota Corolla (Photos: ©Velimatti Honkanen). Andere Fahrzeuge haben wir in unserem Archiv.

Der Beitrag Car of the Year 2020 erschien zuerst auf radicalmag.