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Test Peugeot 508

Published in radical-mag.com

Gelassenheit

Es waren dann genau 803 Kilometer. Ab Zürich bis in die Lüneburger Heide. Der Peugeot 508 wurde getrieben, so schnell es halt ging, Höchstgeschwindigkeit gemäss Tacho 238 km/h, überholt wurde er einzig auf geschwindigkeitsbeschränkten Abschnitten. Und nein, wir bei «radical» sind jetzt nicht als zögerliche Beschleuniger bekannt oder gar als Öko-Fahrer berühmt; die 6,5 Stunden Fahrzeit sind kein Rekord, aber es wird halt auch immer schwieriger auf der deutschen Autobahn, Baustellen, Staus, Lastwagen, Holländer, man kaum nur noch selten so richtig flott vorwärts. Nach besagten 803 Kilometern leuchte zwar das gelbe Lämpchen noch nicht, doch am nächsten Morgen tritt man ja gerne wieder mit vollem Tank zur Weiterfahrt an, also füllten wir Diesel nach. Nach 43 Litern schlug er zum ersten Mal an: nein, das kann nicht sein. Als wir wirklich den letzten Tropfen reingewürgt hatten, standen da: 45,87 Liter. Macht dann also im Schnitt: 5,71 Liter. Mit Klimaanlage.

Selbstverständlich muss und will man jetzt nicht jeden Tag von Zürich in irgendein Kaff in der Lüneburger Heide. Doch falls, so geht es wohl weder schneller noch günstiger als mit so einem kräftigen Diesel. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln wird es ja oft zu einem Abenteuer, ganz besonders in Deutschland, ganz besonders dann, wenn das Reiseziel nicht direkt angefahren werden kann – und es kostet spätestens ab zwei Passagieren auch noch ein Vermögen); Flieger plus ÖV plus Taxi kostet noch mehr (und ist gerade auf der Kurzstrecke ein totaler ökologischer Blödsinn); für ein E-Auto (inkl. Tesla) ist so eine lange Tagesetappe auch eher: schwierig (siehe auch Test Nissan Leaf).

Kommt dazu, dass der Peugeot 508 – der uns schon beim ersten Kontakt sehr überzeugt hatte – ein ausgesprochen feiner Reisewagen ist. Eine der positiven Auswirkungen der Übernahme von Opel durch den PSA-Konzern ist, dass Peugeot von der anerkannten Kompetenz der Opelaner bei den Sitzen profitieren darf – und sicher auch deshalb steigt man auch nach der Langstrecke völlig entspannt aus dem Franzosen aus. Guter Seitenhalt, sehr guter Komfort, die richtige Stütze, so muss das sein. Dazu kommt, dass der grosse Löwe wirklich sehr ruhig ist, auch bei Geschwindigkeiten über 200 km/h stören keine Windgeräusche; vom Motor hört man eh nur nach dem Kaltstart. Dieser Diesel, 2 Liter Hubraum, 180 PS, 400 Nm maximales Drehmoment bei 2000/min, ist in Verbindung mit der extrem sauber und sanft schaltenden 8-Gang-Automatik derzeit eh so etwas wie «benchmark», souverän in der Kraftentfaltung, wie schon beschrieben so richtig sparsam (in der Schweiz fährt man problemlos mit weniger als 5 Litern im Schnitt) – und ausserdem erfüllt er alle gesetzlichen Vorgaben auch in den nächsten paar Jahren (sofern nicht wieder einmal alles anders wird). Es ist und bleibt uns ein Rätsel, weshalb der Diesel derart verteufelt wird (also: danke VW und Mercedes), da draussen, im richtigen Leben, lassen sich auch zukünftige CO2-Ziele wohl nur mit solchen Motoren/Antrieben erreichen. Und das gilt noch für viele, viele Jahre.

Die sicher eher konservative Kundschaft für solch klassische Limousinen könnte im Peugeot 508 das vergleichsweise kleine Lenkrad allenfalls erschrecken. Überhaupt strahlt das i-Cockpit nicht die für diese Fahrzeug-Kategorie so typische Rentner-Behäbigkeit aus, sondern vermittelt mehr so: Dynamik, Agilität. Einverstanden, wir sind im Vorteil, weil wir nun schon so manchen Peugeot mit diesem neuen Innenleben fahren durften, uns auch daran gewöhnt haben, dass man die Anzeigen oberhalb des Lenkrads sieht (was bei anderen Herstellern dann Head-up-Display heisst und oft viel Aufpreis kostet). Es geht aber auch weniger um den praktischen Nutzen, es ist mehr so ein Gefühl, das der Franzose vermitteln kann, es wirkt alles kompakter, mehr auf den Fahrer fokussiert. Die Bedienung all dieser Systeme von Infotainment, Navigation, Connectivity ist logisch, sinnvoll, der Touchscreen könnte vielleicht etwas grösser sein, die Klaviatur darunter ist leider etwas unübersichtlich und gewöhnungsbedürftig. Dafür hatten wir Freude an der ausgezeichneten Verarbeitung des Fahrzeugs, feine Materialien, sehr sauber zueinandergefügt; andere Hersteller strapazieren da den Begriff Premium. Auf den über 4000 Kilometern, die wir den Peugeot doch ziemlich grob bewegten, gab er keinerlei komische Geräusche von sich; schlechte Strassen bügelt er locker weg.

Die Zeiten, als so ein Peugeot noch ein typischer Franzose war, sind längst vorbei. Zwar ist das Fahrwerk sicher nicht so sportlich abgestimmt wie bei den deutschen Konkurrenten (wobei, das ist ja heute mit diesen verschiedenen Fahr-Modi eh alles sehr relativ geworden), doch er kann schon auch: Kurve. Das kann er sogar gut, weil die Lenkung sehr präzis ist, auch Rückmeldung gibt von der Strasse. Auch an den Bremsen fanden wir keine Mängel, auf der deutschen Autobahn wurden sie doch öfters ziemlich heftig beansprucht, wenn sich da mal wieder ein belgisches Wohnmobil auf die falsche Spur verirrte. Uns gefällt die gesamte Charakteristik des Wagens – er kann schnell und auch etwas heftig, aber er muss nicht. Irgendwie pflegt er die schönen Tugenden der Gelassenheit.

Die Platzverhältnisse sind erstaunlich gut, auch für die hinteren Passagiere. Man könnte ja meinen, die Coupé-Form des 508 würde die Kopffreiheit einschränken, doch das tut sie erst bei Sitzriesen von über 1,90 Metern Länge. Was wir auch schätzten auf unserer Langstrecke: den Kofferraum mit seinen 487 Liter Fassungsvermögen ist so gross, dass leichtes Gepäck fast verlorengeht. Ausserdem lassen sich die Rücksitze abklappen, dann stehen fast 1600 Liter Volumen zur Verfügung – das kann manch ein Kombi nicht besser (und ja, der 508 als Kombi kommt auch, siehe: hier).

Ob das in diesen SUV-verseuchten Zeiten noch klappen kann mit einer Limousine, das wissen wir auch nicht (haben aber leider Zweifel). Der Peugeot ist ein schönes Automobil, aus jedem Winkel betrachtet, er ist auch innen so adrett, dass man MQB als so langweilig empfindet, wie MQB halt auch ist. Eigentlich spielt er in manchen Bereichen eine Liga höher als 3er-BMW, A4 von Audi und C-Klasse von Mercedes, doch diese Grössenvergleiche sind ja längst müssig (Skoda Superb…). Mit einem Basispreis von 36’900 Franken für den 130-PS-Diesel ist nicht als Schnäppchen einzustufen; unser Testwagen war als GT-Line und folglich schon sehr reichhaltiger Ausstattung mit 49’200 Franken angeschrieben. Es gibt ja da den entscheidenden Unterschied zwischen preiswert und den Preis wert – für den Peugeot 508 gilt sicher letzteres.

Mehr Peugeot haben wir in unserem Archiv.

Der Beitrag Test Peugeot 508 erschien zuerst auf radicalmag.