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Sitzen auf Sitzen

Published in radical-mag.com

Schön – oder gut?

Die meisten Menschen sterben: im Bett. Darauf zu schliessen, dass Liegen oder Schlafen deshalb lebensgefährlich wären, ist trotzdem ein Trugschluss (auch wenn es sicher Studien gibt, die solches «beweisen» würden). Gemäss ebendieser Studien nun ist Sitzen lebensgefährdender als Rauchen, die WHO bezeichnet das Sitzen als viertgrösste vermeidbare Todesursache weltweit. Bei Menschen über 45 Jahren sind Rückenschmerzen – die hauptsächlich vom Sitzen verursacht werden – die häufigste Ursache von Arbeitsunfähigkeit, es wird geschätzt, dass in Deutschland 4 Prozent der Gesamtarbeitsleistung durch Sitz-Problematiken verloren gehen (in den USA: 2 Prozent); es könnte sein, dass damit all die PolitikerInnen gemeint sind, die viel zu lange auf ihrem Stuhl kleben bleiben. Es ist aber klar: wir sitzen viel zu viel. Und zu viel zu lang. Prinzipiell ist es relativ einfach: Würde man/frau sich mehr bewegen, hätte man weniger Rückenschmerzen (und würde trotzdem nicht weniger häufig sterben, siehe: Bett). Nun lässt sich das Sitzen leider nicht immer vermeiden, zum Beispiel: beim Autofahren.

(Und jetzt machen Sie mal eine Pause, stehen Sie auf, gehen Sie ein paar Schritte. Rauchen Sie, ist weniger gefährlich als das Sitzen… .)

Nein, weder können noch wollen wir unsere Leserinnen und Leser damit langweilen, wie ein guter Auto-Sitz denn sein muss; das ist alles sehr, sehr individuell, die einen mögen es härter, andere halt nicht so. Manche brauchen eine Lordosen-Stütze, andere hassen dies; die eine mag Massage-Zeugs, der andere findet dies furchtbar. Wir mögen es gerne enger, wir kennen solche, die finden das das Schlimmste. Seitenhalt? Komfort? Langstrecke? Auflagefläche? Kopfstütze? Wohl nicht viel im Automobil ist so persönlich wie der Sitz (und dessen vielfältige Einstellungsmöglichkeiten) – und die Befindlichkeiten dazu so sehr privat. Einst arbeitete ich mit einem knapp 1,60 Meter Kollegen zusammen – und ich musste mit meinen fast 1,90 den Sitz des von ihm übernommenen Fahrzeugs näher zum Lenkrad rücken, weil er anscheinend gerne im Liegen fuhr.

Opel nun, das ist unsere Behauptung hier, macht die besten Sitze (wir wissen das, wir war auf einer Veranstaltung, da wurde uns genau dies demonstriert; nein, wir werden auch dafür nicht bezahlt). Und das nicht einfach nur deshalb, weil Opel schon 2008 als erster Hersteller von der «Aktion guter Rücken» (AGR) zertifizierte Sitze in den Insignia einbaute. Und das nicht deshalb, weil Opel unterdessen im PSA-Konzern auch für Peugeot das Gestühl entwickeln darf (Citroën fährt seine eigene Schiene, siehe: hier). Sondern aus eigener Erfahrung (auch wenn der Schreiberling jetzt nicht wirklich heikel ist, es ist ihm eigentlich die Lenkradverstellung fast wichtiger): man sitzt einfach am besten. Die g’scheitesten Verstellmöglichkeiten, eng genug, eher in Richtung hart (was auf der Langstrecke gut ist), gut gestützt (am richtigen Ort). Und irgendwie sehen die Opel-Sitze auch noch gut aus, nicht so plump wie – es gibt ja weiterhin Hersteller, die der Meinung sind, dass ein richtig mächtiger Lehnstuhl auch ein Gefühl von Sicherheit vermittelt. (Das Bild unten ist in seiner Absurdität eines unserer liebsten des Auto-Jahres 2018.)

Wobei: waren früher Sitze nicht schöner? Womit wir dann wieder bei grundsätzlichen Fragen wären, auch zum Sitzen. Ist es nicht wichtiger, neben (oder mit) wem man sitzt als: wo? Ist es nicht entscheidender, in was (hier: in welchem Fahrzeug) man sich niederlässt als: worauf? Würden wir es in einem Lexus UX, zum Beispiel, überhaupt merken, wenn dieser das ganze Sitz-Konzept komplett revolutioniert hätte, Luftkissen? Wird von den Insignia auch nur ein Stück mehr verkauft, weil er die besten Sitze hat? Ich möchte jetzt nicht sagenschreiben, dass es einer ganz grossen Mehrheit der Automobilisten a. A. vorbei geht, worauf sie eben diesen niederlassen, aber: ist es nicht genau so? Würden wir uns nicht die Ferrari 250 GT SWB Berlinetta auch dann wünschen, wenn sie nur über ein Nagelbrett als Sitzgelegenheit verfügen würde? Würden nicht weniger Unfälle passieren, wenn die Sitze per se unbequemer und damit die Aufmerksamkeit im Strassenverkehr höher wäre?

Und: warum darf man eigentlich nicht auch in der zweiten Reihe einigermassen anständig sitzen? Dafür hatte Jeremy Clarkson, immer wieder er (gibt es ihn eigentlich noch?), einst eine sehr schöne Erklärung: eine Mehrheit der Innenraum-Dekorateure, äh, -Designer ist dem eigenen Geschlecht zugetan, hat in der Folge keine Kinder, weiss in der Folge auch gar nicht, was in der zweiten Reihe abgeht geschweige denn gefragt sein könnte. Hinten sitzen sonst allenfalls auch noch Schwiegermütter, doch über solche verfügen gerade beschriebene Interior-Designer ja aus besagten Gründen auch nicht.

Weitere unbeantwortbare Fragen:
Wie kann jemand ohne Goldketten und Brusthaar-Toupet ein Fahrzeug mit weissen Ledersitzen konfigurieren?
Warum überhaupt ist Leder bei den Sitzen so beliebt?
Was soll eigentlich dieser Scheiss mit der Ambient-Beleuchtung im Innenraum (und was hat das jetzt mit den Sitzen zu tun)?
Wer weiss denn, aus welchen Fahrzeugen die oben/unten gezeigten Sitze stammen?
Wie wichtig sind denn unseren Leserinnen und Lesern die Sitze? Erzählen Sie, bitte.

Der Beitrag Sitzen auf Sitzen erschien zuerst auf radicalmag.