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Test Porsche Panamera Turbo Sport Turismo

Published in radical-mag.com

Der Souverän

Der Unterschied zwischen einem Fahrbericht und einem Test liegt nicht allein in der Dauer, während der «radical» das Fahrzeug zur Verfügung steht. Es geht vor allem um: Alltag. Beim Fahrbericht ist alles eine Hatz, man versucht in kurzer Zeit alles aus dem Wagen rauszupressen, was halt gerade geht, ein paar Stunden müssen ja reichen für einen anständigen ersten Eindruck. Und da bewegt man das Fahrzeug sicher auch einmal an der Grenze (am liebsten im Ausland, auf ganz einsamen Gassen), es braucht ja auch eine Ansage zum Fahrverhalten. Im Test kann man es gemütlicher angehen lassen, halt auch einmal: rollen. Sich auf andere Qualitäten konzentrieren, Dinge, die nicht auf den ersten Blick ersichtlich sind. Waren wir bei der ersten Ausfahrt in den französischen Seealpen mit dem Panamera Sport Turismo, den man nicht als Kombi bezeichnen soll, also noch etwas unter Druck, so spürten, fühlten, erlebten wir jetzt im Test, welch unglaublich souveränes Fahrzeug der Porsche Panamera Turbo Sport Turismo ist.

Gut, das darf man ja auch erwarten. Gemäss Preisliste sind mindestens heftige 210’000 Franken angesagt, und da kommt bekanntlich noch mindestens ein Kompaktwagen an Sonderausstattungen dazu. Und 550 PS aus einem 4-Liter-Doppelturbo-V8, die über ein 8-Gang-Doppelkupplungsgetriebe an alle vier Räder übermittelt werden, verhelfen definitiv zu sehr anständigen Fahrleistungen, etwa den 3,8 Sekunden für den Sprint auf 100 km/h und der Höchstgeschwindigkeit von 304 km/h. Doch diese nackten Zahlen können nicht vermitteln, wie herrlich locker der doch 2,1 Tonnen schwere, 5,05 Meter lange, 1,94 Meter breite und 1,43 Meter hohe Porsche seine Leistung erbringt. Es ist ein bisschen so, als ob er dauernd nur lächeln würde. Im Sinne von: da geht noch mehr, viel mehr. Autobahneinfahrt, zum Beispiel, ein beliebtes Hobby – wenn man da den Pinsel aufs Bodenblech (ok, es sind ganz dicke Teppiche…) haut, dann ist man froh um die Kopfstützen, zweimal mit den Augen zwinkern und schon muss man leer schlucken, weil man (in der Schweiz) deutlich jenseits des Erlaubten ist. Das macht man aber nicht oft, erstens, weil der Führerschein in steter Gefahr ist, und zweitens: man hat das ja gar nicht nötig. Das Wissen, dass man so ziemlich alles plätten könnte, wenn man nur wollte, reicht ja aus. Zumal alle andern Verkehrsteilnehmer einen schönen Respektabstand nehmen, wenn sie den Panamera im Rückspiegel erkennen. Ja, er verströmt schon auch eine gewisse Arroganz, der Sport Turismo, im Sinne von: ich kann alles besser. Aber wir mögen es ihm nachsehen, denn: er kann alles besser.

Nachdem wir bei der Vorstellung und auch bei der ersten Ausfahrt noch nicht wirklich überzeugt waren vom Heck des Sport Turismo, so wollen wir nun nach eingehender Betrachtung – der Panamera stand quasi im Garten, es war auch eine Flasche Rotwein im Spiel – dieses Urteil revidieren. Oh ja, das ist schon sehr gut. Vielleicht lag es an der Farbe, vielleicht an den 21-Zöllern, vielleicht an der Fahrwerkseinstellung (tief…), aber je länger wir schauten, auch aus unterschiedlichen Winkeln, desto mehr kamen wir auf den Geschmack. Und dann stellten wir auch extra mal neben das Standard-Modell, das ja im Vergleich zu seinem Vorgänger hinten so viel schöner geworden ist, und wollen jetzt verkünden: Sport Turismo muss es sein. Es geht da nicht um die paar wenigen Liter mehr Kofferraum-Volumen (520 anstatt 500 Liter, bei abgeklappten Rücksitzen: 1390 anstatt 1340 Liter), sondern ganz einfach um: die Optik. Als Kombi, der ja kein Kombi sein darf, ist der Panamera ein wirklich aussergewöhnliches Fahrzeug, sehr, sehr cool. Einen Vorteil hat der Sport Turismo: seine Ladekante liegt stolze 15 Zentimeter tiefer. Er ist übrigens 40 Kilo schwerer als die Limousine, der Aufpreis beträgt 3500 Franken.

Man sitzt gut im Panamera, sehr bequem, aber sehr tief – für die Generation SUV ist das nix, das grenzt an Turnübungen. Auch für die hinteren Passagiere ist schön viel Platz (wir fuhren die viersitzige Variante, es gibt ja auch noch die «Strafbank», 2+1-Sitze hinten – falls man hin und wieder die Schwiegermutter abzustrafen gedenkt, könnte das passen). Nach eingehender Betrachtung der neuen Gestaltung des Innenraums und auch Benutzung des Bediensystems, dies halt auch im Vergleich mit anderen Produkten, können wir den Panamera allerdings nicht über den grünen Klee loben; das geht heute auch alles etwas einfacher, übersichtlicher, benutzerfreundlicher. Es muss ja nicht der riesige Touchscreen sein, aber im Panamera steht der Wählhebel für das DKG schon etwas im Weg. Und wir haben das Navi nicht so recht begriffen, wir verstehen diese neuen Suchfunktionen nicht – das Ziel müsste doch die Vereinfachung sein, nicht eine kaum mehr überblickbare Auswahl, oder? Ja, man gewöhnt sich daran, aber: es gibt sinnvollere Lösungen, da hat auch Porsche noch Luft nach oben. Wunderbare Materialien, sehr saubere Verarbeitung, doch wie schon geschrieben: das darf man auch erwarten.

Vom friedlichen Gleiten hatten wir es schon, doch ist so ein Sport Turismo auch sportlich, ein Porsche? Ja, er ist – es ist wirklich erstaunlich, wie locker das doch mächtige Trumm mit seinen 2,95 Metern Radstand um die Ecken geht, ja, so richtig schnell, die Lenkung ist ausgezeichnet, wunderbar präzis (vielleicht etwas schwergängig für zarte Hände?). Man kann es fliegen lassen, der Grip ist auch dank fetter Reifen und vor allem dem serienmässigen Allradantrieb bestens, wenn man einmal im «flow» ist (und die nicht unerhebliche Breite im Griff hat), dann kommt da auch auf Tessiner Bergstrassen jede Menge Fahrfreud auf. Klar helfen da die massiven 770 Nm maximales Drehmoment (zwischen 1960 und 4500/min), das Doppelkupplungsgetriebe hat immer die richtige Fahrstufe bereit (und lässt sich händisch wunderbar bespielen) – stünden da nicht so runde Tafeln mit Zahlen drauf am Strassenrand, hätte man noch mehr Freud‘. Das ist wirklich ein bisschen ein Problem im Panamera Turbo: man spürt gar nicht so recht, wie schnell man ist. Übrigens: an der Tankstelle verhält sich die 550-PS-Maschine erstaunlich zurückhaltend. Im Schnitt waren es dann schon fast 12 Liter, doch wenn man den Porsche so bewegt, wie das die Gesetzeshüter vorsehen, dann kann da gut auch mal eine 7 vorne stehen. Andererseits ist es Wahnsinn, was eine Füllung des 90-LIter-Tanks (der Turbo nimmt es gerne vom ganz Guten, 98 Oktan sollen es schon sein) heute kostet, mit diesem Geld machte man einst eine Woche Ferien.

Manchmal, da spielen wir: wenn man jetzt nur noch ein einziges Automobil kaufen dürfte, für – für immer (nein, auf Budget schauen wir da jeweils nicht). Da wäre so ein Porsche Panamera Turbo Sport Turismo schon in der engeren Auswahl, bei «radical», ganz anständig motorisiert, Allrad (weil: Schweiz, Schnee und so – nicht, weil man es braucht, aber weil an manchem Berg sonst Kettenpflicht herrscht), gute Platzverhältnisse (auch Kofferraum), hübsche Optik – damit liesse es sich wohl aushalten, auch längerfristig.

Mehr Porsche haben wir in unserem Archiv.

Der Beitrag Test Porsche Panamera Turbo Sport Turismo erschien zuerst auf radicalmag.