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Detroit 2017

Published in radical-mag.com

What’s up?

«radical» besucht ja keine Auto-Messen mehr, mit Ausnahme von Genf, doch das ist ja auch unser Heimspiel. Dafür, also, nicht für Genf, sondern für das Fernbleiben, gibt es einige gute Gründe, das Netz zum Beispiel, es ist einfacher, den jeweiligen Presse-Konferenzen daheim im schön geheizten Büro über einen Live-Stream zu folgen (als ob wir das tun würden…) als sie vor Ort in Menschenmassen durchstehen zu müssen (als ob wir das je getan hätten…); ausserdem ist ja Bild- und Info-Material in der Sekunde online, sobald die Herren Geschäftsführer ihre Ausführungen beendet haben. Wichtiger aber: es gibt auf den Messen ja kaum noch echte Welt-Premieren, die Hersteller feiern ihre Neuheiten meist schon Monate im Voraus ab (in Detroit, zum Beispiel, das E-Klasse-Coupé von Mercedes, das A5/S5-Cabrio von Audi, etc.), echte Überraschungen sind sehr selten geworden. Dazu kommt, dass immer mehr Auto-Produzenten das machen, was wir auch tun, nämlich: sie machen gar nicht mehr mit bei diesen Ausstellungen.

Nach Detroit sind wir gerne geflogen, einst, es war unsere liebste Messe neben Genf. Dies weniger, weil die Show so grossartig war, aber die Stadt selber ist sehr spannend. Heuer aber ist die NAIAS eine düstere Angelegenheit, der News-Wert hält sich in sehr engen Grenzen. Sogar die «Big Three» halten sich bei ihrem Heimspiel zurück – und was es von GM, Ford und Chrysler zu sehen gibt, wird kaum je nach Europa kommen. Und wir müssen da auch ehrlich sein, wir können die 72. Auffrischung eines F-150 von Ford nicht von der 71. unterscheiden, all die Sondermodelle sagen uns nicht viel, und die spannendsten neuen Technologien gibt es nicht in Detroit zu sehen, sondern schon ein paar Tage vorher auf der CES in Las Vegas. Da schreiben wir dann noch etwas über das Riesen-E-Trumm, das Faraday auf die Menschheit loslassen will; aber nur dann, wenn sich die Ankündigungen konkretisieren sollten.

Das wohl spannendste Fahrzeug auf der diesjährigen NAIAS ist der Kia Stinger. Ja, er hat auch nur vier Räder, doch die Koreaner scheinen endlich einen Weg an Konzern-Schwester Hyundai vorbei sowie auf die von deutschen Premium-Produkten übervölkerte Überholspur gefunden zu haben. Der Stinger tritt an mit mächtig Dampf unter der Haube (Heckantrieb, bis zu 365 PS – und das in einem Kia!), anständigem Design und einem Preis von um die 40’000 Dollar, die bei seinen Konkurrenten allein die Sonderausstattungen kosten. Ob es der flotte Kia allerdings auch nach Europa schaffen wird, wissen wir nicht.

Nicht wirklich gespannt waren wir auf das Q8-Concept von Audi. Aber noch grösser geht anscheinend immer noch. Uns fehlen da die Worte mitsamt dem Verständnis. Aber machen Sie sich doch bitte selber ein Bild.

Das gilt auch für den neuen Lexus LS. Wäre das Fahrzeug nicht mit «neu» angeschrieben, hätten wir es bei den Gebrauchtwagen aus den 90er Jahren gesucht. Wenn Exklusivität auch darin bestehen soll, dass niemand das Teil kauft, dann haben die Japaner ihr Ziel sicher erreicht.

VW zeigt einen E-Bus, der so sowieso nie gebaut werden wird, denn bis er vielleicht gebaut werden könnte, wird die automobile Welt nicht mehr aussehen, wie sie jetzt aussieht. Und folglich der Bus auch nicht. VW hat seinen Zeit-Horizont so weit nach hinten verschoben, dass auch der geneigte Betrachter ihn gar nicht mehr sehen kann. Und was an Serienmodellen in Detroit vorgestellt wird, also ein Tiguan mit verlängertem Radstand, kommt hoffentlich nie nach Europa.

Das war es natürlich noch nicht, Nissan zeigt das Konzept des neuen Altima (kommt nicht nach Europa) und erweitert die Rogue-Reihe (was genau ist das?), Honda hat einen neuen Odyssey (war noch nie in Europa), Toyota überarbeitet den Camry einmal mehr (hat in Europa keine Chance), Infiniti will mit dem QX50 endlich einen Schritt weiter kommen (auch in Europa). Und Cadillac hat auch mal wieder ein Concept-Car am Start, die nie in Serie gehen wird. Und ja, es ist kalt in Detroit, und das liegt nicht am Wetter.

Der Beitrag Detroit 2017 erschien zuerst auf radicalmag.