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McLaren 675LT Spyder

Published in radical-mag.com

Wem die Stunde schlägt

Ein Stündchen nur. Aber immerhin. Das ist mehr als auch viele gute McLaren-Kunden vom 675LT Spyder je haben werden. Denn es gibt ja nur 500 Stück, die waren schon ausverkauft, bevor die Engländer überhaupt mit der Produktion begonnen haben; manch einer, der gern einen gehabt hätte, muss nun auf einen Gebrauchtwagen oder eine Auktion warten. Wir nicht, wir hatten ihn. Wenn auch nur für ein Stündchen. Aber immerhin.

Ach, wie haben wir so ein bisschen fies auf den Stockzähnen gelächelt, als McLaren den 675LT vorstellte. LT steht ja für «long tail», und wir schrieben damals: «Am bekanntesten sind wohl die Langheck-Versionen des Porsche 908 und des Porsche 917. Die Langheck-Dingers hatten einen geringeren Luftwiderstand als die kurzen, waren deshalb etwa in Le Mans auf den Geraden schneller (und in den Kurven instabiler). Beim 917er von 1969 betrug der Unterschied in der Höchstgeschwindigkeit etwa 20 km/h. McLaren hatte auch einen «long tail», 1995, als die Marke ziemlich überraschend die 24 Stunden von Le Mans gewann. Doch das Ding hiess damals nicht einmal LT, sondern F1 GTR. Und so fragen wir uns ein klein wenig, wie die Engländer denn nun auf diese Bezeichnung kommen – die ja auch schon ein Kleintransporter von Volkswagen trug. Dort hiess es natürlich nicht «long tail», sondern Lasten-Transporter.»

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Vier Zentimeter sind es, übrigens, die der 675LT länger ist als der 650S. Und wie der Name auch klar ausdrückt: 25 PS mehr hat er. Dazu 700 Nm maximales Drehmoment anstatt bloss derer 678. Die gewichtigste Veränderung, Verbesserung, buchstäblich: 100 Kilo leichter ist so ein LT als der beileibe nicht adipöse 650S, beim Coupé sind es noch 1230 Kilo, beim von uns gefahrenen Spyder 1270 Kilo. Was das fabulöse Leistungsgewicht von 1,88 Kilo/PS ergibt, also: für den Spyder.

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Weil wir aber nur dieses eine Stündchen haben, geht es dann gleich bergwärts. Auf der gleichen Gasse, die wir schon mit dem 570GT unsicher gemacht hatten. Und das ist dann schon erstaunlich, wenn man die beiden McLaren so kurz aufeinander auf der gleichen Strasse bewegt: der Unterschied ist gewaltig. Nun ist ja schon der 570-PS-Gran-Turismo nichts für Nasenbohrer (Fahrbericht siehe: hier), doch beim 675LT sollte man nicht einmal daran denken, den Finger zu heben. Wenn da alle Systeme auf «vielscharfmitalles» sind (und etwas anderes geht ja nicht, wenn man nur gerade ein Stündchen hat), dann wird das Ding zum – Vieh. Allein schon akustisch: der bekannte 3,9-Liter-V8-Doppelturbo faucht und tobt und spuckt (beim Runterschalten) und knallt (beim Hochschalten), es ist die wahre Freude. Das wäre den massiven Aufpreis schon wert, wenn man denn die deutlich über 300’000 Euro noch abdrücken dürfte; weil es den 675LT ja aber nicht mehr gibt, sind auch solche Überlegungen hinfällig. Und ja, für einen Turbo ist das unglaublich wild, das gehört definitiv den gröbsten Hörerlebnissen unter Zwangsbeatmung.

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Und das bisschen mehr an Radstand macht aus dem 675er ein ganz anderes Automobil. Während so ein 570er ein Spielzeug ist, flink, agil, wendig, darf man den bösen McLaren als das sprichwörtliche Brett bezeichnen. Ja, für die ganz engen Kurven ist er vielleicht weniger geeignet als sein kleiner Bruder, das ist dann deutlich mehr Arbeit. Aber er macht dafür keinen Wank, unglaublich, wie das Ding auf dem Asphalt klebt, das ESP muss auch bei sehr forscher Gangart kaum je eingreifen, der Grip scheint unendlich. Und untermotorisiert ist der Wagen ja beim besten Willen nicht, da haut es ja dann schon so richtig Kraft auf die hinteren Räder. Der Vorwärtsdrang: beeindruckend. Ganz besonders, wenn der McLaren offen ist, dann ist der Rausch der Geschwindigkeit fast schon schwindelerregend. Auf den Tacho schaut man dann auf öffentlicher Strasse besser nicht. Andererseits hat man ja auch Bremsen, die einem das Gefühl vermitteln, man sei in eine Wand gefahren.

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Wir mögen das Interieur im 570er besser, es ist übersichtlicher; beim 675 ist etwas gar minimalistisch, der grosse Screen spiegelt zu sehr, aber das liegt wohl daran, dass die «Super Series» mehr auf den Rennstrecken-Betrieb ausgelegt ist. Und dort sollte man sich ja nicht verfahren können. Für den Track sind die ganz engen Sitze sicher bestens; für den Alltag sind sie wohl für alle, die etwas grösser sind als Pygmäen, nicht so total geeignet (aber es gibt ja auch andere). Langstrecke ist eh nicht so das Ding eines 675LT Spyder, und zum Brötchenholen ist er definitiv zu schade.

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Es gibt dann da noch eine andere Gasse, weniger eng, schöne, weite Kurven, und da ist der McLaren dann so richtig in seinem Element. Die Schalterei ist im Track-Modus brutal, die Übergänge sind perfekt, auch drei Gänge runter vor dem Kurveneingang sind kein Problem. Dann sauber durchziehen (was dank der gefühlvollen, sehr präzisen Lenkung und nur Heckantrieb ja kein Problem ist), früh auf den Pinsel, er kommt ein ganz klein wenig quer, bringt sich von allein wieder in die Spur – und zieht dann halt herrlich, Dritter, Vierter, es sind 200, er zieht, als ob es weder Luftwiderstand noch ein Ende seiner Kräfte gäbe, es ist einfach nur gut. Ja, und da schreiben wir jetzt grosse Worte durchaus gelassen: man kann diesen McLaren durchaus mit dem 488er Ferrari vergleichen. Und eine Stunde kann unglaublich kurz sein.

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Mehr McLaren haben wir in unserem Archiv.

Der Beitrag McLaren 675LT Spyder erschien zuerst auf radicalmag.