Ferrari 500 Mondial
«Kleinwagen»
Früher war es üblich, dass die Bezeichnung eines Ferrari den (gerundeten) Inhalt eines einzelnen Zylinders ausdrückte. Die allerersten Ferrari-Modelle hiessen 125, und weil es sich dabei um ein Zwölfzylinder-Motor handelte, belief sich der Hubraum also auf 1,5 Liter; beim 166 waren es folglich 2 Liter Hubraum. Ab 1952 gab es ein Modell mit der Bezeichnung 500, und hätte es sich dabei um einen Zwölfzylinder gehandelt, so hätte der Hubraum dann stolze 6 Liter betragen. Solch schwere Brocken bauten in jenen Jahren aber nur die Amerikaner. Beim Ferrari 500 handelt es sich um eine Zweiliter-Maschine, und wenn man das dann zurückrechnet, dann kommt man auf – vier Zylinder.
Die ersten Motoren für Ferrari hatte noch der frühere Alfa-Ingenieur Gioacchino Colombo konstruiert, und sein V12 war nicht nur legendär, sondern sollte sich viele Jahre in den verschiedensten Varianten im Ferrari-Programm, auch bei den Rennwagen, halten können. Doch Enzo Ferrari, zwar ein Patriarch, doch auch mit einem ausgezeichneten Gespür für Talente ausgestattet, hatte Anfang der 50er den jungen Aurelio Lampredi angestellt, und der hatte zusammen mit dem Sohn von Ferrari, Dino, die Idee, dass ein Vierzylinder mit seinen im Vergleich zum V12 weniger beweglichen Teilen bedeutend zuverlässiger sein müsste. Und ausserdem weniger Benzin verbrauchen würde – ein Thema, das damals wie heute von entscheidender Bedeutung ist, wenn man Rennen gewinnen will. Enzo Ferrari liess Lampredi und seinem vergötterten Sohn Dino freie Hand – zum Glück.
Denn die noch junge Formel 1, erst 1950 eingeführt und die ersten zwei Jahre von Alfa dominiert, erhielt für die Saison 1952 ein neues Reglement, wobei es sich die Funktionäre etwas einfach machten, indem sie einfach das Reglement der Formel 2 übernahmen. Dort betrug der maximale Hubraum 2 Liter – und der neue Lampredi-Motor erwies sich auf Anhieb als das Gelbe vom Ei. Alberto Ascari wurde auf einem Ferrari 500 1952 locker Weltmeister, und er konnte 1953 nachdoppeln. Nur knapp fünf Jahre nach der Gründung seiner eigenen Marke befand sich Enzo Ferrari bereits ganz oben: Der «commendatore» holte die Krone des Rennsports ins kleine Dörfchen Maranello.
1953 hatte Ferrari ein fantastisches Quartett am Start von allen wichtigen Rennen. Die 500er in der Formel 1, mit dem 750 Monza (3 Liter Hubraum) und vor allem dem mächtigen 375 MM (V12, also 4,5 Liter Hubraum) dominierte das «cavallino rampante» auch die Sportwagenrennen, und mit dem neuen 500 Mondial – er soll so geheissen haben, weil Ascari Weltmeister war, campione mondiale – baute Ferrari auch noch ein Gerät, mit denen Privatfahrer in der Kategorie der 2-Liter-Sportwagen für Siege sorgen konnten. Insgesamt 31 Mondial entstanden ab 1953 in zwei Serien; wichtig ist, dass man die 500 Mondial auf gar keinen Fall in einen Zusammenhang bringt mit dem zwischen 1980 und 1993 gebauten und ebenfalls von Pininfarina gestalteten Mondial, dem wohl übelsten Flop der Ferrari-Geschichte.
Es wird erzählt, dass Enzo Ferrari, der kein Freund von Designern war, aber andererseits geschäftstüchtig genug, um ihre Wichtigkeit für seine Marke zu erkennen, schon früh ein Auge auf die Werke von Pininfarina geworfen habe. 1951 traf er Battista «Pinin» Farina (später Battista Pininfarina) auf einer Autobahnraststätte in Tortona, genau in der Mitte zwischen Maranello und Turin, weil keiner der beiden Herren den anderen als Gastgeber bei einem Heimspiel akzeptieren wollte. Doch was Pininfarina – Battistas Sohn Sergio übernahm das Mandat – für Ferrari schuf, ab 1953 (das erste Werk war ein 342 America Cabrio für König Leopold von Belgien) und auch heute noch, das war den Ausflug sicher wert. Aller Anfang war auch dort schwer, doch es sollte ein Bund für Leben werden.
Die Turiner kleideten auch zwei 500 Mondial mit so genannten «berlinetta»-Karosserien ein, die Fahrzeuge mit den Chassisnummer 0422MD sowie den hier gezeigten 0452MD. Und mit dieser kleinen «berlinetta» hat der Turiner Karossier ein absolutes Meisterwerk geschaffen. Selten waren die Linien klarer, harmonischer, passender zum Charakter des Fahrzeugs. Der 500 Mondial ist eine Art «Kleinwagen», ein sehr agiles Gerät (der Radstand beträgt nur gerade 2,25 Meter), er ist sehr leicht (weniger als 900 Kilo, die heissesten Rennversionen sollen gar nur 725 Kilo gewogen haben) – und genau das kann das Design auch ausdrücken.
Die für einen Ferrari aussergewöhnliche hellblaue Lackierung – das typisch französische Renn-Blau – ist nicht original, aber zeitgemäss, da genau dieser Ferrari 500 Mondial im September 1954 mit Coulibeuf/Aumaitre bei der damals noch wichtigen Tour de France antrat. Dort gewann er aber keinen Blumentopf, sondern schied aus. Überhaupt war 0452MD kein Rennglück beschieden. 1955, 1956 und 1957 nahm er an der Mille Miglia teil, nur 1957 erreichte er das Ziel, und das auf einem enttäuschenden 59. Rang. Pininfarina baute neben den «Berlinetta» auch noch 12 wunderbare Spyder (siehe unten).
Der 2-Liter-Motor (genau 1984 ccm) leistet etwa 170 PS (bei 7000/min, damals ein sensationeller Wert), dies auch dank der hohen Verdichtung von 9,2:1. Seinen Lebenssaft erhielt der Vierzylinder über zwei 45-DCO/A3- oder 40-DCO/A3-Weber-Vergaser, der Kraftfluss erfolgte über ein 5-Gang-Getriebe. Mit der längsten Übersetzung waren die 500 Mondial 250 km/h schnell.
Dieses ausgezeichnet restaurierte Exemplar ist ein gutes Beispiel dafür, wie wechselhaft die Geschichte eines solch begehrten Fahrzeugs sein kann. 0452MD wurde am 9. Juli 1954 von Pininfarina an Ferrari geliefert und am 26. August an den ersten Besitzer, Francesco Marchesi, verkauft. Bis 1961 gab es dann fünf Besitzer in Europa. Danach kam der Wagen in die USA, wurde wieder fleissig gehandelt, machte 1988 einen kurzen Abstecher nach Japan und gelangte 1990 in die Schweiz. Dort hatte der 500 Mondial dann einmal etwas Ruhe, durfte 13 Jahre lang beim gleichen Besitzer am Genfersee verweilen, bevor er 2003 nach Italien weitergereicht wurde. 2010 versteigerte RM Auctions 0452MD im kalifornischen Monterey für 1’567’500 Dollar. Ein stolzer Preis für einen «Kleinwagen».
Die restlichen 500 Mondial, also: 17, waren mit Scaglietti-Karosserien (alles Spyder) versehen. Und weil die ebenfalls ganz wunderbar ist, wollen wir natürlich auch ein solches Gerät in allen Details zeigen. Es handelt sich hierbei um Chassisnummer 0564 MD, die aber aus obskuren Gründen von Ferrari selbst als 0424 MD gestempelt wurde. Dieses Fahrzeug in wunderbarem Originalzustand wurde im vergangenen Jahr von RM Sotheby’s angeboten, erreichte aber den geforderten Preis von mindestens 5 Millionen Dollar nicht…
Alle Bilder: ©Courtesy of RM Sotheby’s.
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