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Genesis G90

Published in radical-mag.com

Vielleicht auch nicht

Es ist doch so: ein neues Automobil ist nach dem Kauf eines Hauses so in etwa die zweitteuerste Anschaffung im Leben eines Menschen. Doch beim Auto-Händler wird man weiterhin schäbiger behandelt als beim Dorf-Metzger oder bei der Wahl neuer Unterwäsche. Einverstanden, weissbesockte, schmierige Provisionenjäger gibt es so viele nicht mehr, doch würde uns der Bäcker so behandeln wie der Auto-Verkäufer, dann könnte er seinen Laden bald dicht machen, sein Brot selber fressen.

Es ist nicht so, dass eine neue Luxus-Marke nicht eine Chance hätte. Aber sie darf nicht alles gleich machen wie die bekannten Player – so eine Limo kauft man sich nicht, weil man sie braucht, sondern weil man damit etwas ausdrückt. Also: Image, Image, Image. Der Weg für ein neues Produkt müsste anders sein, unserer bescheidenen Meinung nach, ganz anders, komplett neu, nie dagewesen bislang, sprich: Kunde, Kunde, Kunde.

Vielleicht machen sie ja dann wirklich alles anders, die neuen Player von Genesis. Vielleicht steht wirklich einmal der Kunde im Mittelpunkt – und nicht der Abverkauf. Vielleicht bieten sie einen besseren, vielleicht sogar einen guten Service, kümmern sich um die Kundschaft, hören ihr zu, verstehen die Wünsche; vielleicht muss sich die Klientel im Showroom nicht fühlen wie Wurstware bei Aldi, vielleicht gehen die Verkäufer Bäume umarmen und üben sich in Zen. Oder elf.

In den USA gibt es Genesis als Untermarke von Hyundai schon lange. Doch jetzt machen die Koreaner so richtig ernst, Genesis wird zum schönen Töchterchen wie Lexus bei Toyota und Infiniti bei Nissan und Acura und bei Honda. Vorerst nur für die Vereinigten Staaten und China, die üblichen Verdächtigen bei solchen Sachen, den Sprung nach Europa wagt Genesis vorerst nicht und vielleicht auch gar nie. Das ist irgendwie noch verständlich, Lexus & Co. verkaufen sich in den USA bestens, in Europa so ziemlich gar nicht. Die Vermutung, dass es Genesis etwa in Deutschland noch schwerer haben würde als die Japaner, ist wohl nicht von der Hand zu weisen.

Die Koreaner haben massiv aufgerüstet für ihren Angriff auf das Luxus-Segment. Ganz frisch dazugekommen sind Luc Donckerwolke (vorher Bentley) und Manfred Fitzgerald (vorher Lamborghini), sie arbeiten nun unter Design-Guru Peter Schreyer. Wenn man sich den auf der NAIAS in Detroit vorgestellten ersten Genesis G90 aber anschaut, dann hat man gewisse Zweifel, ob da überhaupt so etwas wie Design stattgefunden hat – das Teil ist so ziemlich heftig in Richtung fürchterlich, späte 80er Jahre, adipös, langweilig, ultrakonservativ. Erstaunlich, dass es sowas noch geben darf.

Und irgendwie: Auch wenn man die technischen Feinheiten und sonstigen Angaben so durchliest, dann findet man eigentlich gar nichts, was irgendwie ein Grund sein könnte, zugunsten des G90 auf die S-Klasse zu verzichten. Die Antriebsvarianten, ein 3,3-Liter-V6 und der bekannte 5-Liter-V8, beide gekoppelt an die ebenfalls bekannte 8-Gang-Automatik von ZF, beide auch als Allrad erhältlich, erwecken ein ziemlich müdes Gähnen – und in Stuttgart, Ingolstadt, München wird niemand in Ehrfurcht erstarren. Hybrid, Plug-in-Hybrid, Brennstoffzelle – alles Fehlanzeige. Vielleicht hat der Genesis die unglaublichjenseitigwahnsinnigsten Assi-Systeme eingebaut, aber auch da – who cares? Noch ein Massagesitzchen, noch eine neue Farbe in der Ambientebeleuchtung, ein Tiefkühl- anstelle eines Handschuhfachs? Immerhin: Die Uhr ist – optisch – sehr edel.

Mehr Hyundai und andere Luxus-Produkte gibt es in unserem Archiv.

Der Beitrag Genesis G90 erschien zuerst auf radicalmag.