In geheimer Mission: auf Abnahmefahrt mit der neuen Mercedes E-Klasse, W213
Sehr lange hat es bis hierhin gedauert, vieler Anfragen und Diskussionen im Vorfeld bedurft. Eine Abnahmefahrt mit einem noch nicht vorgestellten Wagen zu begleiten war schon immer unser, bzw. mein Traum.
Doch der Reihe nach.
Wir von fünfkommasechs hatten bereits vergangene Woche die einmalige Gelegenheit die kommende, neue Mercedes E-Klasse der Baureihe 213 etwas näher kennenzulernen.
Zwar durften wir sie noch nicht selber fahren, aber mitfahren war erlaubt und so konnten wir mit dem ein oder anderen Feature bereits ein wenig spielen bzw. erste Erfahrungen sammeln.
Bei dem gezeigten Fahrzeug handelte es sich nicht um irgendeines aus dem Konzern mit Stern als Markenzeichen, sondern gleich um die „Beste Business-Limousine“ der Welt, so jedenfalls wenn es nach Chefingenieur & Entwicklungsleiter Michael Kelz geht.Unsere Fahrt führte vom Herzen Beverly Hills, westlich von Los Angeles über diverse Interstates östlich nach San Bernadino. Von dort ging es durch Running Springs und im Anschluss über ein kleines Gebirge und das Butler Peak (wo uns bereits ein bisschen Schnee erwartete), weiter entlang am Big Bear Lake und in Richtung Norden hoch nach Barstow. Im Anschluß an einen kurzen Zwischenstop dort, ging es durch die Mojave Wüste auf teils staubigen Pisten weiter. Die letzten Meilen unserer Fahrt führten über die Interstate 15 in Richtung Las Vegas, dem Ziel unserer Mitfahrt.Neben Chefingenieur Kelz war auch noch Bernd Schneider mit von der Partie, nach eigenen Aussagen nicht verwandt mit dem gleichnamigen Rekord-Rennfahrer. Er ist als Erprobungsleiter im Fahrversuch tätig und betreut u.a. die gesamte Flotte an BR 213 Prototypen.Mitgebracht hatten die Beiden je einen brandneuen E 300 Limousine mit EXCLUSIVE Ausstattung und einen E 400 Limousine mit AVANTGARDE Ausstattung, beide in der Code 494 USA-Ausführung.
Ersterer wird ab Marktstart im April 2016 kommenden Jahres ausgeliefert werden, der Sechszylinder voraussichtlich erst ab Spätsommer/Herbst 2016.
Erstmals keine handgefertigten Prototypen mehr bei der BR 213
Mit der neuen E-Klasse hat Mercedes erstmals völlig auf „handgedengelte“ Prototypen verzichten können. Ein ungemeiner Kosten- und auch Zeitgewinn in der Entwicklung eines neuen Automobils.
Man habe viele Komponenten Tests für z.B. das Fahrwerk, oder den Motor samt Antriebsstrang, sowie einzelne elektronische Merkmale in anderen Fahrzeugmodellen verwandter Baureihen (vulg. 205 und 222) unbemerkt erproben können und hat erst im Anschluss an diese Phase der Vorentwicklung die ersten W213 aufgebaut – als für sämtliche Komponenten bereits seriennahe Bauteile vorhanden waren.
Der Vorteil liegt auf der Hand: man testet bereits den finalen Designstand und nicht irgendwelche artverwandten Bauteile. So kann man schneller und zugleich effizienter erproben und ans Ziel finden. Als Ergebnis erhält man eine verlässlichere Aussage über die (Langzeit)Qualität der Teile bzw. das gesamte Fahrzeug.Über 1.000 Prototypen wurden aufgebaut (inkl. Komponenten-Erprobungsträgern und Bucks – so nennt man Rohkarosserien oder Partien davon die man für manchen Test benötigt und so ein ganzes Fahrzeug einsparen kann).
Sie wurden für Crashversuche (die auch im Zeitalter der Computersimulation weiterhin unerlässlich sind), Dauerläufe und bei weiteren notwendigen Tests aufgebraucht.
Insgesamt hat man gut 12 Millionen Testkilometer mit der BR 213 abgespult, im Vergleich: bei der Vorgängerbaureihe 2009 waren es 36 Millionen Kilometer. Durch bessere Simulationen und einen allgemein verbesserten Reifegrad der Prototypen konnte man von vornherein intensiver im Detail getestet werden. Die 12 Millionen Kilometer entsprechen jedoch immer noch das Vierfache wie bei der aktuellen A-Klasse.Unsere beiden Exemplare sind Teil sogenannter Verifizierungs-Prototypen, sie entsprechen hardwareseitig bereits zu 99% einem kundentauglichen Fahrzeug, lediglich die Softwareseite ist noch lange nicht auf finalem Stand.
Kein großes Problem und daily business für die Entwickler, hat man doch noch bis Ende Januar für die europäischen Modelle und für die USA-Modelle bis Ende März Zeit für einen ersten Software-Freeze. Den Zeitpunkt an dem die ersten Software-Stände an die Serienproduktion übermittelt werden.Eines darf man hier bereits vorwegnehmen – beide Fahrzeuge spulten die insgesamt gut 350 Meilen lange Strecke unter den Argusaugen der internationalen Presse ohne auch nur eine Panne ab. Es gab nur geringe Software-Bugs und man kann gut nachempfinden wie mühsam die Suche der Nadel im Heuhaufen werden wird, auf dem Weg den Programmen weitere Reife und Feinheiten beizubringen. Bei einem Wagen lies sich die nunmehr 64 Farben umfassende Ambientebeleuchtung nicht mehr verstellen und das COMAND reagierte zuweilen nicht immer in Windeseile.
Wie war der Beifahr-Eindruck in der neuen E-Klasse
Man findet mindestens die Platzverhältnisse der Baureihe 212 vor – insgesamt hat man die Fahrzeuglänge um mindestens 65 Millimeter zugelegt und das Gewicht um gut 70 Kilogramm abgenommen. Klingt vorerst nach einem guten Deal – mehr wird sich dann im Januar zeigen, wenn die wirklichen Daten verfügbar sind.
Auch im Fond ist es luftiger als bisher und man kann dort mit drei erwachsenen Herren genug Platz für sich vorfinden.
Gerade die vorderen Sitzplätze sind enorm verbessert und noch bequemer geworden – man stellt diese seit der aktuellen E-Klasse wieder im Werk Sindelfingen her und lässt sie nicht ins Werk zuliefern. Man hat hier und dort feine Watte und echte Gummihaarauflagen verbaut, eben das Know-How in die Neuzeit übernommen, welches früher bereits Garant für gutes Sitzen hinter dem Stern war.
Neu bei den Vordersitzen ist u.a. die unsichtbare Verlängerung des Sitzkissens ohne Kante zwischen der Verlängerung und dem eigentlich Sitzkissen. Optisch und vom Sitzgefühl eine ganz neue Dimension.
(die SA Aktiv-Multikontursitzpaket war leider in beiden Testwagen nicht verbaut – wir kennen sie also bloss von Erzählungen)
Das Innenraumdesign orientiert sich an den bekannten und höchst eleganten Innenraum-Designs der C- und der S-Klasse (hier sind sowohl der Limousine als auch die Coupés gemeint).Leider dürfen wir heute nur dieses verpixelte Foto hier zeigen – aber man erkennt grob was einen in der höchsten Ausführung erwartet!
Ein einteiliges und extrem hochauflösendes Doppeldisplay wie in der S-Klasse (zweimal 12,3 Zoll und neuerdings schärfer als HD). Unglaublich!
Man fühlt sich wie in einem Forschungsauto, im positiven Sinne. Der Kunde erhält bei dieser SA die Wahl zwischen drei unterschiedlichen Darstellungs-Designs: Sport, Classic oder Progressive – letztere ist der Favorit von Chefingenieur Kelz. Detaillierte Fotos hierzu leider erst am 9.Dezember!
Wir sind jedenfalls mehr als gespannt, gerade da Herr Fünfkommasechs seit einigen Jahren einen E 500 4MATIC MOPF der BR 211 bewegt.
Immerhin auch kann man aus W213 prima W123 ableiten…
Neues Auto, neue Technik
Da die neue E-Klasse ein wahres Innovations-Feuerwerk mitbringt, ist es diesem auch geschuldet einen eigenen Technikartikel darüber zu verfassen.
Genaues zu den neuen Features und SAs dann also in den kommenden Tagen hier bei uns.
Die wichtigsten Neuerungen sind wohl der DRIVE PILOT mit integriertem Lenkpilot (von 0 – 210 km/h aktivierbar), die neue AIR BODY CONTROL als Mehrkammer-Luftfederung, Car-to-X Kommunikation mit COMAND (ab Anfang 2017 auch mit kleiner Navigation) sowie das neue MULTIBEAM LED Licht mit jeweils 84 LEDs pro Scheinwerfer.Für so manches neue Feature musste Kelz hart bei seinen Chefs kämpfen und argumentieren, denn für mindestens ein Jahr wird seine neue E-Klasse die größere S-Klasse, das Flaggschiff des Konzerns, in einigen Bereichen übertrumpfen – wenn auch nur kurz.Laut Mercedes-Benz steht die neue E-Klasse für:
- Emotion: Coupé-haftes Design, luxuriöses Interieur, großzügige Raumarchitektur, hochwertige Materialien
- Erlebnis: Fingernavigation für beide Widescreen-Displays, intelligentes Grafikdesign für Visualisierungen und Animationen
- Entlastung: Neue Dimension Stressentlastung und Sicherheit durch Assistenzsysteme
- Effizienz: Neuer Dieselmotor (OM 654) mit weniger Hubraum, weniger Verbrauch, mehr Leistung
Fotos: Dirk Weyhenmeyer für Daimler