Ford – was tun die?
Das Trauerspiel
Einer meiner Nachbarn, in Ehren ergraut, fährt einen ebenfalls schon gut in die Jahre gekommenen Ford Fiesta. Er will sich jetzt noch einmal ein neues Automobil leisten, gerne einen Ford, weil er schon viele Ford hatte, am liebsten einen Fiesta, mit dem hat er gute Erfahrungen gemacht, der hat auch die richtige Grösse für ihn. Bloss, es gibt keinen Fiesta mehr bei Ford. Und auch keinen Focus, der allenfalls auch noch in Betracht gekommen wäre. Den Puma, das aktuell günstigste Ford-Modell, will er nicht, so rein optisch sei der (es folgte kein Lob). Sein bewährter Händler, erzählt mir mein Nachbar, habe ihm dann einen Explorer empfohlen, rein elektrisch. Doch das wolle er nicht, Strom sein zwar durchaus eine Überlegung wert, doch der Explorer sei viel zu gross. Und vor allem: viel zu teuer. Trotz massivem Rabatt.

Da soll also ein loyaler Kunde, nun wahrlich kein Auto-Freak, auch nicht hi-tech-affin, ein Kunde also, der bislang mit seinem Kleinwagen hauptsächlich zum Einkaufen gefahren ist, manchmal zu Verwandten oder zum Wandern, sicher immer termingerecht zum Service, dieser Kunde also soll nun einen Ford kaufen, der mindestens doppelt so viel kostet wie einst sein Neuwagen? Und dies bloss deshalb, weil seine geschätzte Marke ihm nichts mehr im gewohnten Preissegment zu bieten hat? Nun, mein Nachbar steht da nicht allein – im vergangenen Jahr, dem ersten ohne Fiesta, gingen die Verkaufszahlen von Ford im Europa um 17 Prozent zurück. In der Schweiz betrug das Minus gar 27,1 Prozent; in den ersten zwei Monaten 2025 sind es jetzt nochmals 22,2 Prozent weniger.

Nun wird die Verkaufsstrategie für das kleine Dorf im Emmental halt weder in der Schweiz noch in der europäischen Zentrale in Köln geschrieben, sondern im weit entfernten Dearborn. Dort knallt man einen Mustang nach dem andern raus, GTD und andere wilde Sachen, sogar eine viertürige Variante ist in Planung, dort lächelt man den immensen Verlust an jedem rein elektrischen F-150 weg – und dort ist Europa noch knapp eine Fussnote. Mit 426’307 Exemplaren erreicht Ford nicht einmal 10 Prozent seines Absatzvolumens in der EU, EFTA und UK; weltweit waren es 2024 knapp 4,5 Millionen Einheiten (allerdings: in guten Jahren waren es auch schon über 6,5 Millionen – und Ford war Nummer 2 in Europa). Da ist es irgendwie klar, dass sich Dearborn nicht mit kruden, sich ständig wechselnden EU-Regeln, Euro-7 oder so, rumärgern will, da wird das alte Schaf halt zum Schafott geführt. Einfach so zur Info: Ford of Britain wurde 1909 gegründet, Ford Deutschland dann 1925 (also vor 100 Jahren…), Ford of Europe dann zur Konzentration 1967.

Da hat dann also irgendeiner in Dearborn gelesen, dass in Europa nur noch Strom sein wird, irgendwann dann bald. Im Wissen um die eigene Schwäche – der E-Mustang verkauft sich auch in Europa nur so mässig – ging man schnell, schnell eine doch eher unheilige Allianz mit Volkswagen ein. Gut, man merkte dann ebenso schnell, dass ein neues Kleid für den ID.3 nicht reichte, es gab dann halt ein paar Verspätungen beim neuen, rein elektrischen Explorer (in der Schweiz: ab 41’100 Franken, in Deutschland: ab 42’500 Euro), Software und so, man warf dafür in der Wartezwischenzeit noch flott den Capri hinterher (in der Schweiz: ab 43’600 Franken, in Deutschland: ab 44’950 Euro). Doch das war alles nicht das, was sich die immer noch sehr zahlreiche Ford-Fan-Gemeinde vorgestellt hatte. Capri als hochgebocktes SUV-Coupé – bitte nicht. Und was ist mit einem Fiesta? Den könnte man sich doch gut vorstellen als kompaktes, einfach zu bedienendes, vernünftiges und folglich günstiges E-Auto, oder? Genau wie einen elektrischen Focus, während Jahrzehnten dem fahraktivsten Gerät in der unteren Mittelklasse – das wäre doch was, was noch fehlt bei den Stromern, eine wohl gar nicht so kleine Marktlücke. Einfach irgendetwas Bezahlbares, das der typische Ford-Kunde, der nicht noch sieben Bugatti in seinem Stall hat, vielleicht kaufen möchte. Geht Dearborn dort vorbei, wo die europäischen Verkaufszahlen unterdessen sind.

Wobei: Auch Ford werden die neuen Zoll-Idiotien der orangen Abrissbirne hart treffen. Das Geschiebe innerhalb der ex-NAFTA, wo Stahl aus Kanada zuerst einmal in den USA zu einem Kolben vorgeformt wird, der dann in Mexiko feinbearbeitet, in die USA zurückgeschickt und dort in einem Motor implementiert wird, der dann wiederum in Kanada in einem Ford eingebaut wird, der schliesslich in den USA verkauft werden soll – das wird teuer. Das kostet entweder Marge oder Absatz. Auch wenn Ford mit seinen US-Fabriken besser aufgestellt scheint als etwa GM, bis das alles reorganisiert ist, kostet das auch wieder Zeit – und folglich Geld. Es kommen also auch in der Heimat harte Zeiten auf Ford zu, auch da gibt es noch ein paar Baustellen.

Und wie geht es weiter bei Ford, tun die noch was für Europa? Vorerst kann man sich noch einigermassen über Wasser halten mit den Nutzfahrzeugen. Doch bei den Personenwagen hat auch Köln, gemäss gewöhnlich gut unterrichteten internen Kreisen, keinen guten Plan. Man soll dann mal gefälligst Explorer und Capri verkaufen, die vorgegebenen Verkaufsziele liegen anscheinend über jenen eines ID.3/4. Und wenn halt nicht, dann halt nicht. Europa ist definitiv zum Nebenschauplatz verkommen, nicht nur bei Ford. Die guten Zeiten finden Sie in unserem Archiv.
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