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Porsche 911 Targa – eine private Sammlung

Published in radical-mag.com

«Stellen Sie sich vor, Sie treffen Ihre Jugendliebe wieder.»

Es haben schon manche Porsche-Liebesgeschichten so begonnen: Der kleine «Aschi» erhielt einen Porsche 356 geschenkt. Ein Spielzeug, Distler Electromatic 1500 (das heute auch sehr wertvoll ist). Doch für den 10-jährigen Buben war damals gleich klar, dass er irgendwann einen echten Porsche besitzen würde. Es sollten aber noch fast 30 Jahre ins Berner Hinterland ziehen, bis er sich einen neuen 911 Targa Carrera 2 (964) leistete. Dass es noch so lange dauerte, lag nicht am fehlenden Spaziergeld, das wäre längst vorhanden gewesen, aber im Dorf, in dem «Aschi» lebte und arbeitete, da fuhr man einfach keine Porsche, sondern lebte bescheiden und arbeitete viel.

Unterdessen sind es vier Porsche 911 Targa. Zuletzt ein 991, der letzte Targa dieser Baureihe, der in der Schweiz ausgeliefert wurde. Wieder mit dem silbernen Überrollbügel, der die ersten 911 Targa ab 1965 zur Stil-Ikone gemacht hatte. Wie alle anderen 911 Targa von «Aschi» in Indisch-Rot. Warum Indisch-Rot? «Eine andere Farbe kam für mich seit dem 356er-Spielzeug gar nie in Frage», sagt er. Und warum: Targa? «Mir haben weder das Cabrio noch das Coupé gefallen, damals», erzählt der Berner, der hier nicht mit vollem Namen genannt werden will, denn er lebt weiterhin beschieden, «für mich war 1990 von Anfang an klar, dass es ein Targa sein musste.» Damit wäre das auch geklärt; manchmal ist das Leben ganz einfach. Und die Folge daraus hat Porsche in einem Werbeslogan für den 991er-Targa gleich selber auf den Punkt gebracht: «Stellen Sie sich vor, Sie treffen Ihre Jugendliebe wieder. Und sie ist noch schöner geworden.»

Die Vereinigten Staaten von Amerika sind schuld. Wie so an vielen Dingen. Aber für einmal haben die US-Amerikaner auch was Feines geschaffen. Denn Anfang der Sechzigerjahre gab es in den Staaten einige Vorstösse, Cabriolets zu verbieten. Nach einigen schweren Unfällen mit offenen Fahrzeugen war der Ruf dieser Autos ruiniert, sie standen wie Blei in den Showrooms. Und nicht wenige forderten, sie gleich ganz zu verbieten. So weit ist es dann doch nicht gekommen, aber bei Porsche hatte man schon reagiert. Der Targa war die Lösung, dank des feststehenden Überrollbügels war die Sicherheit auch bei einem Überschlag gegeben. Also theoretisch zumindest, denn den Beckengurt zogen damals die wenigsten an, und erst recht nicht straff. So purzelten auch mit dem Targa die Leute ungebremst aus dem Auto – mit entsprechenden Folgen. (Unten: Targa von 1972.)

Den Namen hat der Targa mit grösster Wahrscheinlichkeit von der Targa Florio, jenem legendären Rennen auf Sizilien, an der Porsche ab 1956 einige seiner schönsten Rennsport-Siege erzielen konnte. Targa bedeutet auf italienisch zudem «Schild», und genau das ist das herausnehmbare Dachteil ja eigentlich. Erfinder des Targa-Dachs waren die Stuttgarter aber wohl nicht, die Idee mit dem Überrollbügel und den demontierbaren Dachteilen hatten die Engländer schon früher, was ja auch irgendwie verständlich ist. Das Wetter auf der Insel ist bekanntlich nicht nur gut, man suchte nach einer Lösung, bei Regen schneller wieder ein Dach über dem Kopf zu haben als bei einem Cabrio. (Unten: Targa von 1978.)

Aber Cabriolet ist ein gutes Stichwort. Selbstverständlich hatte Porsche in der Konzeptionsphase für den 901 auch an ein Cabrio gedacht. Doch weil sich der offene 356 nicht mehr sonderlich gut verkaufte, wurden die Pläne vorerst einmal auf Eis gelegt. Erst im Juni 1964 – neun Monate nach der Vorstellung auf der IAA 1963 – wurde beschlossen, dass es im Fertigungsplan für den Zeitraum von Ende 1964 bis Ende 1965 doch Platz einen offenen 911er (die Umbenennung von 901 zu 911 erfolgte am 5.11.1964) geben sollte. Karmann in Osnabrück wurde mit der Konstruktion beauftragt, Karmann lieferte am 10. September 1964 tatsächlich einen komplett offenen 901 mit der Chassisnummer 13360 nach Stuttgart, in Indisch-Rot, übrigens; das Dach sollte er dort erhalten. 1965 musste der sehr offene 901 dann aber die Versuchsabteilung verlassen, denn bei Porsche hatte man sich unterdessen – mit Blick nach Amerika – für die Konstruktion des Targa entschieden, brachte ihn im gleichen Jahr auch noch auf den Markt. Einen komplett offenen 911 gab es erst ab Modelljahr 1983. Und einen noch offeneren Speedster dann 1989. (Unten: Targa von 1990.)

In der kleinen, aber sehr feinen Targa-Sammlung von «Aschi» befindet sich auch ein so genanntes G-Modell, Jahrgang 1978, mit dem 3-Liter-Motor. Das ist jene Maschine mit dem unverkennbaren metallischen Geräusch. Das älteste Fahrzeug im indisch-roten Fuhrpark ist aber ein 72er Targa, den «Aschi» über Jahre aufwendig hat restaurieren lassen, der sich heute fast schöner präsentiert als einst, als er über einen deutschen Porsche-Händler an seinen ersten Besitzer in Schweden ausgeliefert wurde. Viel gefahren wurde das gute Stück seit Vollendung der Restauration noch nicht, und wohl auch deshalb huscht ein glückliches Lächeln über das Gesicht von «Aschi», als er den Motor startet. Es dauert einen Moment, bis man sich mit den beiden Vergasern über das richtige Kommunikationsverhalten geeinigt hat. Man ist als Fahrer von modernen Autos, etwa des 2016er-Targa, halt schon sehr verwöhnt. Pedal runter, am Schlüssel drehen – die Elektronik wird es dann schon richten. Das war früher anders, es brauchte (und braucht) einen feinfühligen Gasfuss, bis der Sechszylinder-Boxer schön rund läuft. Es braucht auch ein feines Händchen, um den bald 50jährigen 911er zu dirigieren, die sportliche Härte des 964er geht ihm ab, die chirurgische Präzision des 991er sowieso. Aber es ist ein grandioses Vergnügen, wenn der Boxer im Heck mahlt, stampft und ächzt mit seinem so typischen Geräusch – und im offenen Targa hört man das am besten. Man ist mittendrin, nicht voll daneben. Und man fühlt sich irgendwie behütet, zwar ohne Dach, aber doch geborgen. (Unten: Targa von 2016.)

Manchmal lädt «Aschi» ein paar Kollegen ein. Dann werden die vier Targa gemeinsam ausgefahren; der Hausherr, der seinen Preziosen extra eine eigene Garage hat bauen lassen, bewegt am liebsten seinen ersten Porsche, den 964er. Der kleinen Gruppe ist dann viel Aufmerksamkeit sicher, gleich vier 911 Targa unterschiedlicher Baujahre sieht man selten zusammen; vier 911 Targa in Indisch-Rot wohl sonst gar nie. Egal, welchen man bewegt, sagt «Aschi», sie haben alle ihren ganz eigenen Charakter, sie tönen alle ganz anders, sie fahren sich alle ganz anders. Der Weg ist dann das Ziel, der Alltag weit weg, dafür der Himmel ganz nah. Und wenn die Herren danach im Garten-Restaurant sitzen und über «ihre» Porsche plaudern, dann ist die Welt mehr als nur in Ordnung. Eigentlich müsste man solche Targa-Tage vom Arzt verschrieben bekommen.

Fotos: Frédéric Diserens. Selbstverständlich haben wir viel mehr Porsche in unserem Archiv.

Der Beitrag Porsche 911 Targa – eine private Sammlung erschien zuerst auf radicalmag.