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Test Ford Mustang Mach-E

Published in radical-mag.com

Neues Pford im Stall

So, nun haben wir wirklich alles zusammen, was man mit einem Fahrzeug so anstellen kann. Zuerst waren wir, ui, das ist lange her, an der ersten Fahrvorstellung mit noch getarnten Fahrzeugen dabei, dann haben wir das elektrische Pford wirklich grob den Berg hochgetrieben, wir waren mit ihm auf dem Flughafen für Fahrversuche, wir waren auch im Dreck (weil: SUV) – und wir haben den Ford Mustang Mach-E, jenen mit Allradantrieb und der grösseren Batterie (98,7 kWh), zwei Wochen unserem ganz alltäglichen Wahnsinn ausgesetzt. Und ja, er lebt noch. Es geht ihm, so haben wir das Gefühl, ganz gut.

Nein, wir haben uns noch immer nicht daran gewöhnen können/wollen, dass er Mustang heisst; eine sanfte Andeutung bei den Rücklichtern macht aus einem rein elektrischen Crossover-SUV noch lange kein wildes Pferd. Und auch wenn wir dem Strom-Ford attestieren wollen, dass er sich im Alltag gut bewegen lässt, trotz Stahlfederung (und erstaunlicherweise ohne adaptive Dämpfer) angenehm komfortabel ist und doch eine kurvige Landstrasse auch ganz flott durcheilen kann, dass er im Gegensatz zu fast allen anderen E-Autos über eine erfreulich direkte sowie auch noch präzise Lenkung verfügt – von Sportlichkeit sind wir hier doch ziemlich weit entfernt. Auch wenn uns alle E-Hersteller erzählen wollen, dass es wunderbar sei mit diesen Batterien, man kann sie im Boden einbauen und hat dann einen tiefen Schwerpunkt und deshalb ein grossartiges Fahrverhalten – kompletter Quatsch. Ein tiefer Schwerpunkt ist bei einem hohen Aufbau (1,62 Meter) und einer relativ schmalen Spur ziemlich kontraproduktiv; der Mach-E ist zudem vorne etwas gar weich abgestimmt und geht dann schon mächtig in die Knie, wenn man ihn um die Ecke scheucht. Und dann auch massiv über die Vorderräder. Andererseits: wer fährt mit so einem Wagen schon einen Slalom? Und: Wir warten mal noch auf den GT. Auf den warten wir sowieso, etwas tiefer, breitere Reifen, das wird dann rein optisch schon noch für eine Aufmunterung sorgen.

Dank ziemlich viel Bodenfreiheit (fast 15 Zentimeter, ohne Ladung, versteht sich) fühlt sich der allradgetriebene Mustang aber dafür in leichtem Gelände ziemlich wohl. Er musste im Regen durch eine Kiesgrube, und das schien ihm (oder dem Piloten) ziemlich Spass zu machen – viel und elektronisch sauber geregeltes Drehmoment (580 Nm) sind in Dreck und Schlamm (und deshalb wahrscheinlich auch auf Schnee) durchaus von Vorteil. Wir wissen es von anderen Stromern: nur eine angetriebene Achse kann da ein grosser Nachteil sein, wer es sich leisten kann, der sollte das volle Package nehmen.

Und wenn wir schon bei Package sind: der Mach-E steht auf einer neu entwickelten, eigenen Plattform nur für E-Wagen (als wohl einziges Ford-Modell überhaupt, denn schon 2022 wollen die Amerikaner auf die MEB-Plattform von VW zurückgreifen). Die fast drei Meter Radstand sorgen für gute Platzverhältnisse auch für die hinteren Passagiere; es bleibt zudem noch reichlich Kofferraum (402 bis 1420 Liter, dazu noch ein «Frunk» mit 100 Litern (wasserdicht, mit Abfluss). Zu empfehlen ist das Panoramadach (das allerdings satte 4800 Franken Aufpreis kostet – weil es nur in Verbindung mit anderen Paketen bestellbar ist), das den Innenraum dann wunderbar erhellt (sollte dann allenfalls irgendwann wieder einmal die Sonne scheinen). Ansonsten wird der Innenraum von einem riesigen Touchscreen dominiert, physische Tasten und Schalter gibt es kaum mehr (ausser auf dem Lenkrad), doch die Bedienung des Systems ist einfacher und logischer als bei anderen Fahrzeugen, man wird sich schnell zurechtfinden (ausser vielleicht: wo ist der Umluftschalter?). Die Sitze sind anständig, bieten für amerikanische Verhältnisse guten Seitenhalt, sind auch auf längeren Strecken bequem. Wobei: so richtige lange Strecken sind das Ding des Stromers ja nicht. Nicht unser Ding ist der Kleiderhaken, über den man die Türen öffnen muss; wir wundern uns sogar, dass so etwas vom Gesetzgeber bewilligt wird.

Womit wir dann zurück beim Fahrbetrieb wären: 540 Kilometer Reichweite gibt Ford an für den Duel-E-Motor mit «extended range» an, im Schnitt sollen es 18,7 kWh auf 100 Kilometern sein. Nun, das haben wir (bei zugegeben garstigen Wetterbedingungen) bei weitem nicht geschafft, unter 23 kWh/100 km kamen wir nie, im Schnitt waren es 27. Gut, das mag für einen 2,3 Tonnen schweres, 4,71 Meter langes SUV mit Allradantrieb und mit 258 kW (346 PS) jetzt noch so einigermassen angehen, aber der Wagen ist selber so einigermassen pessimistisch. Eines eiskalten Morgens, wir hatten ein strenges Programm den ganzen Tag, diverse Termine, etwa 200 Kilometer Wegstrecke, da zeigte er selber bei zu 97 Prozent geladenem Akku gerade einmal 250 Kilometer Reichweite an. Ja, da wird man dann schon etwas nervös, zumal dann auf den ersten Kilometern der «range» noch viel schneller wegbricht als hochgerechnet. Man sollte den Mustang dann auch nicht in den 5,1 Sekunden von 0 auf 100 km/h jagen, die anscheinend möglich sein sollen, die Finger auch von den 180 km/h Höchstgeschwindigkeit lassen, auf die das SUV elektronisch limitiert wird. Ach ja: wie bei praktisch allen E-Fahrzeugen steigt der Verbrauch bei mehr als 80 km/h überproportional an (zur Ausnahme kommen wir in einem der nächsten Testberichte). Und etwas gestaunt haben wir über das Ladeverhalten: Von den dreiphasig möglichen 11,7 kW daheim schaffte der Mach-E gemäss eigener Anzeige nicht einmal derer 8. Von ziemlich genau 10 auf 80 Prozent verstrichen 12 Stunden; maximal möglich sind an der Schnellladestation 150 kW. Vielleicht würde der Ford grössere Distanzen und schnelleres «Tanken» schaffen, wenn er nicht dauernd über das eingebaute Modem Daten über den grossen Teich versenden müsste.

Den Mustang gibt es als Mach-E ab 49’560 Franken (den echten Mustang ab 59’900 Franken), unsere Variante (eben, mit Dual-Elektromotor, Allradantrieb, der grossen Batterie) ist ab 68’940 Franken zu haben (und dann schon gut ausgestattet). Es gibt stärkere E-Fahrzeuge für weniger Geld, aber es orientieren sich ja eh alle am Model 3 von Tesla. Und im Vergleich zu seinem amerikanischen Konkurrenten kann der Ford mit mehr Platz und einer einfacheren, logischeren Bedienung glänzen, auch die verarbeiteten Materialien machen einen besseren Eindruck. Dafür bestehen gewisse Defizite beim Laden und der Erwartungshaltung im Zusammenhang mit dem Namen. Ob das allerdings dem Erfolg einen Abbruch tun wird, glauben wir nicht; da gibt es auf dem aktuellen E-Markt sicher Produkte, die deutlich grössere Schwächen haben.

Mehr Ford gibt es in unserem Archiv.

Der Beitrag Test Ford Mustang Mach-E erschien zuerst auf radicalmag.