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Test Renault Megane R.S. Trophy-R

Published in radical-mag.com

Ernsthaft

Die Diskussion darüber, welche aktuellen Fahrzeuge denn zukünftige Sammlerstücke sein könnten, ist länglich und schwierig. Vielleicht muss sie auch gar nicht geführt werden, denn all diese Steuergeräte, all diese Elektronik dürfte es zukünftigen Generationen schwer machen, diese Fahrzeuge auch in 50 oder 100 Jahren noch fahrbar zu halten (einverstanden, bis dann werden wir – mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit – noch ganz andere Probleme haben). Geht man von den heute geltenden Kriterien aus, also etwa Seltenheit, technologische Feinheiten, aussergewöhnliches Design, Renn-Erfolge etc., dann muss man selbstverständlich an die Hypercars denken – und wird sie auch gleich wieder verwerfen, denn sie sind schon in der Anschaffung jenseitig teuer, sie sind teilweise unglaublich komplex, sie sehen alle gleich aus, Rennen fährt sowieso niemand mehr mit diesen Dingern. Man sieht derzeit auch, dass diese Geräte auf Auktionen (abgesehen von den üblichen Ausnahmen) kaum mehr ihren Einstandspreis erzielen können – was sie dann auch für Investoren uninteressant macht. Ob dieses Geschäft mit den Hypercars nach Corona überhaupt wieder zum Laufen kommt, das ist dann noch eine andere Frage, die aber nicht hier behandelt werden soll.

Taugt nun der Renault Megane R.S. Trophy-R zum Sammlerstück? Es werden nur 500 Exemplare gebaut, sie werden also ziemlich selten bleiben – und noch seltener ist die Ausführung mit dem extrem teuren Karbon-Paket, denn davon kommen nur gerade 50 Stück weltweit in den Handel. Der Punkt mit der Seltenheit ist also erfüllt; jener mit dem aussergewöhnlichen Design eher nicht so. Ja, Rennerfolge kann der Renault irgendwie auch ausweisen, wenn man den Nürburgring-Rekord für frontgetriebene Fahrzeuge als solche anerkennen will – und ja, technologisch hat er so einiges zu bieten (dazu kommen wir dann noch). Klar, nur 300 PS aus einem 1,8-Liter-Turbo sind im Vergleich den teilweise vierstelligen PS-Zahlen der Hypercars eher lächerlich, nur vier Zylinder gelten als unsexy, Frontantrieb jetzt auch nicht als die reine Lehre bei einem Sportwagen. Aber immerhin verfügt der Franzose über ein manuelles Getriebe, da holt er bei allfälligen Sammlern schon wieder einen Pluspunkt – Mechanik wird auch in 100 Jahren noch funktionieren (oder zumindest reparierbar sein). Und noch etwas: sie haben die Allradlenkung rausgeschmissen, es kann also ein komplexes System weniger kaputtgehen.

Wie schon erwähnt: technisch ist der Renault durchaus spannend. Dabei geht es natürlich in erster Linie um das Fahrwerk. Interessant ist etwa der für ein Strassenfahrzeug stark negative Sturz an der Vorderachse (- 2,05 Grad), die Öhlins-Stossdämpfer können vorne wie hinten separat auf Zug und Druck eingestellt werden. Hinten kommt eine Verbundlenker-Achse zum Einsatz, die stolze 38 Kilo Gewicht gegenüber dem auch schon nicht adipösen Megane RS einspart. Auf der Motorhaube sorgt die Naca-Lufteinlasshutze für weniger Verwirbelungen und geringeren Luftwiderstand. Die unter dem Stossfänger platzierte Lamelle wurde angepasst, um die aerodynamische Balance zwischen Front und Heck zu optimieren. Die Verschalung am Unterboden führt die Luft in Richtung Diffusor, der aus Karbon gefertigt und direkt aus der Formel 1 abgeleitet ist. All das erhöht den Anpressdruck, was insofern wichtig ist, als dass die Hinterachse doch um einiges leichter geworden ist. Auch die Titan-Auspuffanlage ist an den Heckdiffusor angepasst; die Akrapovic-Lösung verbessert die Aerodynamik und reduziert das Gewicht um sechs Kilo. Noch mehr Gewicht spart der Wegfall der Rücksitzbank (minus 25,3 Kilo), man fragt sich dann aber, weshalb die Türverkleidungen der hinteren Türen drin bleiben durften, man braucht sie beim besten Willen nicht mehr. Alle Massnahmen zusammen bringen das Gesamtgewicht auf 1306 Kilo, das sind doch 130 Kilo weniger als bei den «normalen» Modellen. Mit dem Karbon-Paket für exorbitante 29’000 Franken gibt es dann noch Front-Lufteinlassöffnungen anstelle der RS-Vision-Scheinwerfer im Zielflaggendesign, goldene Bremssättel der vorderen Karbonkeramik-Bremsscheiben mit 390 Millimeter Durchmesser, eine spezifische Kalibrierung von ABS und ESP (damit das System eine – auf der Rennstrecke – konstantere Bremsleistung und längere Betriebszeiten schafft) und pro Rad nochmals um zwei Kilogramm leichtere 19-Zoll-Karbonfelgen. Als Bereifung kommen speziell für den Trophy-R entwickelte Bridgestone Potenza S007 zum Einsatz; unser Testwagen rollte allerdings auf Continental Sport Contact 6.

Ach ja, die Schaltknauf-Abdeckung besteht aus billigem Plastik – eines der Details, die beim Trophy-R durchaus liebevoller hätten behandelt werden dürfen. Noch etwas, was uns etwas geärgert hat: die Fahrwerkseinstellungen können über einen etwas geschrumpften, hochkant gestellten Touchscreen erfolgen, doch sie bleiben nicht gespreichert, wenn man die Maschine abstellt. Ansonsten ist innen alles gleich wie in einem Megane R.S. oder einem Megane R.S. Trophy, Dashboard, das Lenkrad, alle Hebel und die Menüführung des Infotainments wurden übernommen. Schlicht grossartig sind die Sabelt-Schalensitze (die auch noch 14 Kilo Gewicht einsparen), sie bieten nicht nur ausgezeichneten Seitenhalt, sondern durchaus auch Langstrecken-Komfort. Und sie sind auch optisch mit ihrem Alcantara-Bezug eine Freude. Dank der fehlenden Rückbank bietet der Renault Megane R.S. Trophy-R sicher das grösste Kofferraumvolumen unter allen ernsthaften Sportwagen.

Und das ist er wirklich: ein ernsthafter Sportwagen. Wir wollen sogar noch einen Schritt weitergehen: Unter den strassenzugelassen Fahrzeugen ist der Renault das derzeit wohl feinste (frontgetriebene) Präzisionsgerät. Das liegt an Fahrwerk, Lenkung und Reifen, die den Franzosen wirklich extrem exakt auf der gewählten Spur halten, man kann ihn millimetergenau auf den Kurvenscheitel setzen, er zieht die Linie gnadenlos durch. Zwar spürt man trotz Sperrdiff und exzellenter Abstimmung schon Krafteinflüsse auf die Lenkung, doch diese sind auch die perfekte Rückmeldung für den Fahrer; immerhin zerren ja 400 Nm maximales Drehmoment an der Vorderachse. Es gibt da aber auch ein Problem: Der Trophy-R ist derart hart, dass man unterscheiden kann, ob man eine Zigarette mit oder ohne Filter überfahren hart. Sprich: auf nicht so guten Strassen kann es ihn durchaus von der Spur hauen, buchstäblich. Dort oben im Jura (wo wir auch schon waren mit dem Audi RS6 und dem Alfa Stelvio QV) macht er deshalb nicht nur Freude, es sind grobe Schläge, die man einstecken muss. Andererseits: wie man ihn da den Berg hochtreiben kann, das ist grossartig, ausgezeichnete Bremsen, diese Präzision in den Spitzkehren, die saubere, sehr lineare Kraftentfaltung beim Herausbeschleunigen – man wünscht sich höhere Berge, nicht enden wollende Strassen. Untermalt wird dieses herrliche Spiel von einem sehr satten Ton, die Akrapovic-Anlage lässt den Megane bollern und knallen, dass es eine Freud ist. Auch das Getriebe ist keine Spassbremse, die Wege sind zwar nicht ganz so kurz und knackig wie im Honda Civic Type-R, aber immer noch auf höchstem Niveau. Und nein, mehr Pferdchen braucht der Renault nicht, unten raus ist er bestens dotiert (0 auf 100 in 5,4 Sekunden) – Längsdynamik ist etwas für Nasenbohrer (Höchstgeschwindigkeit 262 km/h).

Uns hat das jetzt auch nicht gestört, dass er derart hart ist, ganz im Gegenteil – als Pilot ist man alerter, wenn der Wagen dauernd meldet, wie denn der Strassenzustand ist. Auch die Geräuschentwicklung ist nicht störend, ganz im Gegenteil – wir werden diesen Lärm in absehbarer Zukunft sehr, sehr vermissen, deshalb geniessen wir jetzt noch jeden Wagen, der nicht bloss summt. Wenn man bloss so ein bisschen über Landstrassen und die Autobahn rollt, ist ein Verbrauch von unter 8 Litern möglich; wir waren mehr am Berg unterwegs, deshalb waren es dann im Schnitt 11,5 Liter, was aber sehr ok ist in Anbetracht der möglichen Fahrleistungen. Als sanft übertrieben empfinden wir den Aufpreis für das Karbon-Keramik-Paket, das den Preis unseres Testwagens auf 92’740 Franken schnellen liess (ob der Aufpreis gegenüber einem jetzt auch nicht wirklich langweiligen Megane R.S. jetzt wirklich berechtigt ist, das wäre dann schon fast eine philosophische Frage). Andererseits: es gibt nur besagte 50 Exemplare. Es wäre allerdings sehr, sehr schade, wenn diese in Sammlungen verschwinden und dann nicht mehr bewegt würden – der Renault Megane R.S. Trophy-R ist ein so böses wie herrliches Fahrgerät, man muss ihn lieben. Auch deshalb, weil er der letzte Megane R.S. sein wird als reiner Verbrenner – und allein schon diese Tatsache könnte ihn zu einem begehrenswerten zukünftigen Klassiker machen.

Mehr Renault haben wir in unserem Archiv. Und bald kommt dann auch noch so etwas wie ein Vergleich mit der Alpine A110 S.

Der Beitrag Test Renault Megane R.S. Trophy-R erschien zuerst auf radicalmag.