Von Abarth und Simca
Fruchtbare Zusammenarbeit
Simca, kurz für «Société Industrielle de Mécanique et Carrosserie Automobile», war 1934 gegründet worden und stellte in den frühen Jahren Fiat-Lizenzprodukte in Frankreich her. Gründer war Henri Théodore Pigozzi, ein gebürtiger Italiener (und deshalb eigentlich: Enrico Teodoro Pigozzi). Dieser machte sich in den 50er-Jahren frei von Fiat, übernahm 1954 das Werk Poissy von Ford Frankreich und baute es zur modernsten Fertigungsanlage in Europa aus. Bald darauf war Simca der drittgrösste französische Hersteller hinter Renault und Citroën, aber noch vor Peugeot. 1958 kam Chrysler über den grossen Teich und kaufte sich mit 15 Prozent ein. Simca-Chrysler übernahm 1959 dann Talbot. Über die Jahre kaufte Chrysler alle Aktien von Fiat und von den Erben von Pigozzi, der 1964 verstarb – und verschacherte das darniedergewirtschaftete Unternehmen dann 1978 an Peugeot.
Doch das ist nicht die Geschichte, die wir hier erzählen wollen. Hier geht es um die Bekanntschaft zwischen Carlo Abarth und Henri Pigozzi. Sie plauderten dann und wann, und als Simca Ende der 50er-Jahre einen eigenen Kleinwagen mit Heckmotor in der Entwicklung hatte (eigentlich hatten Fiat und Simca einen 600er-Nachfolger gemeinsam konstruieren wollen, Project 122), da war die Expertise von Abarth natürlich willkommen. Es half sicher auch, dass Rudolf Hruska, langjähriger Geschäftspartner und guter Freund von Carlo Abarth, bei der Entwicklung des Simca 1000 beratend tätig war. Die beiden Österreicher konnten den in Frankreich lebenden Italiener überzeugen, dass Rennsport unbedingt ein gutes Mittel wäre, den von Mario Revelli de Beaumont gezeichneten Simca 1000 bekannter zu machen. Und so begann eine fruchtbare Zusammenarbeit.
Es war ein wichtiger Moment in der Geschichte von Abarth, denn zum ersten Mal konnten die Turiner mit der finanziellen Hilfe der Franzosen einen eigenen Motor konstruieren. Zwar gab es auch einen Auftrag, den Simca 1000 ein bisschen flotter zu machen (daraus entstand der Simca-Abarth 1150), doch da war auch noch ein 1300er geplant. Abarth vergrösserte den schon bestehenden Bialbero-Motor auf 1288 cm3 (Bohrung x Hub 76 x 71 mm). Mit einer Verdichtung von 10,4:1 und zwei Weber-45DCOE-Doppelvergasern kam das Maschinchen auf satte 125 PS bei 6000/min (das Drehzahllimit lag aber bei 7200/min…). Plattform, Getriebe, Lenkung und auch das Fahrwerk wurden vom Simca 1000 übernommen, die Karrosserie wurde von Mario Colucci gezeichnet und bei Odoardo Beccari gleich ums Eck von den Abarth-Hallen am Corso Marche gebaut. (Es gab später unterschiedliche Karosserieformen. Unterschieden wird zwischen kurzer und langer Nase; spätere Modelle wurden bei Sibona & Basano aufgebaut). Das Gerät, das nur gerade 630 Kilo wog, über eine Trockensumpf-Schmierung verfügte und bis zu 240 km/h schnell war, kostete stolze 3’300’000 Millionen Lire; einen braven Simca 1000 gab es für 935’000 Lire. Aber für den Rennsport waren diese Abarth Simca 1300 ihr Geld unbedingt wert. Sie fuhren in kurzer Zeit mehr als 90 Klassen- und Kategorien-Siege ein.
Der Ehrgeiz von Carlo Abarth war geweckt – die 1300er hatten keine Gegner, also wollte er auch noch die Klassen bis 1,6 sowie 2 Liter Hubraum aufmischen. Der 1,6-Liter kam zuerst auf 155 PS, dann mit Doppelzündung sogar auf 177 PS (und das bei nur gerade 740 Kilo), wurde aber schnell vom Reglement besiegt. Schon im Frühling 1963 wurde der 2000 GT vorgestellt, der dann ab 1964 rennen durfte. Und wie er das tat! Gleich beim ersten Auftritt bei einem Bergrennen in Italien vernaschte er mit seinen offiziell 204 PS einen ebenfalls ganz neuen Ferrari 250 GTO. Doch der 2000 GT hatte ein Problem: das Getriebe. Abarth hatte ein 6-Gang-Box konstruiert, die allerdings sehr defektanfällig war und so manchen sicher geglaubten Sieg verhinderte. Und wie so häufig hatte der Wagen noch einen Gegner: das Reglement. Er durfte nicht bei den GT antreten (wo er die Porsche 904 immer wieder auf die hinteren Ränge verwies), sondern musste sich bei den Sportwagen etwa mit einem Porsche Carrera 6 messen. Und das war dann schon etwas schwieriger. Trotzdem: Noch manch ein Privatfahrer, der sich die 3’850’000 Lire für den 2000 GT leisten konnte, feierte bis Ende der 60er-Jahre schöne Siege mit einem wunderschönen Automobil. Patria gewann zum Beispiel die Berg-EM. Die kurze, glückliche Ehe zwischen Abarth und Simca nahm aber mit dem Tod von Henri Pigozzi im Jahr 1964 ein abruptes Ende.
In Genf werden zwei Simca-Abarth ausgestellt: einerseits ein 1300 von 1963, andererseits ein 2-mila von 1965. Mit dem 1300 verbindet den Begründer der Sammlung Engelbert Möll eine ganz besondere Beziehung, war es doch sein erster neuer Rennwagen – und vor allem das Fahrzeug, mit dem seine Rennkarriere als Abarth-Werksfahrer begann. 1963 gewann er damit alle acht Rennen, zu denen er antrat. Der Wagen wurde nie restauriert und verfügt über eine einmalige Patina. Der 2-mila, immerhin 208 PS stark und nur 675 Kilo schwer, war zuerst in Brasilien erfolgreich und kam dann über Italien in die Schweiz.
Mehr Abarth gibt es in unserem Archiv – dort findet sich auch so etwas wie ein Bilderbuch und eine Übersicht über die Fahrzeuge, die «radical» auf dem Genfer Salon (7. bis 17. März 2019) auf der Sonder-Ausstellung «70 Jahre Abarth» ausstellen wird.
Der Beitrag Von Abarth und Simca erschien zuerst auf radicalmag.