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Die schwarze Witwe

Published in radical-mag.com

Der Porsche 936

Porsche hat das Tuch vom 911 GT2 RS Clubsport gezogen. Es wird ein gutes Geschäft werden. Selbst wenn die Stuttgarter nicht einmal eine eigene Rennserie damit aufziehen – wie etwa Ferrari mit dem XX-Programm – sondern einfach nur die 200 Stück zu 405.000 EUR plus Steuer abverkaufen.

Doch: mattschwarzes Martini-Dekor auf einem Porsche hat eine spannende Geschichte. Wir wollen sie erzählen:

Im Frühjahr 1976, nachdem die FIA ein paar Monate zuvor erstmals laut überlegt hatte die Gruppe 5 gemeinsam mit der Gruppe 6 in den Rennen antreten zu lassen, suchte man bei Porsche händeringend nach einer Lösung. Denn es sollten natürlich Gesamtsiege her, nicht nur wenige prestigeträchtige Gewinne der eigenen Klasse.

Mit dem 935 der Gruppe 5 hätte man gegen die eigens entwickelten Gruppe 6 Prototypen keine Chance gehabt. Doch: man hatte schlicht keinen Wagen für diese neuinstallierte Rennwagen-Königsklasse. Was man hatte: 908/3 Spyder, 917/10 und 911 Carrera RSR Turbo. Die Mischung aus diesen drei Fahrzeugen ließ in Rekordzeit ein neues Auto entstehen: den Porsche 936 Spyder.

So einfach die Nomenklatur, so schwierig sein Fahrverhalten. Man merkte dem 36er an, dass er eine schnelle Nummer war. Der Motor giftig im Antritt, das Chassis noch wenig ausbalanciert um den 520PS Einhalt gebieten zu können. Schon nach den ersten Testrunden im südfranzösischen Le Castellet hatte der 936 seinen Ruf weg: Schwarze Witwe.

Und es sollte holprig weitergehen im Gruppe 6-Programm.

Das erste Rennen stand für den 4. April im Kalender. Freies Training und Qualifying jeweils eine Tag vorher. Auf der Nürburgring Nordschleife musste der 936 zeigen, ob er es gegen die Konkurrenz von Renault-Alpine schaffen würde.

Es begann wenig vielversprechend. Nachdem seit einigen Jahren – und jeweils zum Saisonstart von der FIA in neuen Bulletins bestätigt – die maximale Felgen-/Reifenbreite der Rennwagen auf 16 Zoll beschränkt war, erreichte Porsche eine Woche vor Rennstart ein Telex, das nun als Übergangslösung auch Reifen und Felgen mit einer Breite über 16 Zoll erlaubt seien.

Darauf war man in Zuffenhausen nicht vorbereitet gewesen und selbst wenn: es hätte zu wenig Zeit gehabt, um die neuen Räder mit dem entsprechend angepassten Fahrwerkssetup abzustimmen.

Das Gegenteil war im Werksteam von Renault-Alpine der Fall. Die beiden Autos kamen nicht nur mit den Topfahrern der vergangenen Saison, Jabouille und Depailler, an den Start. Sondern vor allem: mit einer überbreiten Rad-/Reifenkombination. Noch bemerkenswerter: riesige Lufthutzen und mächtige Heckspoiler an den beiden A442 Alpines.

Man berief sich auf eine weitere Übergangslösung der FIA, dass Fahrzeuge aus dem Jahr 1975 diese in der Vorsaison legalen, für 76 aber verbotenen Teile noch an den Fahrzeugen montiert lassen dürfe. Dass die A442 Alpines des Jahres 1976 aber faktische Neukonstruktionen waren und in der gesamten Saison 1975 weder mit solch großen Heckspoiler, noch derartig mächtigen Lufteinlässen zu sehen waren: es schien egal.

Während man bei Porsche in der Box tobte, lächelten die 30 zum Rennen eingeladenen französischen Reporter zufrieden bei Austern und Champagner, als Jabouille und Depailler die freien Trainings nach Belieben dominierten.

Doch über Nacht bekam das Team aus Zuffenhausen schwäbische Nachbarschaftshilfe aus Schiltach. Der noch junge Felgenhersteller BBS lieferte zum Samstag Morgen mehrere in einer Sondernachtschicht produzierte Felgensätze in Überbreite – was den Lokalmatador und Porsche-Pilot Rolf Stommelen trotz unveränderter Fahrwerkseinstellung den #936 001 mit der Startnummer 1 in die erste Reihe stellen ließ.

Genau zwischen die beiden (illegalen) Renault Alpine.

Zum Rennstart am Sonntag herrschte Eifelwetter: Regen und leichter Nebel. Stommelen erwischte einen perfekten Start, ließ beide A442 hinter sich und konnte sich schon nach den ersten Kehre absetzen. Auf der Gegengeraden kurz vor der Einfahrt auf die Nordschleife hatte er schon einige Wagenlängen Vorsprung – was die beiden französischen Piloten aber nicht davon anhielt gleichzeitig einen Angriff auf den 936 zu starten.

Stommelen bremste die Nordkehre früh an, im Regen war diese Stelle ihm immer als besonders heikel in Erinnerung, und die beiden Renault gingen an ihm vorbei. Bloß: sie gingen so weit vorbei, dass sie ihnen nach Mut und Talent auch noch die Straße ausging. Beide zertrümmerten ihre Autos zeitgleich in der Leitplanke. Das Rennen war noch keine zwei Kilometer alt.

Es blieb allerdings nicht beim lockeren Heimfahren des Sieges. Gegen Ende der sechsten Runde begann der Gaszug am 936 zu klemmen, bis er schließlich bei ¾-Gas steckenblieb. Stommelen rettete sich in die Box, doch die Mechaniker wanken ab: Das Gestänge zu reparieren würde zuviel Zeit brauchen, Stommelen musste wieder auf die Strecke, wenn er nicht unter „ferner liefen“ ins Ziel kommen wollte.

Der Vorschlag der Mechaniker war so einfach wie komplex: Rolf solle einfach mit dem Hauptschalter Gas geben. Auf der Gerade also mit klemmenden ¾-Gas beschleunigen und zum Bremspunkt dann den Hauptschalter umlegen, den Motor absterben lassen, bremsen, einlenken und den Kurvenscheitel durchrollen und ausgangs dann wieder den Hauptschalter umlegen, ruppig einkuppeln und den 2.1 Liter Turboboxer ins Leben reißen.

Dass das Ganze schon auf normalen Rundkursen eine ordentliche Beschäftigung gewesen wäre – klar. Doch diese Methodik auf der Nordschleife? Stommelen wurde sein ganzes Talent abgenötigt und doch brachte er den „segelnden“ 936 noch auf Platz zwei der Sportwagenwertung ins Ziel.

Sieger wurde übrigens Reinhold Joest auf 908 Spyder Turbo. Von den Renault-Reportern fand sich keiner zur Siegerehrung ein.

Der 936 gewann in der Sportwagen-Weltmeisterschaft daraufhin mit fünf Siegen aus sieben Rennen den Titel. Die 24h von Le Mans konnte er 1976 ebenfalls für sich entscheiden, wie auch 1977 und 1981. Es war der erste Porsche-Sieg mit einem Turbomotor.

fm/Bilder: Porsche, Archiv

Der Beitrag Die schwarze Witwe erschien zuerst auf radicalmag.