Genf 2018 – zweitens
Winzige EVs und viertürige Coupés
Was gab es dieses Jahr zu sehen? Eine große Reihe Vollelektrische. Mal mit, mal ohne Lenkrad. Dazwischen – nun aber schon mit weit weniger Auswahl – wirklich am Markt erhältliche Stromer und Hybride und, natürlich, Hypercars.
Was es noch gab: viertürige Coupés.
Vergangene Woche ist der internationale Automobilsalon in Genf, neudeutsch: #GIMS, gestartet. Ohne einheimische Autoindustrie (nicht ganz korrekt, weil da wäre ja der Meanie) ist die Schweiz für die Autokonzerne neutrales Gebiet. Und auch wenn es viele Absagen gab, so kommen die meisten doch noch gerne nach Genf, weil es eine schöne, kompakte und übersichtliche Schau ist.
Klein & elektrisch
Am untersten Ende der Skala brachte Mercedes-Benz seine neuen batterieelektrischen Smart, den smart EQ fortwo und smart EQ forfour, auf den Stand. „Mit dem smart EQ fortwo und forfour bringen wir die ersten Produkte der Mercedes-Benz Cars EQ-Familie auf städtische Straßen und zeigen, wie viel Spaß Elektromobilität machen kann“, sagt smart CEO Annette Winkler. Eigentlich hat sich von ED zu EQ nichts geändert – außer dem Namen eben und den entsprechend umgeklebten Logos. Aber Annette muss sich ja über irgendetwas freuen dürfen.
Bemerkenswert: gegen Aufpreis bekommt man den EQ Smart jetzt an Stelle des schwachbrüstigen 4.6kW-Laders nun mit der Option auf 22kW-Ladefähigkeit. Damit ist die (im Konkurrenzumfeld leider immer noch hoffnungslos unterdimensionierte, weil nicht mal mit echten 100km Reichweite ausgestattete) 17kWh-Batterie in 40 Minuten wieder auf 80% geladen. Dafür, dass schon die kommende Generation smart nur mehr vollelektrisch fahren soll, ist dieses Angebot aktuell wirklich dünn. Die Technologie ist komplett zugekauft und im Original (Renault Zoe) schon weit besser aufgestellt (40kWh-Akku!) als es die kleine (moderne?) Mercedes-Tochter zusammenbringt. Dabei sind die Konzeptchancen eines vollelektrischen Super-Stadt-Minis schon immer die besten gewesen – man müsste sie dann bloß einmal nutzen. Man darf hoffen, dass das milliardenschwere CASE-Programm vom Daimler auch bei Smart endlich die richtigen Schalter umlegt.
Weit fröhlicher stimmt uns da schon der äußerst charmante Honda Urban EV. Schon auf der IAA war er DAS Auto der Show und auch in Genf stiehlt er mit seinem sportlichen Bruder vielem die Schau. Am Dienstag kündigte Honda dann auch an, dass es den Urban EV Anfang nächsten Jahres zur Bestellung freigibt. In der zweiten Hälfte des kommenden Jahres wird er dann in Produktion gehen. Preise und Spezifikationen wird es zu einem späteren Zeitpunkt geben. Wir haben aber gehört, dass er nicht langsam werden soll, vor allem aber mit „ausreichend“ Batteriekapazität gesegnet sein soll. Wir hoffen auf 35-40kWh, damit echte 200km auch bei erfrischenden Fahrstilen realistisch sind.
Volkswagen hat eine Vizzion
Volkswagen, oh Volkswagen. Ob nun #wastegate, Verhaftungen, Affentests oder der Ruf nach dem Ende der Dieselsubventionen – sie geben derzeit ein, sagen wir mal, uneinheitliches Bild ab in Wolfsburg. So ist es dann auch spannend, dass sie in Genf zwar den größten und weißesten Stand von allen hatten, um dann eigentlich gar nichts auszustellen. Den I.D. kannte man aus Paris (2016!), den I.D. Crozz aus Frankfurt, den Sedric (gut, man hat ihn umlackiert für Genf 2018, 2017 war er noch weiß) und auch den Buzz hat man in den USA schon gesehen. Nun eben: Vizzion. Da neigt dann auch der Betrachter zum spontanen Nickerchen.
zzZZzzzzz.
Sei es drum. Die harten Fakten hinter den omnipräsenten ZZs lauten: MEB, Modularer Elektro Baukasten. Er wird die Grundlage für alle batterieelektrischen Auswüchse im Gesamtkonzern bilden. Egal ob Europa, USA oder China. One size fits all. Wobei das mit der size natürlich modular zu sehen ist. Aber der Spruch klärt die Richtung. 2020 wird es losgehen. Der Bulli kommt 2022, da dann auch der Vizzion – sofern man die Autonomie in vier Jahren wirklich auf Level 5 heben konnte. Was wir derzeit bezweifeln, nicht zuletzt wegen der drastisch ungeklärten politischen Leitplanken.
Es fällt deshalb ein wenig schwer über die anderen Trends des Vizzion zu sprechen. Sprach- und Gestensteuerung, die als Schnittstelle zwischen Mensch und Vizzion auf die HoloLens und Augmented Reality setzt – das kann funktionieren. Wir hoffen aber, dass die Tech-Entwicklung in vier Jahren besseres darstellen kann. Immerhin hat sich VW vor kurzem mit Aurora zusammengetan, einem sehr heiß gehandelten Startup, der die Software und Sensor-Suite für die Selbstfahrerei bereitstellen wird.
Auch sonst ist Wolfsburg mit vollen Taschen beim Einkauf der besten Köpfe, Ideen und Technologien unterwegs. Es dürfte gefühlt aber gerne ein bisschen schneller gehen – denn wie gesagt: I.D. & Co sehen wir schon seit 2016, es muss langsam mal wirklich etwas kommen.
Mission E-possible
Lange bevor die Arbeiten am konzernübergreifenden MEB (Modularer Elektrobaukasten) begannen, hatten Porsche und Audi unabhängig voneinander entschieden, dass es unbedingt schnell ein erstes BEV braucht um den Tesla S und X dieser Welt etwas von Wert, Qualität und Status entgegenzusetzen. Natürlich ist jedem Beteiligten klar was für eine (Geld-)Verschwendung das Ganze ist und doch ist man irgendwie überrascht wie lange sie für die Entwicklung der eigentlichen Schnellschüsse brauchen.
Klar ist auch: Mission E und Audi etron quattro sind zwar die Ersten, zugleich aber auch die Letzten. Alles danach wird auf MEB, bzw. dem daraus für die „teuren“ Marken abgeleiteten PPE (Premium Plattform Elektro) abgeleitet.
Um den Mission E-Aufwand dennoch zu rechtfertigen, präsentiert Porsche in Genf den neuen Jagdwagen. Sie nennen ihn etwas ungelenk Mission E Cross Turismo. Wer der Nomenklatur folgen kann, weiß: Turismo = Kombi/Shooting Brake/mehr Ladehöhe; Cross = Jagdwagenoptik/Luftfahrwerk im Lift-Modus; Mission E = Mission E.
Die Daten bleiben entsprechend ident zu Bekanntem: 440kW/600PS Dauerleistung – darauf legen sie besonderen Wert, schließlich bringt es der Tesla nicht zusammen seine Pferde bei schnell aufeinanderfolgenden Galopp beieinander zu halten. Der Porsche hingegen: 3.5 Sekunden auf 100, solange bis der Akku leer ist. Im Idealfall der ruhigen Fahrt soll er über 400km kommen mit seiner 95kWh-Batterie.
Der Mission E Cross Turismo ist für „Menschen, die gerne ihre Freizeit mit Reisen, Sport und anderen Outdoor-Aktivitäten verbringen“. Zu diesem Zweck ist der Innenraum flexibel. Die viersitzige Konfiguration ist variabel, falls Sie Ihr Mountainbike oder Surfbrett mitbringen sollten. Laut Aussagen von Designer Michael Mauer entspricht auch der Turismo Cross zu 80% der Serie – innen wie außen.
Zu 99,4% serienmäßig ist der Audi etron quattro. Zwar haben sie ihn in Genf der Show halber noch in ein mäßig kreatives Tarnkleid gesteckt und durch den Stau in der Innenstadt geschoben, doch an sich wird der Ingolstädter zum Serienanlauf nicht mehr geändert. Sie schicken noch etwa 100 Exemplare als Werbeträger (und gleichzeitig Endabnahme-/Kalibrierungsexemplare) um die Welt, bis er dann Ende des Jahres auf den Markt kommt.
Toyota Supra & BMW Z4
Die Rückkehr des Toyota Supra hat lange auf sich warten lassen. 2014 zeigte uns Toyota das Konzeptfahrzeug FT-1. Seitdem taucht der Sportwagen in Videospielen und auf Auto-Shows auf. Man ist ein bisschen müde geworden, stellt sich beinahe die Frage: kommt er überhaupt noch irgendwann? Hat es je von einem Showcar ein Facelift gegeben? In Genf enthüllte der japanische Autohersteller das GR Supra Racing Concept – was nichts anderes ist als die Serienversion des Supra mit einem Bodykit und einem Heckspoiler.
Für den Wettbewerb ist das Konzept übrigens gar nicht geeignet, denn jede Rennklasse verlangt zur Homologation ein in Serie gebautes Basisfahrzeug. Immerhin: Wer in Besitz einer Playstation und Gran Turismo ist wird den neuen Supra im April ausprobieren können.
Viertürer oder Coupé! Dazwischen ist: nix.
Die Definition ist recht eindeutig: Ein Coupé ist ein Fahrzeug mit festem Dach und zwei Türen. Doch vor einiger Zeit schon, als man in den Marketingabteilungen der Hersteller die Meinung formte, dass es Nischen und noch mehr Nischen braucht, erblickte ein automobile Unart das Licht der Welt: der flache Viertürer mit rahmenlosen Scheiben.
Und weil in Stuttgart ein CLS allein nicht reicht, so baut AMG gleich seine eigene Interpretation dieser Gattung. Das Mercedes-AMG GT 63S 4Matic+ 4-Türer Coupé gewinnt also nicht nur den Preis für den längsten Modellnamen des Salons, sondern auch den für Irreführung. Sei es drum: Das Auto ist schön, egal was es ist! Hier gehen die Meinungen allerdings schon in der Redaktion massivst auseinander…
Hinter vorgehaltener Hand: Es wird eine 73er-Variante kommen. Mit 4.0 V8 Biturbo und Hybrid-System. Man spricht von 800PS. Das wäre dann sicher auch für den rauchenden Teil der Redaktion okay.
„Das neue AMG GT Viertürer-Coupé verbindet die beeindruckende Rennstreckendynamik unseres zweitürigen Sportwagens mit maximaler Alltagstauglichkeit. Es verkörpert auf einzigartige Weise unseren Markenkern Driving Performance“ und wird durch seine systematische Gestaltung neue Kunden für Mercedes-AMG gewinnen“, langweilt Tobias Moers im Rahmen der Pressekonferenz. Von 800PS spricht er noch nicht, was schade ist.
Das 4-Türer-Coupé gibt es übrigens auch als AMG 53. Das Einstiegsmodell wird dabei vom aus der S-Klasse bekannten 435PS starken Reihensechszylinder-Motor (yay!) angetrieben, wobei die stärkeren Modelle 63 non-S/63 S vom 585PS, bzw. 639PS starken Twin-Turbo-V8 angetrieben werden. Die Drehmomente lesen sich hier auch spannend: 800 und 900Nm – wenn man nun also den Dreisatz anwendet, so müsste der 800PS 73er bei lockeren 1125Nm liegen.
Früher montierten man derlei Kraft in Lastwagen. Wobei: Wir kennen das Gewicht des Mercedes-AMG GT 73S 4Matic+++ 4-Türer Coupé noch nicht.
Mit aller Macht: M8!
Es war den 6er-Fahrer so ein bisschen unangenehm: der Modellname. Nur ein Sechser, wo es doch einen Siebener gibt. Und Audi auch einen Achter hat. Mercedes-Fahrern wurde unlängst geholfen, da wurde aus dem S600 der S650, aus dem S500 der S560 und überhaupt: mehr ist mehr! Deshalb: 8er statt 6er. Gleiche Zutaten, höherer Preis. Image kostet. Und das ist gut so.
BMW schickt den 8er jetzt schon seit geraumer Zeit durch die Presse. Mal getarnt als Coupé auf der Rennstrecke, mal als Studie nach Villa d’Este. Nun wieder eine Studie, diesmal als Gran Coupé. Man blickt auf zu Erwartendes, die neue Niere, die nun dreidimensional in die Motorhaube hineinragt wirkt eleganter als auch schon im X2. Die Entlüftung der Radhäuser ist im Kotflügel geschickt mit den M-typischen Kiemen verschmolzen. Und auch die CSL-Hommage in Form des überwölbten Kofferdeckels ist nett. Fahren wird es sowieso gut, da haben sie in München selten ein Problem mit der Abstimmung gehabt. Einzig: Sie könnten jetzt wirklich langsam bringen, wir haben genug gesehen!
Einen ersten Rundgang in Genf hatte Chali gemacht, hier zu lesen. Der dritte Teil folgt: bald.
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