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Siata 208S/CS

Published in radical-mag.com

Grossartiges

Die Società Italiana Applicazioni Trasformazioni Automobilistiche wurde 1926 von Giorgio Ambrosini in Turin gegründet. Ambrosini entwickelte in erster Linie eigene Zylinderköpfe, die den eher schwächlichen Fiat von damals zu mehr Kraft verhalfen; Siata bot aber auch bessere Getriebe und sogar Kompressoren an. Und die Turiner, die man getrost als erste italienische Tuner bezeichnen darf, waren erfolgreich, denn Fiat kümmerte sich selber nicht um seine rennsportbegeisterte Kundschaft. Das erste eigene Automobil von Siata war der Amica, doch er kam im ungünstigsten Moment auf den Markt, nämlich 1939. Erst 1949 konnte die eigene Produktion wieder aufgenommen werden, mit einem verbesserten Amica, dazu gab es noch Diana und verschiedene Rennsport-Modelle, die in Kleinstserien gebaut wurden.

Doch die Geschichte der schönsten Siata-Modelle, den 208ern, beginnt bei Fiat. Dort arbeitete ein Motoren-Genie namens Dante Giacosa, der seine Karriere mit Lastwagen begonnen hatte, dann Flugzeug-Motoren konstruierte, nach dem 2. Weltkrieg massgeblich am Cisitalia-Rennwagen beteiligt war – und 1947 einige Monate in Detroit verbrachte. Dort war er auf der Suche nach neuen Ideen für eine grössere Limousine, die Fiat zu bauen gedachte. Er schlug dann vor, dem Projekt 101 einen 2-Liter-Vierzylinder zu spendieren, doch daraus wurde nichts, der «grosse» Fiat wurde 1952 als Fiat 1400 mit einem 1,4-Liter-Motörchen vorgestellt. Aber: der damalige Verantwortliche für die Fiat-Personenwagen, Luigi Gajal, wollte doch noch eine stärkere Variante. Weil ein klassischer V6 nicht in Frage kam und es für einen V8 keinen Platz hatte im Motorraum, begann Giacosa mit der Entwicklung eines Achtzylinders im 72-Grad-Winkel. Das Projekt trug den Namen 104. Aber man fand schnell heraus, dass auch dieser Achtzylinder dem 101/104 nicht zur Ehre gereichen würde, der Wagen war schlicht zu schwer.

Also gelüstete es Giacosa nach einem Sportwagen. Zusammen mit Designer Fabio Rapi, der einst bei Isotta-Frschini gearbeitet hatte, machte er sich ans Werk. Und nun kommt Siata ins Spiel, dort wurde – einigermassen heimlich, niemand durfte davon wissen, aber alle sprachen darüber – ein Rohrrahmen-Chassis erstellt, zuerst mit Rohren mit ovalem Durchmesser, doch dann wechselte man auf die klassischen runden Rohre. Zuständig für die Arbeiten war der gebürtige Österreicher Rudolf Hraska, der vor dem Kreig mit Ferdinand Porsche zusammen gearbeitet und nach dem 2. Krieg, wie Giacosa und und ein weiterer Österreicher, Carlo Abarth, bei Piero Dusio und seinem Cisitalia-Projekt angeheuert hatte. Siata war auch an der weiteren Entwicklung des aus Alu gefertigten, überquadratischen Achtzylinders beteiligt. Unter anderem wurden noch die Auspuffkanäle nach oben verlegt, damit die Maschine genügend Platz fand zwischen den Kotflügeln.

Und tatsächlich hatte diese Maschine ihren ersten öffentlichen Auftritt nicht in einem Fiat 8V, wie das Fiat-Modell dann heissen sollte (und dessen Geschichte wir ja auch schon erzählt haben, hier), sondern in einem Siata, der für den Giro di Sicilia am 9. März 1952 gemeldet war. Die grosse Premiere hatten sowohl der Fiat 8V wie auch der Siata 208S dann am Genfer Auto-Salon 1952. Und die Reaktionen waren grossartig. Der Fiat 8V, ein Coupé mit eigenem Design, war so ein bisschen der Star der Messe; der Siata, ein Roadster, stand ein wenig in seinem Schatten. Und dies, obwohl sich Fürst Rainier von Monaco in ihm ablichte liess. Aber Fiat war halt die grosse Marke, der Siata die kleine Schwester.

Rund 200 Achtzylinder-Motoren baute Fiat bis 1954, 114 wurden selber verwendet, 34 davon für «Otto Vu», die von Fiat selber karrossiert wurden. Wie viele der restlichen Achtzylinder Siata tatsächlich verwendet hat, das ist nicht ganz klar, denn die Bezeichnungen waren etwas verwirrlich, es gab den 208S, den 208CS, den 208SC, aber auch die 400 GT/F/L (wobei einige von diesen 400ern mit Cadillac- oder Chyrsler-Motoren ausgerüstet sein dürften; es gab auch Umbauten mit Ferrari-4-Zylinder-Motoren, die nachträglich eingepflanzt wurden). Wie auch immer, Siata spendierte seinen Modellen ein paar PS mehr (115 oder 120, der Fiat hatte anfangs 105, in einer zweiten Phase 115 und die letzten Exemplare kamen dann auf 127); das maximale Drehmoment betrug 146 Nm bei 3600/min. 120 PS für wohl etwa 860 Kilo Leergewicht, das war damals ganz anständig. Und doch waren die Fahrleistungen etwas enttäuschend: das amerikanische Fachmagazin «Road & Track» kam auf eine Höchstgeschwindigkeit von 104,8 Meilen (168,6 km/h) und brauchte für den Sprint von 0 auf 96 km/h doch 12,4 Sekunden. Das war im Vergleich zu Konkurrenz nicht gerade begeisternd, denn so ein Siata kostete damals – als 208CS – doch 30’000 Franken in der Schweiz, und schneller als ein Alfa Romeo 1900 war er auch nicht.

Hingegen galt das Fahrverhalten als absolut vorbildlich. Für den Rohrrahmen wurden doch wieder die ovalen Rohre verwendet, es gab ein Fünfgang-Getriebe (nicht immer, aber auch), hydraulische Bremsen und rundum Einzelradaufhängung. Überhaupt war das Fahrwerk ein Schmuckstück, Federung und Dämpfung lagen im gleichen Ölbad, waren weit innen angeordnet und über einen Hebel mit der Radaufhängung verbunden. Die Vorderradaufhängung stammte aus dem Fiat 1100, und hinten wurde eigentlich das gleiche Prinzip verbaut. So einen 208 S war etwa 3,68 Meter lang und nur 1,51 Meter breit; der Radstand beträgt 2,30 Meter.

Einer der berühmtesten Siata-Kunden war sicher Steve McQueen. Er hatte 1956 – die Produktion war schon zwei Jahre zuvor ausgelaufen – einen 53er 208S Spyder gekauft, mit einer Karosserie von Stabilimenti Farina (es dürfte eines der letzten Autos von Stabilimenti Farina gewesen sein, Anfang 1953 wurden die Tore geschlossen; Stabilimenti ist nicht zu verwechseln mit Pinin Farina). Leider versah «the King of Cool» ihn mit Ferrari-Emblemen versehen; er nannte seinen Siata dann auch seinen «kleinen Ferrari». Und schon 1958 verkaufte er ihn wieder. Genau dieses Fahrzeug, das wir oben zeigen, wurde vor einigen Jahren von RM Auctions für 946’000 Dollar versteigert, wurde damit zum bis dahin teuersten Siata überhaupt (obwohl es da beim Motor einige nicht ganz geklärte Fragen gibt) – bis im vergangenen Jahr, als dieses wunderbare Exemplar, eingekleidet von Motto, auf 1,65 Millionen Dollar kam.

Es heisst, dass 35 Spyder gebaut worden seien, die berühmtesten sind jene, die von (oder korrekter ausgedrückt: bei) Rocco Motto eingekleidet wurden. Vom 208CS soll es gar nur 24 Stück gegeben haben, mit Karosserien von Stabilimenti Farina, Bertone, Balbo, Vignale. Und alle, alle sind sehr begehrenswert. Auf www.zwischengas.com gibt es eine feine Story zu einem 208CS sowie eine Liste aller bekannten Exemplare. Die CS hatten auch eine anständige Sport-Karriere, schon 1952 nahmen gleich drei Exemplare an der Mille Miglia teil, es reichte für einen 11. Gesamtrang und einen Podestplatz in der Hubraumklasse bis 2 Liter.

Nach dem Aus für den 208 konzentrierte sich Siata wieder ganz auf Fiat-An- sowie Umbauteile. Schlagzeilen machte das kleine Unternehmen 1967 bis 1970 noch mit dem Modell Spring, einem kleinen Retro-Roadster auf Basis des Fiat 850, aber eher negative: in England wurde der «Frühling» als «Parodie eines MG TD» bezeichnet. 1970 gab Siata die Auto-Produktion auf.

Mehr schöne Exoten haben wir in unserem Archiv.

Der Beitrag Siata 208S/CS erschien zuerst auf radicalmag.