Test Infiniti QX30
Lost in Space
Erst kürzlich hatten wir im Rahmen der Berichterstattung zum neuen Infiniti Q60 zu schreiben gewusst, dass die Luxus-Tochter von Nissan beeindruckende Zuwachszahlen für Europa zu vermelden hat. Einverstanden, das Niveau bleibt weiterhin mehr als nur bescheiden, doch die Steigerung von 173 Prozent von 227 auf 619 verkaufte Automobile ist erfreulich für die Japaner – und ganz allein den neuen Modellen Q30 (350 Stück) sowie QX30 (72 Stück) geschuldet. Was doch unbedingt ein guter Grund ist für einen Test Infiniti QX30 (und wenn Sie sich fragen, weshalb wir das manchmal etwas komisch formulieren: wir versuchen, uns so einigermassen an die Regeln von Google zu halten, damit unsere Artikel auch «gefunden» werden.)
Wir haben es ja weiterhin nicht so sehr mit den SUV und Crossover, aber für so ein kompaktes Ding aus diesem boomenden Segment ist der QX30 ziemlich hübsch anzusehen. Gut, die Formen sind etwas ausufernd, eine schlichte Schönheit ist er nicht, da noch ein Schwung, dort noch ein Höcker, aber er wirkt sicher eleganter als seine vornehmlich deutschen Premium-Konkurrenten, die viel aggressiver gestylt sind. Design, man weiss es, man betont es bei Infiniti auch gerne, gehört zu den wichtigsten Kaufgründen, und eine schlechte Figur macht der Japaner auf der Strasse sicher nicht. Interessant ist in diesem Zusammenhang aber auch, wie unterschiedlich die Interpretationen eines Fahrzeug-Typs ausfallen können. Der Infiniti ist ja eigentlich ein Mercedes, basiert auf dem Frontantriebsbaukasten aus Stuttgart, ist also gleich wie die A- und die B-Klasse sowie CLA und GLA. Irgendwo dort, beim GLA, ist auch der QX30 anzusiedeln, doch rein optisch gleich sie sich (zumindest von aussen) gar nicht – und das ist gut so. «radical» gefällt der Infiniti deutlich besser als der platte Benz (der erst gerade aufgefrischt wurde), aber das ist selbstverständlich ganz subjektiv.
Im Innenraum sind die Gemeinsamkeiten der beiden Fahrzeuge sicht- und spürbarer. Doch auch wenn man manch ein Benz-Teil wiedererkennt – auch beim Interieur gefällt uns die Infiniti-Lösung eigentlich besser, die Gestaltung ist ruhiger, klarer, der Screen ist sauberer integriert, es gibt auch nicht diese eigenartige Bullaugen-Optik der Lüftungsdüsen. In Sachen Materialien und Verarbeitung ist der Japaner sicher auf dem gleichen Niveau wie der Schwabe, auch wenn das Leder vielleicht nicht ganz so zart und fein ist – aber dafür halt alltagstauglicher. Das ist bei den japanischen Herstellern so üblich, es geht da nicht nur um die reine Schönheit, sondern um die Nachhaltigkeit. Und die Möglichkeit, auch einmal eine verschüttete Cola aufputzen zu können. Ach ja, die Sitze sind gut, langstreckentauglich – etwas mehr Seitenhalt wäre aber nicht falsch. Hinten ist das Platzangebot nicht üppig, aber das ist in diesem Segment bei keinem Fahrzeug – die zusätzliche Höhe dieser Crossover/SUV sorgt ja nicht für bessere Platzverhältnisse, sondern schlicht und einfach nur für mehr Höhe. Die man auch spürt beim Beladen des Kofferraums, der mit einem Fassungsvermögen von 430 Litern zwar anständig gross ausfällt, aber halt auch nur über eine ordentliche Kante zugänglich ist. Und da wundern wir uns dann manchmal schon, weshalb sich so viele Menschen diese Bauart von Fahrzeugen antun – als wir kuerzlich 300 Kilo Bücher in den Kia Optima GT verladen haben, wussten wir dessen Kofferraum sehr zu schätzen.
Es war bei unserem Testwagen ja noch viel mehr Mercedes, nämlich der gesamte Antriebsstrang, also der 2,2-Liter mit seinen 170 PS und dem maximalen Drehmoment von 350 Nm, das zwischen 1400 und 3400/min zur Verfügung steht. Geschaltet wird über das ebenfalls bekannte 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe, das die souveräne Kraft des Selbstzünders an alle vier Räder verteilt. An dieser Motorisierung gibt es nichts zu mäkeln, es herrscht angenehme Ruhe, es werden gute Fahrleistungen geboten (0 auf 100 km/h in 8,5 Sekunden, 215 km/h Höchstgeschwindigkeit) – und auch der Verbrauch ist nicht ausufernd. Zwar «verspricht» Infiniti einen Normverbrauch von 4,9 Litern, doch der ist bei diesem über 1,6 Tonnen schweren Fahrzeug ins Reich der Phantasie zu verbannen, unter 6 Litern geht nur als Verkehrshindernis, rund um 7 ist Alltag. Das ist aber trotzdem ein guter Wert, da kann man dem QX30 nichts vorwerfen, das macht ja ein ähnlich motorisierter Tiguan im Test auch nicht besser.
Nichts zu bemängeln gibt es auch am Fahrverhalten. Die Abstimmung lässt trotz sehr gutem Komfort kaum Wankbewegungen zu, und das ist erfreulich, wenn man mal etwas flotter durch die Kurven eilen mag. Auch die elektronisch unterstützte Lenkung gefällt bei solchem Tun, das der Japaner gerne mitmacht, durch ihre Präzision. Das ist schon alles sehr gut gemacht, da bewegt sich der Infiniti absolut auf dem Niveau der hochgelobten deutschen Konkurrenten, auch die Langstrecken-Tauglichkeit ist vorbildlich, denn es herrscht eine vorbildliche Ruhe in diesem Wagen, der in England montiert wird.
Unser Testwagen, angeschrieben als Infiniti QX30 2.2d 7DCT AWD Premium Tech, kostet schon bestens ausgestattet 51’040 Franken. Dann kommen noch ein paar Gimmicks dazu, so dass am Schluss auf dem Preisblatt 56’690 Franken zusammenkamen. Nun, als Schnäppchen kann man das nicht bezeichnen, denn wir wollen nicht vergessen: es handelt sich beim 4,43 Meter langen Japaner um ein kompaktes Modell. Und im Vergleich mit dem baugleichen Mercedes GLA kann sich der Infiniti auch kaum Vorteile verschaffen, denn der ist als 4Matic ab 47’600 Franken zu haben; für 9000 Franken liegt da dann noch einiges an Sonderausstattung drin.
Und das ist wohl das Hauptproblem am Infiniti QX30 (und den anderen Infiniti-Modellen): er ist ein feiner Wagen – aber halt auch nicht besser oder aussergewöhnlicher oder irgendwie anders oder nur schon günstiger als die bekannten Kontrahenten. Es fehlt ihm aber das Image – und das wird sich dann wohl im Wiederverkaufswert niederschlagen. Und so bleibt als Fazit: es spricht eigentlich nichts gegen den Infinti QX30 – aber halt leider auch nicht viel dafür. Da müssen die Japaner schon noch einmal über die Bücher, intensiver nach Alleinstellungsmerkmalen forschen, vielleicht auch noch einmal über die Kooperation mit Mercedes nachdenken.
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