Test Citroën eMehari
summertime
So einiges beim Citroën eMehari hat noch Luft nach oben. Die Liste ist sogar ziemlich lang, wahrscheinlich ausführlicher als bei so ziemlich jedem Fahrzeug, das «radical» in den vergangenen Jahren im Test hatte. Bloss: es ist so ziemlich egal. Es ist der eMehari ein Automobil, das sich jeder Schubladisierung entzieht, in seiner ganz eigenen Sphäre fährt. Und dort gibt es wieder Spaltmasse noch Ergonomie, weder Bedienerfreundlichkeit noch den Sprint von 0 auf 100 km/h, nicht einmal ein sinnvolles Verhältnis von Preis und Leistung. Dort, wo der eMehari ist, scheint immer nur die Sonne.
Das darf man jetzt durchaus auch ganz wörtlich verstehen. Der Abbau aller Teile, die aus dem Citroën, der egentlich gar kein Citroën ist, auch ein wetterfestes Gerät machen, dauert etwa 15 Minuten (die Verarztung abgebrochener Nägel und eingeklemmter Finger unter Umständen noch länger); man darf annehmen, dass der Anbau bedeutend mehr Zeit in Anspruch nimmt, dies auch unter Verwendung sehr aussagekräftiger Worte. Wir haben es gar nicht erst probiert. Es ist auch nicht nötig, denn, eben: irgendwann scheint ja dann eh wieder die Sonne. Zudem ist der Franzose ja auch offen wasserfest.
Aber jetzt mal von vorn. 2015 zeigte Citroën die so wunderbare Studie Cactus M, die auf Basis des C4 Cactus einen ausgezeichneten Nachfolger des wahren Mehari abgegeben hätte. Es war aber damals schon klar, dass es diesen M nie geben würde, denn das Projekt eMehari war zu diesem Zeitpunkt schon weit fortgeschritten; mit der Studie musste einfach noch der Boden bereitet werden, das Publikum für das Thema Mehari sensibilisiert. Denn noch vor Weihnachten wurde dann der eMehari präsentiert – ein Elektroauto von Bolloré, das optisch an den Cactus M und überhaupt die neue Designsprache von Citroën angepasst wurde. Basis ist ein Fahrzeug, von dem in Paris schon ein paar Tausend Exemplare (mit Pininfarina-Design) in einem Car-Sharing-System durch die Strassen huschen.
Der Antrieb ist bekannt und bewährt, eine Lithium-Polymer-Akkumulatorenbatterie mit einer Leistung von 30 kWh soll in der Stadt eine Reichweite von bis 200 Kilometern schaffen. Oder ausserorts dann 100 Kilometer; nach unserem Test würden wir mal die 100 Kilometer als realistisch betrachten, wenn man nicht gerade ausschliesslich mit durchgedrücktem Pinsel über die Autobahn röstet (Höchstgeschwindigkeit etwa 115 km/h, nach GPS). Die Dauerleistung liegt bei 35 kW, die kurzfristige Höchstleistung bei 50 kW. Und eine volle Ladung am Haushaltsstrom braucht halt schon ihre 12 Stunden.
Das mit dem Strom ist so eine Sache. Da stellt man den Wagen also ab, dreht den Schlüssel, zieht ihn raus, zieht auch noch wie im Display angegeben die Handbremse. Da sollte man doch das Gefühl haben: alles richtig gemacht. Dem ist nun aber nicht so, der eMehari schläft dann nicht, sondern frisst weiter Strom – über Nacht sind es gut 20 Prozent. Also machten wir uns klug, fanden prompt auch ein winziges Schlüsselchen, das in ein Schloss gut versteckt so halb unter der Mittelkonsole passte; das wäre dann quasi der Hauptschalter. Allerdings funktionierte der bei unserem Testwagen nicht, drehte einfach ins Leere. Nun denn, muss man halt darauf achten, dass man ihn über Nacht immer schön brav anhängt, sonst hat man dann am Morgen ein Problem. Vielleicht schaltet er sich aber auch von selbst aus, wenn es dann knapp wird – dieser Versuch sei aber anderen überlassen.
Denn wenn er fährt, dann fährt der Wagen gut, man kommt flott voran, ist sicher kein Verkehrshindernis. Weil man ja quasi draussen sitzt, ist die Übersichtlichkeit des 3,81 Meter langen, 1,87 Meter breiten und stolze 1,65 Meter hohen Citroën vorbildlich; da räubert man dann auch mal durch Kurven und Kreisel, dass dem vorher dicht auffahrenden GTI schwindlig wird. Allzu grob sollten diese Abenteuer aber nicht ausfallen, die Seitenneigung ist gross – und weil man ja alles andere als tief unten sitzt, macht man sich bald einmal Sorgen, dass man auch rausfallen könnte. Wie überhaupt wohl das Thema Sicherheit nicht eines ist, dass man lang und breit diskutieren will: ja, ABS und ESP, aber das war es dann. Sprich: keine Airbags. Das geht auch nur deshalb, weil der eMehari als Kleinserie gilt. Auch fröhlich: das Parrot-System, das man sich ans Lenkrad klemmen kann und das dann quasi das iPhone (gibt es auch andere Geräte?) zur Infotainment-Anlage macht, inklusive Navi und Radio und überhaupt. Funktioniert bestens, auch wenn es zu Beginn etwas gewöhnungsbedürftig ist.
Aber es ist ja eh alles so ganz anders beim Citroën. Die Sitze sind nicht wasserfest, sondern auch von einer Farbigkeit, dass man sich durchaus fragen darf, ob das Designteam da vielleicht etwas mit magischen Pilzen hatte bei der Arbeit. Dafür ist die Sitzposition grossartig, zumindest für solch ein Fahrzeug: der Ellenbogen fällt noch quasi runter, man muss nicht den Arm heben wie bei anderen Autos. Hoch oben thront man – wahrscheinlich deshalb, damit das Publikum auch das Dauerlächeln der Insassen sehen kann. Denn nichts anderes hat man in diesem Wagen, dazu noch den Wind in den Haaren und die Sonne im Herzen. So offen wie der kleine Franzose ist derzeit kein anderes Auto auf dem Markt – und alle, die einen Air-Scarf brauchen oder nur schon ein Windschott, die sollen doch daheim bleiben. Mutti abzuholen, wenn sie sich grad die 200-Euro-Fönfrisur hat machen lassen, das sollte man allerdings unterlassen. Aber für Menschen, die den Star-Figaro besuchen, ist dieses Auto eh nichts.
Für wenn dann? Keine Ahnung. Wir stellen uns vor: St. Tropez, man hat da ein Häuschen, man geht einkaufen mit dem eMehari, abends vielleicht zum Weisswein (ohne Alkohol, selbstverständlich). Es scheint sowieso nur die Sonne, über Arbeit und solchen Unsinn braucht man sich auch keine Gedanken zu machen, und Sitze ertragen auch ein nasses Bikini. Und wenn man dann bei Sonnenaufgang wieder nach Hause kurvt, dann ist es auch egal, dass man auf dem Screen in der Mittelkonsole quasi nichts sieht, dass der verarbeitete Plastik sehr scharfkantig ist und der Zustieg zur hinteren Sitzreihe am einfachsten mit einer Kletterpartie zu bewältigen. Sieht ja dann aber auch cool aus. Die Alltagstauglichkeit des eMehari hält sich in eher engen Grenzen, doch manchmal geht es im Leben auch ganz einfach um ein gutes Gefühl. Freude. Ein Lächeln. Und davon vermittelt der Citroën mehr als reichlich – Alltag haben wir sonst schon genug. Ob man dafür nun aber 27’000 Franken (plus die Miete der Batterie) ausgeben will, das ist dann natürlich wieder eine andere Frage. Wir zeigen hier jetzt trotzdem noch ein paar Bilder aus dem eMehari-Alltag.
Mehr Citroën haben wir in unserem Archiv.
Der Beitrag Test Citroën eMehari erschien zuerst auf radicalmag.