FB Alfa Romeo Giulia
Gut. Gut. Gut.
Doch , das Warten hat sich gelohnt. Die neue Giulia von Alfa Romeo kommt zwar mit reichlich Verspätung, aber das will man ihr gerne nachsehen, denn sie kommt: gut.
Aber beginnen wir doch von vorne. Bisher hatten wir den Alfa ja nur unter künstlichem Licht gesehen. Bei Tage strahlt die Italienerin nun eine erfreuliche Ruhe aus, das Design macht sie nicht zum Mode-Püppchen, es sind Linien und Brüche und Harmonien, die sicher auch in zehn Jahren noch gefallen, dann, wenn wir dann bei den deutschen Premium-Herstellern die letzten drei Generationen nicht mehr voneinander unterscheiden können, bei Jaguar wahrscheinlich endgültig eingeschlafen sind und die Japaner beglückwünschen zu ihrer Origami-Faltkunst. Gut, die Front hat ein wenig etwas von einem Nasenbären nach einem Wandaufprall, ist nicht ganz so elegant, wie man sich eine Alfa Romeo wünscht, doch spielt halt auch der Gesetzgeber eine wichtige Rolle. Und der ist ja nicht als besonders kreativ bekannt. Immerhin: die Giulia ist klar und auf den ersten Blick als Alfa Romeo zu erkennen.
Es ist auch ein bulliger Auftritt, die lange Front und das kurze Stummelheck lassen die Italienerin grösser erscheinen als sie wirklich ist. Auf den ersten Blick erscheint sie wie eine 5er-Reihe von BMW, doch mit einer Länge von 4,64 Meter ist die Giulia nur gerade zwei Zentimeter grösser als eine 3er-Reihe von BMW (und fast 10 Zentimeter kürzer als ein Audi A4). Die hinteren Passagieren finden Raum vor, der in diesem Segment so üblich ist (also sicher nicht zu viel), der Kofferraum fasst 480 Liter und ist damit ebenfalls auf dem Niveau der Konkurrenz. Was man in früheren Jahren bei einem Alfa Romeo nicht immer als gegeben annehmen durfte. Nein, Optik und Platzangebot sind sicher keine Gründe, die gegen die Giulia sprechen.
Auch die Gestaltung des Innenraums ist gelungen. Während bei manchen Konkurrenten die grossen (Touch-)Screens teilweise aussehen, als habe man sie bei der Gestaltung vergessen und dann noch reingepappt, gefällt der Alfa mit einem Cockpit samt Screen aus einem Guss. Das läuft schön ineinander über und in die Breite, die Übersicht ist so gut wie die Bedienbarkeit. Und auch Sitze sowie Sitzposition sind lobenswert. Nicht ganz auf dem Niveau deutscher Hersteller sind gewisse Materialien, etwa der Plastik der Sitzverstellung, da merkt man schon, dass die Alfa-Mutter FCA wichtige Standbeine in den USA hat, wo man in diesem Bereich nicht ganz so heikel ist wie in Europa. Dafür gibt es wunderbare Farb/Material-Kombinationen, das ist dann nicht amerikanischer Pragmatismus, sondern die hohe Kunst des italienischen Chic. Beiges Leder mit relativ hellem Holz zu kombinieren, das wagen andere Hersteller nicht, doch dort tragen die Designer ja auch keine Brioni-Anzüge. Selbstverständlich kann Alfa auch alle Infotainment-, Connectivity- und Safety-Features anbieten, die heute anscheinend ein Muss sind, doch das entwickelt man ja auch nicht selber, sondern lässt es sich zuliefern.
Doch genug Vorspiel jetzt, bei einem Alfa Romeo zählt ja in erster Linie das Fahren. Und da erlebt man schon kurz nach dem Losfahren eine Überraschung: die Giulia ist erstaunlich komfortabel ausgelegt. Auf den Strassen nördlich von Turin, die nicht zu den besten der Welt gehören, bügelt der Alfa so ziemlich alles weg, was sich ihm in den Weg legt. Und obwohl sie erfreulich weich abrollt, die Giulia, ist sie deshalb noch lange kein Weichei: Wankbewegungen sind da nicht. Der Kompromiss zwischen Komfort und Sportlichkeit ist auf souveräne Art gelöst; die typisch deutsche Härte braucht man nicht zu vermissen. Der lange Radstand von 2,82 Metern sorgt bei hohen Geschwindigkeiten für die nötige Stabilität, die ausgewogene Gewichtsverteilung von 50:50 für ein dynamisches Fahrverhalten. Und ja, dynamiosch lässt sich der Hecktriebler fürwahr bewegen, die Lenkung ist zwar am Anfang etwas gewöhnungsbedürftig, aber bald schon freut man sich nur noch über das Direkte, Unverfälschte, das reine Fahrvergnügen, das man von einem Alfa gern erwartet.
Und das gilt auch für den 180-PS-Diesel, den wir über die Autobahn und auf den Berg bewegen durften. Knapp über 1500 Kilo sind es, die da bewegt werden müsen – damit ist die Giulia deutlich leichter als sämtliche Konkurrenten. Was sich ja dann wiederum auf die Dynamik auswirkt, im positiven Sinne. Zwar nagelt der komplett neu entwickelte 2-Liter auf den ersten Kilometer einigermassen deutlich, doch er baut schön Druck auf (maximales Drehmoment 450 Nm ab 1750/min), hat mit der 8-Gang-Automatik auch immer die richtige Fahrstufe bereit – und wedelt durch das Geläuf wie ein kleiner Sportwagen. Das ist zeimlich beeindruckend, auch da schenkt die Italienerin den Konkurrenten gar nichts, ist auf einer Stufe mit BMW und Mercedes (Audi zählen wir da nicht dazu, das sind Fronttriebler). Dass er dabei nur gerade 4,2 Literchen trinken will, gehört ins Reich der allerorts erzählten Märchen. Andererseits: Diesel konnten sie ja schon immer, die Italiener. Es gibt den Selbstzünder auch mit 150 PS und manuellem Getriebe – und dies in allen nur erdenklichen Kombinationen. Es sind auch diese Versionen, die zuerst auf den Markt kommen, ab 41’550 Franken.
Es kommen, später, Benziner mit 200 und 280 PS, es kommt auch Allradantrieb. Vielleicht kommt auch ein Kombi, nein: er muss. Und dann ist da ja noch der Quadrofoglio mit seinen 510 PS. Aber das ist dann eine andere Geschichte…
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