Seat Leon Cupra 290
Der Preis bleibt heiss
Der Seat Leon Cupra ist weit entfernt davon, alt und nicht wettbewerbsfähig zu sein. Besser noch: er ist noch viel weiter davon entfernt, kein Erfolg zu sein. Schließlich rollen schon über 1’200 Cupras der aktuellen Leon Generation Nummer drei auf unseren Straßen. Doch nicht nur bei seinen Käufern, sondern auch bei uns kommt der schärfste aller Spanier sehr gut an. Und genau darum sind wir jetzt etwas überrascht, dass Seat pünktlich zum 20. Geburtstag des sportlichen Cupra-Labels und anderthalb Jahre nach dem Leon Cupra Marktstart, mir nichts dir nichts aus dem 280er einen 290er gemacht hat. Und da sich sonst an dem iberischen Kompaktsportler nichts geändert hat, fragen wir uns, warum?
Die Kommunikationsabteilung beantwortet die Frage mit „weil wir den Markt beobachtet haben“, die Ingenieure sagen: „weil wir eine neue und leichtere Abgasanlage mit weniger Gegendruck entwickelt haben“ und die Applikateure grinsen „weil wir die Motorsteuerungssoftware weiterentwickelt haben“. Doch Hand auf’s Herz, auch der beste Autojournalist spürt keine zusätzlichen zehn Pferdestärke bei einem Auto, dass bei rund 1,5 Tonnen Lebendgewicht mit bisher 280 PS schon durchaus üppig motorisiert war. Und auch den angeblich sonoreren Motorensound haben wir nicht vernommen, da die Geräuschentwicklung im Innenraum dank Aktuator über die Lautsprecher weiterhin etwas arg künstlich ins Ohr dringt. Und sonst hat sich wirklich nichts geändert? Nein – nur unter der Cupra-Plakette auf der Heckklappe steht jetzt 290 statt 280.
Doch egal, 10 PS hin oder her, der Leon Cupra macht Dank adaptiver Dämpfer, fein regelnder Differenzialsperre sowie bärigen 350 Newtonmeter Drehmoment auch weiterhin mächtig Spaß – und hinter vorgehaltener Hand vernimmt man immer wieder die Aussage, dass der 2.0-Liter-TFSI-Motor sowieso schon immer ordentlich Richtung 300 PS gestreut habe. Also handelt es sich mit der Anhebung von 280 auf 290 spanische Hengste nur um eine Korrektur des Papierwertes an die Realität? Wir werden offiziell wohl nie eine Antwort auf diese Frage erhalten. Sei’s drum, Seat hat uns nach Barcelona gebeten, um den „Neuen“ auf seine fahrdynamischen Qualitäten erneut zu prüfen und nachdem wir das letzte Mal die Kombi-Variante gewählt hatten (die in der Schweiz immerhin von 57% der Cupra Käufer gewählt wird), schnappen wir uns dieses Mal den Fünftürer (der 35% des Schweizer Leon Cupra Kuchens ausmacht), aufgepeppt mit den klebrigen Michelin Sport Cup 2 Reifen und der dicken Brembo Bremsanlage aus dem Performance Paket für 2’750 Franken. Und da wir uns freuen, dass Seat neben dem Doppelkupplungsgetriebe auch weiterhin ein manuelles 6-Gang Getriebe anbietet, geben wir diesem natürlich den Vorzug, denn dann fühlt man sich bei einer freudigen Kurvenhatz einfach aktiver eingebunden ins Geschehen. Eine Einstellung, die wir übrigens mit 50% aller eidgenössischen Käufer dieser Cupra Variante teilen.
Die beste Sonderausstattung spült uns aber diesmal Kollege Zufall ins Auto: den amtierenden TCR-Weltmeister Stefano Comini. Der steht nämlich bei unserer Ankunft in Barcelona vor dem Terminal und raucht. Raucht? Yep, und auch sonst verkörpert Stefano nicht das vorherrschende Bild eines stromlinienförmigen Rennfahrers. Doch der 26-jährige hat in seinem Seat Leon Cup Racer die noch junge Tourenwagen Serie im vergangenen Jahr beeindruckend dominiert und teilt sich jetzt mit uns den Testwagen. Angesprochen auf seine sechs Siege und fünf Podest-Platzierungen blitzen seine Augen und ein breites Grinsen durchdringt seinen Bart. Ja, auf der Rennstrecke macht er keine Gefangenen, was regelmäßig zu Lackaustausch mit den Wettbewerbern und Strafen durch die Rennkommissare führt. Gesunder Egoismus und Siegeswille also, und Stefano unterstreicht „Das macht mir gar nichts und der Marcello Lotti (Anm. d. Red.: Geschäftsführer der TCR) schätzt mich genau dafür, denn ich sage, was ich denke. Das sorgt für breite Resonanz auch in den Medien und hilft der Serie. Nur in meiner Heimat bekommt das leider niemand mit“. Tja, da ist es wieder, das altbekannte Problem: die Schweiz und der Motorsport. Marcel Fässler, Neel Jani, Sébastien Buemi, Stefano Comini, alles begnadete Rennfahrer und von den Automobilherstellern hoch geschätzt, doch im eigenen Land von Medien und Sponsoren meist ignoriert.
Aber kommen wir lieber wieder zurück zum Leon Cupra 290 und der Tatsache, dass Seat für uns kurzerhand eine sechs Kilometer lange Bergstraße gesperrt, Streckenposten positioniert und Hinweisschilder zum Streckenverlauf aufgestellt hat. An der Startlinie wünscht man uns mit einem Count-down wie bei einer Rallye Wertungsprüfung viel Spaß und im Wechsel brennen wir die Strecke hoch und machen uns gegenseitig die Ansagen. Was ein Spaß! Wer will da von dem angeblich beobachteten Wettbewerb eigentlich mithalten? Die Renault Megané R.S. könnte, der Honda Civic Type R auch, ist jedoch schon sehr speziell im Design, dem Ford Focus ST fehlt es etwas an Dampf, der Ford Focus RS dagegen spielt schon wieder in einer anderen Liga und der von uns bereits gefahrene VW Golf GTI Clubsport darf nur temporär leistungsmäßig auf Augenhöhe mitspielen. Bleiben also noch die beiden anderen Konzernbrüder Golf R und Audi S3. Die sind dank Allradantrieb und deutschem Premiumaufschlag preislich aber schon wieder in einer ganz anderen Klasse unterwegs, ohne fahrdynamisch wirklich überlegen zu sein.
Es bleibt also bis zum Schluß die Frage nach dem Warum und ergänzend die Fragen: wieviel PS bekommt der Leon Cupra dann eigentlich erst beim demnächst anstehenden Facelift und wird es optional irgendwann einen Allradantrieb geben? Denn damit könnte der Verkaufserfolg in der Schweiz nochmals massiv gesteigert werden. Wobei sich auch die 10 Extrapferde wie ein Schnäppchen anhören, denn der Preis bleibt gleich: ab 37’950 Franken geht es beim Seat Leon Cupra SC Dreitürer los. Und wer jetzt die 265 PS Version vermisst, der hat Pech gehabt, denn mangels Nachfrage wurde diese Variante ersatzlos aus dem Schweizer Programm gestrichen.
Wir danken Axel Griesinger von bigblogg.com für diesen Text. Mehr Seat gibt es in unserem Archiv.
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