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Ferrari 275 GTB

Published in radical-mag.com

Einer von denen

Etwas despektierlich bezeichnete Faye Dunawaye in «The Thomas Crwon Affair» (1968) den Ferrari 275 GTB/4 Spyder NART von 1967/68 als «one of these red italian things». Nun ja, es entstanden gerade einmal zehn Stück dieses wirklich aussergewöhnlichen Sportwagens, den «Road & Track» als «the most satisfying sports car in the world» auszeichnete, und das Fahrzeug, vom dem Faye Dunawaye sprach, jenes mit der Chassisnummer 09437, war bei den 12 Stunden von Sebring 1968 auf den 2. Platz in seiner Klasse gefahren. Ihr Filmpartner Steve McQueen verliebte sich so sehr in den offenen Ferrari, dass er auch gleich selber einen kaufte, jenen mit der Chassisnummer 10453. Entstanden war der Spyder NART deshalb, weil der Besitzer des North American Racing Team (NART), Luigi Chinetti, nicht zufrieden war mit den «gewöhnlichen» 275 GTB/4, deshalb bei Scaglietti eine offene Version bestellte, dafür 8000 Dollar Aufpreis zahlte – und so einen unsterblichen Ferrari-Klassiker entstehen liess. Heute gibt es bedeutend mehr nachträgliche umgebaute 275 GTB/4 Spyder NART als echte, doch auch diese «Fälschungen» (wir zeigen unten eine…) kosten richtig viel Geld.

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Doch das ist eigentlich gar nicht die Geschichte, die wir hier erzählen wollen. Diese soll handeln vom ganz normalen 275 GTB, der 1964 als Nachfolger des 250 GT auf den Markt kam, und bis 1968 gebaut wurde. Es entstanden von den verschiedenen Versionen etwas über 750 Exemplare (inklusive der schon erwähnten 10 Spyder NART), dazu kamen noch 200 GTS, Cabrios mit einer komplett anderen Karosserie von Pininfarina. Offiziell heisst, es seien 970 Stück, doch der eine oder andere 275er wird doppelt geführt.

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Der 250 GT war 1953 auf den Markt gekommen und hatte für Ferrari den Aufbruch in eine neue Ära bedeutet. Die Italiener waren nicht mehr nur Hersteller von Rennwagen, von denen es auch einige wenige Strassen-Fahrzeuge gab, sondern verdienten ihr Geld ab Mitte der 50er Jahre hauptsächlich mit diesen Sportwagen, die durchaus auch renntauglich waren, aber vor allem auf den öffentlichen Strassen einen guten Eindruck machten. Doch Anfang der 60er Jahre waren die Möglichkeiten, den 250 noch weiter zu entwickeln, endgütig erschöpft, es musste ein Nachfolger her.

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Die grösste technische Neuerung am 275 war sicher die hintere Einzelradaufhängung, die erstmals bei einem Strassen-Ferrari zum Einsatz kam. Überhaupt war die Hinterachse sehr fortschrittlich (was bei Ferrari in jenen Jahren nicht immer der Fall war), sie enthielt neben dem 5-Gang-Getriebe (Transaxle-Bauweise, also: Motor vorne, Getriebe hinten) auch gleich noch das Differential, was zu einer hervorragenden Gewichtsverteilung und damit auch zu einem ausgezeichneten Fahrverhalten führte. Der (Leiter-)Rahmen war zwar neu, mit einem Radstand von 2,4 Metern, doch er bestand wie beim 250er immer noch aus einer komplizierten Kombination von ovalen und rechteckigen Rohren.

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Unter der Haube arbeitete immer noch der «alte» V12, den Gioacchino Colombo nach dem 2. Weltkrieg konstruiert hatte, ursprünglich mit gerade einmal 1,5 Liter Hubraum. Für den 275er wurde der Hubraum auf 3,3 Liter erweitert, deshalb ja auch die Bezeichnung 275; einst hatten die meisten Ferrari diese Namen, Hubraum geteilt durch Zylinderanzahl, wobei: der genaue Hubraum betrug 3286 ccm, der Hub verblieb bei 58,8 Millimeter, die Bohrung wuchs aber auf 77 Millimeter. Es gab eine Version mit drei Vergasern und 280 PS sowie eine Variante mit sechs Webern und mindestens 320 PS. Die stärkere Variante kam auf eine Höchstgeschwindigkeit von etwa 260 km/h. Ende 1966 kam eine neue Variante auf den Markt, 275 GTB/4 genannt, die dann mit zwei Nockenwellen pro Zylinderbank aufgerüstet wurde; davon gab es dann nur noch eine Version mit 300 PS (weiterhin mit sechs Weber-Vergasern – und einer Trockensumpfschmierung mit 16 Liter Ölinhalt). Die dann fast 270 km/h schnell war. Die 275 GTB/4 waren auch die ersten Ferrari, die serienmässig mit Alu-Felgen ausgestattet wurden, die ersten 275er hatten noch die Speichenräder. Es war dies übrigens der letzte Auftritt des legendären «Colombo»-Motors, danach kamen die «Lampredi»-Maschinen zum Einsatz.

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Das Design stammte von Pininfarina, gebaut wurde der 275er aber bei Scaglietti. Sergio Pininfarina sah im 275 GTB eine Weiterentwicklung des 250 GTO, aber da schaute er wohl auf ein anderes Modell; doch mit dem 275 GTB hatte er, weit mehr als mit dem baugleichen 275 GTS, eine weitere Legende geschaffen. Die ersten wohl 250 Exemplare hatten eine kurze Nase, die schon 1965 durch eine deutlich verlängerte Front ersetzt wurde, die den Wagen deutlich eleganter machte.

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Die Aussenhaut bestand aus Aluminium, doch auch da gab es Unterschiede. 1965 hatte Ferrari vier Exemplare mit der Bezeichnung 275 GTB/C gebaut, wobei das «C» für Competizione stand. Diese Wagen waren leichter – und mit dem Motor aus dem Ferrari 250 LM (ein Rennwagen, auch 3,3 Liter Hubraum, aber mindestens 320 PS – vom 250 LM wurden 32 Stück gebaut) ausgestattet. 1966 liess der damalige Renn-Ingenieur Mauro Foghieri noch einmal ein Dutzend GTB/C bauen, deren Alu-Haut aber so dünn war, dass sie teilweise mit Fiberglass verstärkt werden musste (es heisst, dass der Fahrtwind bei den ersten Exemplaren Beulen verursachte). Weil Foghieri auch sonst überall sparte, wurden diese 275 GTB/C stolze 150 Kilo leichter; mindestens zwei davon wurden als Strassen-Fahrzeuge verkauft. Auf der Rennstrecke reichte es den 275ern aber nur zu Klassensiegen, und auch das nicht besonders häufig – Ferrari war endgültig als Sportwagen-Hersteller etabliert.

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Die 275 GTB wurden früher von den Sammlern einigermassen stiefmütterlich behandelt, bis etwa zur Jahrtausendwende waren auch gute Exemplare für einen tiefen sechsstelligen Betrag erhältlich. Doch in den vergangenen Jahren haben die Preise extrem angezogen, längst ist mindestens eine Million fällig, für besonders feine Stücke wurden auch schon zwei Millionen Dollar bezahlt.

Mehr Ferrari gibt es in unserem Archiv.

Der Beitrag Ferrari 275 GTB erschien zuerst auf radicalmag.