Drehzahl ist besser als Druck: Mit seinem wütenden Sauger gibt der 911 GT3 den letzten Porsche für Puristen
Es braucht nur einen Gasstoß, dann pfeift auch der stärkste Turbo aus dem letzten Loch. Denn sobald man im neuen Porsche 911 GT3 mal das Pedal ans Bodenblech geheftet hat, will man vom Lader nichts mehr wissen. Schon möglich, dass die schnellen Schwaben mit dem Facelift für den Elfer den Turbo auch in der Mutter aller Sportwagen auf breiter Front salonfähig gemacht haben. Und nüchtern betrachtet gibt es nichts, was man den neuen Motoren vorwerfen könnte. Aber wer die Welt nüchtern betrachtet, der fährt einen Skoda und keinen Sportwagen. Und alle anderen werden sich den Reizen nicht verschließen können, mit denen der letzte Sauger in der Baureihe für sich wirbt – selbst wenn Porsche für dieses Vergnügen stolze 152 416 Euro verlangt.
Natürlich sind die „echten“ Turbos des Elfers stärker und der GTS zum Beispiel deutlich billiger – aber keine andere Variante in der Modellreihe ist so lebendig und lustvoll wie der GT3 – nicht umsonst dreht der auf 4,0 Liter aufgebohrte Sechszylinder im Ernstfall mit mehr als 8 000 Touren und hängt so gierig am Gas, als gäbe es kein Morgen mehr. Entsprechend engagiert geht es in diesem Elfer zur Sache: 500 PS und 460 Nm, das reicht im besten Fall, um in 3,4 Sekunden von 0 auf 100 zu stürmen, nach 7,3 Sekunden steht die Tachonadel bei 160 km/h und wer dann den Fuß auf dem Gas lässt, der kommt je nach Getriebe auf bis zu 320 km/h.
Aber es ist nicht die Geschwindigkeit allein, die diesen Elfer zum schärfsten Spross der Familie macht. Selbst wenn es einen beim Kickdown noch sie tief in die Sitze saugt. Sondern es ist vor allem die Leichtigkeit, mit der er diese Leistung aus dem Ärmel schüttelt, es ist die Lust am Spiel mit der Drehorgel und es ist das Fahrverhalten, das narrensicher ist und einen trotzdem narrisch macht. Denn wenn die Gänge mit der Wucht von Hammerschlägen ins Getriebe knallen, wenn die Drehzahlkurve Sprünge macht wie die Pulsrate nach den Stromstößen des Defibrillators und sich die wuchtigen Walzen auf der Hinterachse in den Asphalt krallen, dann hat die Physik plötzlich Pause. Stattdessen fährt man schneller und immer schneller um die Kurven, bremst später, beschleunigt früher und zieht den Radius enger und immer enger. Fliehkraft? Welche Fliehkraft? In einem 911 GT3 RS kommt einem das wie eine Fabel vor, nicht wie eine Formel.
Die Treue zu dem nahezu unverändert aus den Cup-Rennwagen übernommenen Sauger ist allerdings nicht der einzige Tribut, den Porsche den Puristen zollt. Sondern wer der reinen Lehre anhängt und sich möglichst wenig von der Elektronik reinreden lassen will, der bekommt den GT3 nicht nur mit Doppelkupplungsautomatik, sondern auf besonderen Wunsch auch mit einem besonders knackigen Handschaltgetriebe, das sich den albernen siebten Gang aus den Grundmodellen kurzerhand gespart hat.
Wie immer als Kämpfer kostümiert mit dicken Backen und großem Karbonflügel, tritt der GT3 als puristischer Sportwagen auf, der sich auf der Strecke genauso behaupten möchte wie auf der Straße. Deshalb drücken die Schwaben das Gewicht mit Leichtbauteilen für Bug und Heck, mit reichlich Karbon und Magnesium und dem Verzicht auf eine Rückbank auf 1 430 Kilo und sie montieren erstmals die mitlenkende Hinterachse, die in Kurven entscheidende Zehntelsekunden bringt. Dazu noch eine Hinterachs-Quersperre, dynamische Motorlager und ein Fahrwerk, das knapp drei Zentimeter tiefer liegt als bei den anderen Modellen – fertig ist der neue König der Nordschleife.
Allerdings darf man sich von weder von der konservativen Konstruktion des Antriebs täuschen lassen, noch von vermeintlich puristischen Details wie den Schlaufen, mit denen man die Türen zuzieht. Denn auch wenn Porsche ebenso wirkungsvoll wie effekthascherisch ein paar Kilo gespart hat, ist der GT3 natürlich trotzdem kein radikales Auto. Sondern die Ausstattung ist natürlich so üppig, dass man die Sitzhöhe elektrisch verstellen und den Innenraum natürlich komfortabel klimatisieren kann. Und die Abstimmung ist so, dass man nicht nur über die Rennstrecke, sondern auch zum Einkaufen oder gar ins Büro damit fahren kann.
Trotzdem ist der Gt3 ein Porsche der reinen Lehre – und womöglich auch ein Relikt aus deiner zu Ende gehenden Zeit. Denn keinen Hehl daraus, dass die Zukunft allein dem Lader gehört und wir uns womöglich auch im Elfer obendrein bald an das Surren von Elektromotoren gewöhnen müssen. Doch vorher schlachten die Schwaben den womöglich letzten Sauger in einer Straßenversion des Elfers noch einmal richtig aus. Denn kaum rollt der 911 GT3 zu den Händlern, tauchen plötzlich rund um Weissach und an der nordschleife die ersten Prototypen des nächsten GT3 RS auf. Einer, so die Botschaft der Entwickler, geht noch!