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Sportler im Smoking: In diesen Porsche kriegen auch die coolsten Chefs Fracksausen

Published in motosound.de

Die Zeiten, in denen Porsche mal eine reine Sportwagenfirma war, sind schon lange vorbei. Denn spätestens als die Schwaben vor 14 Jahren den Cayenne gebracht haben, sind sie in den Augen vieler Kritiker von Pfad der Tugend abgewichen. Und als dann 2009 der Panamera kam, hat das die Sache kaum besser gemacht. Für die Idee, eine Luxuslimousine mit einem Sportwagen zu kombinieren, sind wir damals ziemlich ausgelacht worden, räumt der neue Porsche-Chef Oliver Blume ein. Doch nach 150 000 Autos und weltweiter Anerkennung ist Konkurrenten und Kritikern das Lachen vergangen, und jetzt könnte es ihnen sogar im Halse stecken bleiben. Denn wenn im November zu Preisen ab 113 027 Euro die zweite Generation des Gran Tourismo an den Start geht, dann wird ausgerechnet der vermeintliche Sündenfall zu einem Vorzeige-Porsche, mit dem die Schwaben zu den alten Tugenden zurückfinden und zugleich neue Maßstäbe setzen.

Die alten Tugenden, das sind vor allem das Design und das Fahrverhalten. Der neue Panamera büsst deshalb seinen hässlichen Buckel ein, wird schlanker und schärfer und sieht insgesamt ein bisschen mehr nach Elfer aus. Und vor allem soll er jetzt auch so fahren na ja, so nah ein fünf Meter langer Zweitonner der Sportwagenikone fahrdynamisch halt kommen kann.

Die neuen Tugenden dagegen sind eine ungeahnte Intelligenz und Assistenz und vor allem ein faszinierendes Infotainmentsystem, das den Panamera auch auf der Datenautobahn in die Pole Position bringt. Denn nicht einmal im viel gelobten Tesla macht das Gefummel auf dem riesigen Touchscreen so viel Spaß, wie auf der digitalen Spielwiese des Panamera. Schließlich gibt es dort nicht nur ein 12,2 Zoll großes Cinemascope-Display neben dem Lenkrad und ein zweites Tablet vor den Rücksitzen, mit denen man per Fingerstreich sogar die Position der Lüfterdüsen verstellen kann. Sondern es gibt auch sensitive Konsolen, in denen ganz unauffällig ein paar Dutzend Schalter eingelassen sind. Obwohl nicht zu sehen, sind sie um so besser zu fühlen. Denn zur Bestätigung hört man einen leisen Klick und spürt ein sanftes Wippen. So klappt die Bedienung auch dann, wenn man sich doch einmal losreißt von der schönen neuen Welt des Porsche Advanced Cockpits und irgendwann tatsächlich ans Fahren denkt.

Hier Sportwagen, da Hightech-Limousine. Während man spürbar gewachsenen Fond nur wenig mitbekommt von diesen Kampf der Kontraste, prallen diese zwei Welten hinter dem Lenkrad brutal zusammen. Denn tief unten auf der Straße und eingefasst von den ziemlich eng ausgeschnittenen Sitzen fühlt man sich im Panamera tatsächlich ein Bisschen wie im Elfer. Und zugleich hat man angesichts des digitalen Geflimmers den Eindruck, man sei nicht Renn- sondern Raumfahrer und fliege in der Enterprise.

Aber man muss nur einmal aufs Gas treten, dann ist man wieder im Hier und Heute der Porsche Welt. Man spürt, wie sich unter dem Smoking die Muskeln spannen und erlebt, was Porsche unter Fracksausen versteht. Erst recht, wenn man im neuen Turbo unterwegs ist. Mit 550 PS und 770 Nm ist er der stärkste von zunächst drei Motoren, zu denen auch ein neuer V6 mit 2,9 Litern Hubraum und 440 PS im Panamera 4S und der V8-TDI aus dem Audi SQ7 mit jetzt 422 PS zählen.

Schon der Diesel erreicht 285 km/h und feiert sich als schnellster Selbstzünder aus Serienproduktion. Aber der vier Liter große V8 im Turbo hat noch mehr Dampf. Mit dem ungewöhnlich popeligen Charakterregler am Lenkrad scharf gestellt und dem Sport Response Button gar vollends entfesselt, schießt er in 3,6 Sekunden von 0 auf 100 und stürmt danach weiter auf bis zu 306 km/h. Dabei verbeißt er sich mit seinem Allradantrieb so fest in der Fahrbahn, dass er einem Sportwagen näher kommt als jede andere Luxuslimousine. Wer das nicht glaubt, dem reibt Porsche-Chef Blume die Nordschleifen-Zeit unter die Nase: 7:38 Minuten – damit liegt der neue Panamera auf dem Niveau des letzten 911 GT3

Aber der Panamera kann auch anders. Sobald man den Fuß leicht macht und die Hand am Lenkrad lockert, wird er zu einem großen Cruiser, der ungewöhnlich lässig auf die Langstrecke geht. Für einen Sportwagen mit 550 PS ist er dabei ziemlich dezent und komfortabel taugt deshalb auch zum Kilometerfresser für die Vielfahrer unter den Großverdienern.

Und Großverdiener muss man schon sein, wenn man eine Panamera fahren möchte. Zwar sollen weitere Motorvarianten wie gleich zwei Plug-In-Hybriden nicht nur das Gewissen beruhigen. Sondern mit einem weiteren V6 und den Hecktrieblern dürfte auch der Preis unter 100 000 Euro fallen. Doch die Serienausstattung ist schwäbisch sparsam und Aufpreisliste lang, so dass für Banalitäten wie Leder, Sound und Streckenführung schnell noch mal ein paar Zehntausender zusammen kommen.

Bei  Studium der Preisliste findet man allerdings auch ein paar neue Extras, die es so bei Porsche noch nicht gegeben hat. So überraschen die Schwaben mit einem Nachtsichtsystem und einem InnoDrive, der mit Hilfe der Navigationsdaten drei Kilometer vorausschaut und das Tempo so regelt, dass der Panamera am effizientesten unterwegs ist. Zusammen mit den neuen Motoren und dem höheren Aluminium-Anteil in der leichteren Karosserie ist auch er ein Grund dafür, dass Porsche zum Teil über einen Liter Verbrauchsvorteil für die zweite Auflage reklamiert.

Sportlicher als je zuvor, endlich halbwegs ansehnlich gezeichnet, trotzdem komfortabler und dazu noch innovativ ausgestattet und mit spürbar sparsameren Motoren angetrieben – eigentlich macht es Porsche mit dem neuen Panamera jetzt allen recht. Doch der nächste Knatsch ist schon vorprogrammiert. Denn nach dem Vorbild der Sport Turismo-Studie von 2012 wird es bei Porsche bald auch noch den ersten Kombi geben. Da kann man die Kritiker doch schon jetzt wieder schreien hören.