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Renner der Rekorde: So wird der neue Bugatti Chiron zum ultimativen Überflieger

Published in motosound.de

Den La Ferrari kann man vergessen, der Porsche 918 kann einpacken und selbst der McLaren P1 sieht plötzlich ziemlich alt aus. Denn wenn Bugatti jetzt das Tuch vom Chiron zieht, gerät das gerade mühsam wieder zurecht gerüttelte Koordinatensystem der PS-Welt einmal mehr durcheinander: 1500 PS, 1600 Nm a und ein Spitzentempo von 420 km/h machen das Coupé zum ultimativen Überflieger, der jeden anderen Sportwagen zum Spielzeugauto stempelt.

Aber weniger wäre des Nachfolgers des Veyron auch nicht würdig gewesen, sagt Firmenchef Wolfgang Dürheimer und spricht vom wahrscheinlich kürzesten Lastenheft der jüngeren Automobilgeschichte. Denn statt einen langen Forderungskatalog aufzustellen, hat er nur einen Satz hinein geschrieben: „Wir machen das Beste spürbar besser und bauen den leistungsstärksten, schnellsten, luxuriösesten und exklusivsten Serien-Supersportwagen der Welt.“

Am Grundrezept hat Bugatti beim Wechsel vom Veyron auf den Chiron nicht viel geändert. Es bleibt beim Carbon-Monocoque mit Aluminiumanbau, mit dem die Entwickler das Gewicht unter zwei Tonnen halten. Im Heck steckt nach wie vor der vierfach aufgeladene 16-Zylinder mit acht Litern Hubraum, und die Kraft wird wie bisher mit einer siebenstufigen Doppelkupplung sortiert und über alle vier Räder, nein: Walzen, auf die Straße gebracht. Doch haben die Ingenieure in Molsheim an jeder Stellschraube noch einmal gedreht und so die Leistung um 20 Prozent gesteigert, den cW-Wert gedrückt und das Tempo angehoben.

Seine Spitzenposition nimmt der Chiron allerdings nicht nur bei den Fahrleistungen ein, sondern auch beim Preis: Mit 2,86 Millionen Euro wird der stärkste und schnellste auch zum teuersten Sportwagen der Welt. Und trotzdem hat Dürheimer schon von 120 Kunden eine Anzahlung kassiert und war deshalb offenbar gut beraten, die Produktion des Coupés gegenüber dem Veyron von 300 auf 500 Exemplare aufzustocken – den sicher längst geplanten Roadster noch nicht mitgerechnet.

Zwar will auch der Chiron der ultimative Gran Turismo bleiben, mit dem man vor der Oper genauso gut aufgehoben ist wie auf der Autobahn, einer sanft geschwungenen Küstenstraße oder eine Rennstrecke. Nicht umsonst wahrt er bei aller Brutalität ein Hauch jener Eleganz, die Bugattis wie den Altlantic zur Legende gemacht haben. Und nicht ohne Grund zelebriert er auch im spürbar entschlackten Innenraum wieder eine Orgie aus Lack und Leder und umschmeichelt die reichen Raser mit einem bei Sportwagen ungeahnten Luxus bis hin zum Soundsystem mit Diamantenstaub auf den Lautsprecher-Membranen und einem Markenlogo aus massivem Silber.

Doch hat nicht nur Designchef Achim Anscheidt zum Beispiel mit dem messerscharfen Blick der schmalsten LED-Scheinwerfer der Welt oder dem martialischen Heck mit seinem 1,60 Meter breiten LED-Schwert an stelle der Rücklichter das Biest im Bugatti betont. Sondern auch der technische Projektleiter Willi Netuschil hat dem Wagen noch mehr Dramatik einprogrammiert. So gibt es nun wie bei jedem schnöden VW verschiedene Fahrprofile, mit denen man mit einem Dreh am Lenkradschalter die Motorsteuerung, die Strategie der siebenstufigen Doppelkupplung, die Kraftverteilung des Allradantriebs, das Stabilitätsprogramm und das neuerdings adaptive Fahrwerk variieren kann. Wem es nicht reicht, dass er in weniger als 2,5 Sekunden von 0 auf 100 , in unter 6,5 Sekunden auf 200 km/h und in nicht einmal 14 Sekunden auf 300 km/h beschleunigen kann und wem ein Spitzentempo von 420 km/h nicht Nervenkitzel genug sind, der kann deshalb auf Knopfdruck mit einem Bugatti sogar driften.

Größer als die Faszination für die Fahrleistungen ist aber womöglich die Überraschung, dass Bugatti den Chiron überhaupt noch bringt. Denn erstens war der Vorgänger angeblich ein Millionengrab und zweitens haben viele spätestens nach der Abgas-Affäre befürchtet, dass der Bolide beim großen Aufräumen in Wolfsburg begraben wird. Diese Angst gab es auch in Molsheim, muss Dürheimer einräumen. Aber sie war offenbar unbegründet. Als das Dieselgate publik wurde, war der Chiron auf der Zielgeraden, das Entwicklungsbudget weitgehend ausgegeben und die ersten Kunden hatten bereits ihre Anzahlungen geleistet. Da zieht niemand mehr die Reißleine. Erst recht nicht, wenn es diesmal nicht nur uns Prestige geht, sondern auch um den Profit. Denn Dürheimer ist mit dem Chiron nicht nur angetreten, „um das spektakulärste Auto der Welt zu bauen, sondern auch um damit Geld zu verdienen.“