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Ende Gelände: Nach 68 Jahren ist für den Land Rover Defender jetzt tatsächlich Schluss

Published in motosound.de

Jetzt ist es also doch so weit. Zwar haben die Fans bis zuletzt gehofft und immer wieder hat Land Rover es hinaus gezögert. Doch an diesem Freitag ist im Stammwerk Solihull tatsächlich der endgültig ultimativ allerletzte Defender vom Band gelaufen. Mit diesem Wage Nummer 2016933 fällt einer der letzten Dinosaurier in der PS-Welt der Evolution und den Brüsseler Normen für Crashsicherheit und Emissionen zum Opfer und es geht eine Geschichte zu Ende, die 1948 begonnen hat und seit dem ohne Unterbrechung fast 70 Jahre lang fortgeschrieben wurde. Da ist es nur ein schwacher Trost, dass Markenchef Nick Rogers die Trauer im Vereinigten Königreich, im Dschungel und in der Wüste, mit ein bisschen Hoffnung mildert: Schließlich entwickelt sein Team mit Hochdruck einen Nachfolger, sagt er wie zum Trost. Doch auch wenn Rogers das als einen „Traum für jeden Ingenieur und jeden Designer“ bezeichnet, ist die Enttäuschung bereits vorprogrammiert. Erstens, weil es nach Informationen aus Unternehmenskreisen noch mindestens zwei Jahre bis zur Premiere dauern wird und so die erste Lieferpause in der Geschichte des Defender entsteht. Und zweitens, weil die Briten ein komplett neues Auto entwickeln, das mit dem Original womöglich nur noch den Namen und vielleicht die Silhouette gemein hat.

Das war in den letzten 70 Jahren anders. Zwar hat der aktuelle Defender anders als die so genannte Serie 1 von 1948 keinen 1,6-Liter mit 50 PS mehr, sondern einen 2,2-Liter mit 122 PS. Und es gibt sogar moderne Errungenschaften wie elektrische Fensterheber, eine Klimaanlage oder ein Navigationssystem. Doch neben der Grundform und dem unverwüstlichen Charakter haben sich sogar noch zwei Bauteile von der ersten bis in die letzte Serie gerettet: eine Verdeckklemme und eine Unterbodenstrebe.

Wie so viele Modelle jener Zeit war auch der Land Rover aus der Not geboren: Sein Vater war Maurice Wilks, der Bruder des Rover-Chefs Spencer Wilks. Um die Exportquote zu erhöhen, Devisen einzunehmen und so bei der Rohstoffzuteilung in den Nachkriegsjahren etwas besser abzuschneiden, war er auf der Suche nach einem Wagen, der sich in alle Welt verkaufen ließ – und kam dabei auf ein landwirtschaftliches Nutzfahrzeug: „Ein Rover für den Farmer, mit dem man überall hinkommt und alles machen kann, einen universellen Land Rover“, hatte er im Sinn, als er 1947 rund um das Strandhaus der Familie in Anglesey mit den ersten Testfahrten begann und zuvor eine Konstruktionsskizze in den Sand zeichnete.

Diese Konstruktion hätte einfacher kaum sein können: Zwei starre Achsen, ein Vierzylinder aus dem Rover-Regal, der Allradantrieb mit entkoppelbarer Vorderachse und eine unverwüstliche Karosserie, die ohne teure Werkzeuge aus Alublechen gedengelt wurde – mehr brauchte es nicht, um die Welt im Kriechgang zu erobern. Und das kann man durchaus wörtlich nehmen. Denn weil alles, was man nicht einbaut auch nicht kaputt gehen kann, ist der Land Rover das vielleicht spartanischste Auto der Welt. Gefederte Sitze, ein festes Dach oder eine Kurbel für die Seitenfenster – all das war für die Gebrüder Wilks lästiger Luxus, den sie sich kurzerhand gespart haben.

Das Rezept ging auf und der Landy wird aus dem Stand zu einem Exportschlager: Schon nach zwei Jahren wird er in 70 Ländern verkauft und heute sind es über 160. Neben Bauern und Buschdoktoren kommen auch Militärs und Monarchen auf den Geschmack und der Matschpilot von der Insel wird weltweit zum Inbegriff des Geländewagens. Allenfalls der Toyota Land-Cruiser, der Mercedes G und der Jeep Wrangler können da noch mithalten. Und vor allem ebnet er den Weg für Modelle wie den Range Rover oder den Evoque, mit denen Land Rover heute wieder ähnlich gute Geschäfte macht.

Firmenchef Dr. Ralf Speth lässt deshalb beim Abschied auch nichts auf den über zwei Millionen mal gebaute Veteranen kommen: „Wir würdigen heute die Arbeit von Generationen Frauen und Männern, die Großes geleistet haben, seit die Umrisse des ersten Land Rover in den Sand gezeichnet wurden. Die Vorläufer des heutigen Defender, die Series-Modelle, schufen das Fundament jener außergewöhnlichen Fähigkeiten, für die Land Rover legendär ist.“

Dass der Defender überhaupt so lange laufen würde, damit hatte ohnehin keiner gerechnet. Denn immer wieder haben die Briten das Auto totgesagt und ihm dann noch eine Gnadenfrist eingeräumt. Das Ende fußt deshalb auch nicht auf mangelndem Interesse, denn spätestens seit die Restlaufzeit absehbar war, sind die Verkäufe sogar noch einmal nach oben geschossen, berichten die Briten. Doch Emissionsgrenzen und Crashnormen waren für die betagte Konstruktion einfach nicht mehr zu erfüllen, lautet die letale Diagnose von Konstrukteuren und Controllern.

Zwar fährt der Defender mittlerweile tatsächlich in jedem Winkel der Welt. Doch sein Erfolg ist auch ein bisschen den Deutschen zu verdanken, sagt Pressesprecher Mayk Wienkötter und nennt Deutschland nach Großbritannien den größten Markt für den Defender.“ Dabei ist der kantige Charakterkopf allerdings längst vom Arbeitstier zum Lifestyle-Objekt geworden und deshalb in Berlin so gegenwärtig wie in Burma und in Stuttgart genauso zu Hause wie in der Sahara. Nichts zeigt diese Entwicklung besser als der Preis, den das Auktionshaus Bonham’s im letzten Herbst für das zweimillionste Exemplar erlöst hat: Mit 400 000 Pfund hat es fast 1000 mal mehr gekostet als das Urmodell, das 1948 für 450 Pfund verkauft wurde.

Mit dem Defender stirbt nicht nur eine Legende. Sondern im Stammwerk Solihull geht ebenfalls eine Ära zu Ende. Denn während rings herum in der Fertigung von Jaguar XE oder Range Rover längst Roboter den Ton angeben, wurde der Defender noch vergleichsweise anachronistisch produziert: Produktionschef Greg Nibblet nennt ihn deshalb ein Puzzle aus 8 953 Teilen, das in 4 190 Monategeschritten und 56 Mannstunden zu einem Auto wird. Dabei kommen auf 500 Mitarbeiter pro Schicht gerade einmal sechs Roboter, während es zum Beispiel beim Range Rover mehr als 300 sind. Kein Wunder, dass etwa ein Discovery Sport acht Stunden schneller vom Band läuft.

Viele der Mitarbeiter werden jetzt umschulen, müssen lernen Roboter zu bedienen oder mit dem Defender in den Ruhestand gehen. Doch eine kleine Schar von Spezialisten hält dem Dinosaurier die Treue. Denn pünktlich zum Produktionsende starten die Briten ein Heritage-Programm, in dem erfahrene Werker in der ursprünglichen Fertigungshalle zurückgekaufte Klassiker und Kundenfahrzeuge aufarbeiten werden. Spätestens ab Juli gibt es dann in Solihull doch wieder fabrikneue Oldtimer zu kaufen, stellt das Unternehmen in Aussicht. Dann ist im Prinzip wieder fast alles, wie es immer war in den letzten 68 Jahren.

Angst, dass ihnen der Nachschub ausgeht, muss die Heritage-Mannschaft dabei nicht haben: 75 Prozent aller Defender sind noch immer im Einsatz.