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Lieber Platz als Prestige: Der Suzuki Baleno ist ein Polo für Preisfüchse

Published in motosound.de

Audi A1, DS3 oder Mini – modische Kleinwagen gibt es schon genug. Und welche, die wie VW Polo oder Opel Corsa plötzlich auf premium machen auch. Suzuki schwimmt deshalb gegen den Strom und bringt im Frühjahr einen betont bodenständigen Stadtflitzer an den Start: Den neuen Baleno. Exakt vier Meter lang und wohl um die 12 500 Euro teuer, gibt er den großer Bruder des Swift und will all jene Kunden bei der Marke halten, die mehr Platz aber nicht gleich ein SUV haben wollen.

Dabei knabbert er trotz der Abmessungen von Polo & Co sogar ein bisschen an der Kompaktklasse. Denn so handlich das Auto ist und so sehr die Japaner mit Verkehrsfläche gegeizt haben, so viel Platz bietet er innen: Der Abstand zwischen den beiden Sitzreihen ist der größte in der Klasse und reicht im Fond selbst für Erwachsene. Und der Kofferraum fasst mit 355 Litern sogar mehr als im Golf.

Was der Baleno an Platz bietet, das fehlt im an Prestige. Zwar haben die Japaner für den Fünftürer eine Form gefunden, die mit ihren fließenden Linien an flüssiges Metall erinnern will, haben Charakterlinien ins Blech gepresst und neue Effektfarben angerührt. Doch fehlen dem Baleno zum Sportler der kräftige Stand und die knackigen Proportionen. Und für den Showstar mangelt es an Kontrast und Charakter.

Ganz ähnlich ist es auch innen, wo den Entwicklern Substanz wichtiger ist als Stil, wo Ablagen mehr zählen als das Ambiente und wo man Konsolen oder Kopfstützen schon anfühlen darf, wie sehr die Japaner auf die Kosten geachtet haben. Nicht um sich die Säcke voll zu machen. Sondern um das Geld an andere Stelle zu reinvestieren. Bei der Ausstattung zum Beispiel, die um längen besser ist, als man es Suzuki und mach anderem Kleinwagen mit dieser Kragenweite zugetraut hätte. Selbst wenn das Navi sich bisweilen verhaspelt und Apple Car Play erst noch aufgespielt werden muss, ist der große, schillernd bunte Touchscreen eine Augenweide. Obwohl man ihn mit zwei Tastern bedient, die wie japanische Essstäbchen aus dem Kombiinstrument ragen, lässt das Display für den Bordcomputer Polo & Co alt aussehen. Und mit automatischer Abstandsregelung, Notbremsassistent oder Xenon-Scheinwerfern fährt der Baleno zumindest in der Importwertung sehr weit vorne mit.

Der ganze Stolz der Japaner ist allerdings ihr neuer Dreizylinder-Turbo, der im Baleno seinen ersten Einsatz hat, Nur einen Liter groß, leistet er imposante 115 PS und geht mit bis zu 170 Nm zu Werke. Zwar singt er das knatternde Lied aller Dreizylinder und spielt sich so bei Vollgas mächtig in den Vordergrund. Doch weil die neue Plattform die leichteste Rohkarosse im Segment ermöglicht und der Baleno am Ende im besten Fall nur 865 Kilo wiegt, weil es bei nur fünf Gängen keine Chance mehr gibt für einen Spargang und weil auch Japaner mittlerweile wissen, wie man Fahrspaß buchstabiert, hängt der Motor mit dem schönen Namen Booster-Jet gierig am Gas. In kaum Sekunden hat man deshalb Tempo 100 auf dem Tacho und mit Spitze 200 ist der Baleno auch bei Vollgas näher an der Kompaktklasse als am konventionellen Kleinwagen.

Allerdings darf man sich von dem Triebwerk nicht allzu sehr verführen lassen. Denn je weiter man den in der Stadt noch ganz handlich und komfortabel abgestimmten Baleno aus der Reserve lockt, desto mehr erweist sich das ESP als Spaßbremse, weil das Fahrwerk alleine der Fliehkräfte nicht mehr Herr wird.

Neben dem Dreizylinder gibt es noch einen 1,2 Liter großen Vierzylinder, den Suzuki in zwei Konfiguratuionen anbietet;: Im Basismodell als Sauger mit Zweiventil-Technik und 90 PS und im Top-Modell als Mild Hybrid mit Lithium-Ionen-Akku und integriertem Starter-Generator. Der kann den Baleno zwar beim besten Willen nicht alleine bewegen. Doch er unterstützt ihn wirkungsvoll bei Anfahren und er rekuperiert überschüssige Energie beim Bremsen oder beim zu viel Last. Und das zahlt sich aus: Das gerade einmal sechs Kilo schwere System drückt den Verbrauch des 1,2-Liters um 0,3 auf 4,0 Liter und macht die Frage nach dem Diesel deshalb überflüssig.

Die Plattform neu, der Motor neu, das Package neu und auch die Ausstattung für Suzuki auf einem neuen Niveau: „Damit definieren wir den Kleinwagen neu“, gibt sich Projektleiter Kunihiko Ito für einen Japaner ungewöhnlich forsch und vorlaut. Nur ein Detail haben sie bei all den vielen Neuerungen außer Acht gelassen: Den Namen. Denn das gleiche Typenschild pappte ab 1995 schon einmal an einem kleinen Kompakten, der mit den ganz großen spielen wollte – und 2001 schon wieder eingestellt wurde.