Der Ludenbenz - eine Geldzerkleinerungsmaschine
Ich fühlte mich zu Höherem berufen, als ich mir 1998 zu meinem Diplom als Diplom Designer (FH) den Ludenbenz kaufte. Ich hatte den Taxibenz schon verkauft, dachte mir nicht, daß es ein solches Problem werden würde, einen W126 zu bekommen. Dabei hatte ich gar nicht so große Ansprüche: Ich war auf keine Motorisierung fixiert, ich wollte nur einen guten Allgemeinzustand und keine zu asseligen Farbkombinationen. Deshalb schied z.B. der kackbraune Wagen von einem Fähnchenhändler aus. Wenn ich schon einmal eine Luxuslimo kaufen sollte, dann sollte sie auch wie eine Luxuslimo aussehen. Und dann kam das Inserat: 420SE W 126, Bj 11/87, TUV/AU neu, Klima, blau-schw.-met. Schw. Leder, eSitze, eFH, ZV, Autom., ABS, RS, eLenksäule, Mittelarm, RC, Alu, eSD, ASR, gepflegter GaWa, 15.500,-DM.
Und ganz ehrlich? Ich hätte diese Anzeige besser überlesen. Aber ich war heiß auf so eine Karre und als ich zur Besichtigung fuhr, war ich einfach blind verliebt - ich merkte nicht einmal auffällige Details. Schaut Euch mal das Bild an - die vordere Stoßstange ist schwarz, der Rest des Plastiks grau. Angeblich keine Vorschäden. Wenn der Verkäufer so dreist lügt, stimmt auch der Rest nicht. Scheckheft war "versehentlich" verloren gegangen, da war nix nachweisbar, der Tacho zeigte knapp unter 200.000km und war mit 100%iger Sicherheit zurückgedreht. Und die vielen Vorbesitzer mit auffällig vielen "Ü" und "Y" im Namen hätten mich auch stutzig machen sollen. Aber ich war eben verliebt...
Der erste Werkstattcheck fiel sehr ernüchternd aus: Kostenvoranschlag über 15.000DM - wie jetzt? Ich hakte nur ein paar Punkte davon ab: Querlenker ließ ich machen und neue Reifen montieren, das andere war mir zu teuer.
Optisch änderte ich nicht viel an dem Wagen. An den Kühlergrill kamen ein paar Plaketten, die Blinker tauschte ich gegen weiße Exemplare. Das waren so ziemlich die ersten Teile, die ich im Internet bestellte. Ja, inzwischen war das Internet als Handelsplattform entdeckt worden, das Angebot wuchs langsam.
Mit den Plaketten hatte ich auch ne schöne Geschichte erlebt. Ich machte einen Ausflug mit einer Freundin und als ich an den Wagen zurückkam, kniete ein Japaner vor dem Wagen und fotografierte die Plaketten. Ich warte immer noch darauf, daß sowas an irgendeinem Reiskocher mal kopiert wird
Hinten aufs Heck kamen Die Bezeichnungsschilder "Schlachtschiff" und "Achtender". Die bekam ich kostenlos für einen Werbebanner auf irgendeiner meiner damals schon existierenden Webseiten.
Das war´s dann schon so ziemlich. Der Wagen hatte außer Niveauregulierung und AHK so ziemlich alles - also alles für den Fahrer. Ein absoluter Egoistenwagen. Sitzheizung? Klar, aber nur der Fahrersitz. Elektrische Fensterheber? Klar, aber nur vorne... Ich, als Fahrer hatte also jeglichen Luxus. Die elektrischen Sitze waren die Show - selbst die Kopfstützen waren elektrisch. Willkommen zuhause!
Selbst mit den Sitzen hatte ich Spaß. Ich stand einmal im Stau auf der Autobahn - heißer Sommertag, Klima an, Fenster geschlossen. Neben mir ein VW Polo, in den 4 Erwachsene gezwängt waren. Scheiße, haben die mich bös angesehen, als ich demonstrativ mit dem Fahrersitz vor und zurück gefahren bin. Als ich dann das Fenster heruntergelassen habe und aus dem Radio lautstark Heinz Rühmann schallte mit dem Lied "Wozu ist die Straßen da - zum marschieren", hatte ich definitiv keine neuen Freunde gefunden.
Meine Neffen fanden sie Sitze auch genial - ich weiß nicht, wie lange die im Auto saßen und mit den Sitzen spielten - ich mußte befürchten, daß die da nie wieder rauskommen.
Auch das Armaturenbrett war geil - ein Traum in Wurzelholz:
Klasse der Kommentar meines Vaters, als ich ihn über den Kauf des Wagens informierte: "Mercedes 420SE - der hat doch 2,4l Hubraum!" Hatte er natürlich nicht, es waren 4,2l verteilt auf 8 in V-Form angeordnete Töpfe.
Mit den 224PS lief der Wagen 230 Tacho - und selbst bei dem Tempo war der Wagen total entspannt zu fahren. Telefonieren durchaus noch möglich - und damals sogar noch legal. Gut, er soff dann auch - ich denke mal insgesamt bin ich den Wagen ungefähr im Schnitt mit 20l Super auf 100km gefahren - was sollte der Geiz!
Im Sommer fuhr ich die originalen Kanaldeckel Felgen, im Winter besorgte ich mir entsprechende 15 Zoll Winterräder. Drauf kamen äußerst seltene Radzierblenden: Die vom /8 bzw. W123 in 15 Zoll - die hatten nur die Leichenwagen und Krankenwagen. Damals bekam ich die neu bei eBay.
Rechts im Bild übriges der Memberaufkleber der Parkplatzraver, aus denen sich später die Motoraver entwickelten. Der Ludenbenz war das neueste Fahrzeug damals im Club. Ich kannte die Junx damals nur übers Internet.
Alles so weit, so geil. Wenn dieser Wagen nicht unter einem jahrelangem Wartungsstau gelitten hatte. Ich weiß nicht, was in welcher Reihenfolge kaputt ging. Ich glaube, das erste, was verreckte, war der Lüfter vorm Kühler, der Zahnausfall bekam. W126 Teile auf dem Schrott? Fehlanzeige. Ich fand eine Tankstelle in Frankfurt, die in der kleinen Werkstatt daneben ausschließlich W126 reparierte und herrichtete. Die hatten den entsprechenden Lüfter - nicht das letzte teil, das ich da kaufte.
Das Schiebedach verreckte irgendwie, ich behalf mir mit zukleben - ich hab ja Klima. Also anfangs. Die wurde immer lauer - irgendwo war die undicht. Ich hatte aber noch elektrische Fensterheber - als da der Schalter verreckte, reparierte ich das dann doch einmal.
Die Auspuffanlage war irgendwann so fertig, daß ich Ersatz brauchte - Kosten ohne Kat: 3.500 DM - und das war keine originale von Mercedes!
Auf einer Fahrt in meine alte Heimat löste sich ein Keilriemen halb auf. Leider nur halb. Denn der Rest des Keilriemens schlug wild um, sich und zerstörte die Leitung des Getriebeölkühlers. Da der Wagen so gut gedämmt war, merkte ich das erst, als das Getriebe trocken gefahren war: Kapitaler Getriebeschaden.
Ein gebrauchtes Getriebe fand sich an der schon genannten Tankstelle für "nur" 1.000 DM - inkl. Einbau war fast noch ein Tausender klein. Der Wagen schröpfte und schröpfte mein Konto, bis ich so weit war: Der Wagen muß weg. Nur fürs Auto arbeiten ist dann doch nix. Also inserierte ich ihn eigentlich überall. Ich fing an mit 11.000 DM. Sehr optimistisch, wie sich zeigte. Und was soll ich sagen: Es ist ein Abenteuer, eine gebrauchte S-Klasse anzubieten.
Beispiele:
Auf der Straße sprach mich ein Afrikahändler an, was ich für den Wagen wolle.
KLE: 11.000 DM
Afrikahändler: Ich gebe Dir 5.000 DM
KLE: Nein, das ist viel zu wenig
Afrikahändler: Warum?
KLE: Das ist weniger als die Hälfte
Afrikahändler: Aber ich gebe Dir das Geld bar
KLE: Ich hätte die 11.000 gerne auch bar
Er hat mich dann gepflegt beleidigt und ist gegangen.
Überhaupt - es hat kaum ein flüssig Deutsch sprechender Interessent angerufen. Der Hammer war aber der Teppichhändler:
Teppichhändler: Was solle kosten Mercedes Benz
KLE: 10.000,-DM
Teppichhändler: Ich geben Dir 3.000 DM und echten Orientteppich
KLE: Was soll ich mit einem Orientteppich?
Teppichhändler: Deine Frau wird Dich lieben für originalen Orientteppich
KLE: Ich bin nicht verheiratet
Teppichhändler: Deine Freundin wird Dich lieben für originalen Orientteppich
KLE: Ich habe auch keine Freundin
Teppichhändler: Jede Frau will mit Dir schlafen, wenn Du habe original Orientteppich.
Ich hätte es vielleicht ausprobieren sollen
Die Versuche, den Wagen abzugeben, dauerte mehrere Wochen, wenn nicht Monate. Letztendlich habe ich den Wagen für 6.000 DM verkauft.
Ich hab am Ende mal durchgerechnet, was mich der Wagen so gekostet hat und ich bin nur für Wertverlust und Reparaturen auf ca. 1.000 DM/Monat gekommen - dazu kamen noch Steuer, Versicherung und Sprit. Auch wenn ich mir das damals einigermaßen leisten konnte, so war das doch sehr teures Lehrgeld. Sollte ich mir jemals noch einmal eine Luxuskarre vom Schlag eines W126 kaufen, dann nur mit lückenlosem Scheckheft aus seriöser Quelle...
Original: Fusselblog