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Der Taxibenz - Mercedes Benz W123 230E

Published in fusselblog.de

Ich war noch Student, aber die Nebeneinkünfte stiegen, da dachte ich mir, ich müßte auch mal automobil aufsteigen. Es wird Zeit einen Benz zu fahren. Also ging ich auf die Suche und durchstöberte Kleinanzeigen und stieß auf ein Fahrzeug, das wunderbar absurd war. Einen Rentnerbenz, der nicht wirklich nach einem Rentnerfahrzeug aussah.

Mercedes Benz 230E, EZ 1980, Stahlschiebedach, nur 84.000km gelaufen in einem wirklich gewöhnungsbedürftigem Outfit. Senfgelb (keine Ahnung, wie der Farbton richtig heißt) mit einem braun metallicfarbenen auflackiertem Streifen drum rum, Frontspoiler, Seitenschweller, Heckspoiler, 2 Satz Alus dabei, ... VHB 2.600,-DM.

Es war wirklich hart an der Geschmacksgrenze - auch die Innenausstattung in rentnergrün. Nein, es gibt hübscheres.

Innenausstattung Mercedes Benz W123

Gut, die Farbkombination kannte ich schon von unserem Urlaubsbenz damals. Der angebotene Benz war aber deutlich besser erhalten.
Der Wagen wurde vom Vater des Erstbesitzers als Jahreswagen übernommen und der Opa hat den Wagen gut gepflegt. Als er ihn bei einem BMW Händler schließlich in Zahlung gegeben hat, wanderte er direkt weiter zu einem Fähnchenhändler - dem BMW Händler war der wohl zu peinlich.

Mercedes Benz W123 230E

Ich sagte mir, wenn ich ihn für 2.000,-DM bekomme, nehme ich ihn. Ich bekam ihn für die Kohle. Was ich gekauft hatte, war für mich ein Gestaltungsanlaß. Weil so konnte er einfach nicht bleiben.

Der Frontspoiler flog weg, ebenso die Seitenschweller, nur den Heckspoiler ließ ich, weil der Lack drunter viel weniger ausgebleicht war, als der Lack drum rum. Das hätte mies ausgesehen. Das auf der Lenksäule montierte Econometer flog auch raus, blieb noch das Problem mit dem braunen Streifen drum rum. Gelber Wagen? Was kann man aus einem gelben Wagen machen? Checker Taxi! Ich besorgte DC-Fix Karofolie aus dem Baumarkt, aber das überzeugte mich nicht. a) gab es die im Baumarkt nur mit marmorierten weißen Flächen und b) paßte die Breite der Karos nicht 100%. Aber es gab die Aussicht, daß das gut aussehen könnte. Also lackierte ich die Karos mit der Sprühdose. Was ne Abklebeorgie - aber es hat sich gelohnt!

Mercedes Benz W123 Checker Taxi Style

Vom Kühlergrill riß ich die Chromstreben und all den anderen Kokolores, was da noch hing und lackierte das Plastik in schwarz (original grau), die Scheinwerfer waren vom Vorbesitzer schon schwarz hinterlegt.

Taxibenz W123

Ganz ehrlich? So würde ich den heute noch fahren, vielleicht noch die Scheinwerfer gegen die Eckigen vom 280er tauschen und weiße Blinker, etwas tiefer, aber sonst...

Ich hatte mein Studienziel erreicht: Student mit Benz und Putzfrau :. Man muß ja nicht erwähnen, daß die "Putzfrau" eine Studentin war, die nur 2 Stunden/Woche bei mir sehr grob sauber machte. Einen Luxus, den ich mir bis heute gönne.

Den Frontspoiler und die Seitenschweller habe ich verkauft, ebenso die diggen Alus, die im Kofferraum lagen. Waren fiese breite Kreuzspeichen, nagelt mich nicht fest - irgend so eine derbe Größe 8x14 mit absolut unüblicher Reifengröße. Der Satz Reifen hätt irgendwas um 1.000,-DM gekostet. Das stand in keinem Verhältnis zum Wagenwert, also weg damit!

Es ist erstaunlich, was so ein Benz für einen Imagewandel bei alten Leuten bewirkt. Als ich das erste Mal mit dem Wagen bei meiner Familie war, waren meine Großeltern hin und weg. Für die war das ein Zeichen: Der Bub hat´s geschafft im Leben. Mein Opa fragte mich, ob ich denn eine Alarmanlage hätte, so ein Mercedes würde doch sicherlich oft geklaut. Der Argumentation, daß der Passat Neuwagen meines Vaters ein Vielfaches des Benz gekostet habe, konnte er nicht folgen. Er mußte sogar ein Bild machen mit mir und Oma am Benz, damit sie es allen Bekannten zeigen konnten. Leider habe ich das Bild zum Scannen nicht wiedergefunden.

Der Wagen fuhr sich gut, die 136PS standen gut im Futter, leider soff er bei Vollgas auch. Wie gut, daß der Sprit damals (ca. 1997) noch nicht ganz so teuer war.

Mercedes Benz Motor 230E

In der Steuer war er auch nicht ganz so billig - der Bock hatte keinerlei Kat. Egal. Der Wagen war trotzdem sehr geschmeidig. Normalerweise kämen jetzt in einem Bericht über meine Letzthandkarren irgendwelche Pannenberichte, aber ohne zu lügen: In den knapp 2 Jahren, in dem ich den Benz gefahren habe, ging wirklich nix kaputt. Ölwechsel, 1x Ventile einstellen - das war´s.

Ich war mit dem Wagen auf einem Passattreffen. Schon kurz nachdem ich losgefahren war, kam der panische Anruf von Olaf: "Wo bleibst Du? Die wollen mich hier alle alleine lassen!" Ich gab Gas, um am Freitagabend zum Treffengelände zu kommen. Als ich ankam, verkrümelten sich tatsächlich alle anderen außer Olaf und mir. Wir diskutierten diverse Abendgestaltungsmöglichkeiten und letztendlich fand sich am nächsten Tag folgendes Bild: Zwei verkaterte Gestalten schlafend in dem Wohnwagen, der nur als Kassenhäuschen eingeplant war und daneben ein senfgelber Benz, neben Beifahrer- und Fahrertür je ein Haufen mit leeren Bierdosen. Gab Mecker, aber wir hatten Spaß.

An einem Abend war ich mit dem Benz und einem Kumpel in Frankfurt unterwegs. Wir hatten von einer geilen Party gehört, wußten aber nicht, wo die stattfinden sollte. Zum Vorglühen gab es in Wiesbaden Gin Tonic. Nachdem wir einige Runden ziellos durch Frankfurt gefahren waren, fragten wir Passanten nach dem Weg. Die angesprochene Gruppe war sich nicht einig und fing an zu diskutieren, wie man fahren könne. Die Straße hatte 2 Spuren in meiner Richtung, trotzdem setzte sich hinter mich ein Taxi und beschallte uns mit Dauerhupen. Die Passanten kamen immer noch zu keinem Schluß, das Hupen ging weiter. Mein Hals schwoll und schwoll... Der Weg war gefunden, ich konnte weiterfahren und ich beruhigte meine Nerven mit einem Sprint bis zur nächsten Ampel. Könnte durchaus sein, daß das Tempo 3stellig wurde. Wer stellt sich neben mir an die Ampel? Ein komisch grün weißes Auto. Was folgte war abzusehen: Allgemeine Verkehrskontrolle. Aber irgendwie anders, als sonst. Ein Polizist am Fenster, ein zweiter Polizist mit der Hand an der Waffe in Sicherheitsabstand. "Wir müssen davon ausgehen, daß sie die Passanten beim Drogenhandel betrogen haben, weil sie die Personengruppe so schnell verlassen haben" Wattttt??? Das is mal was Neues. Nach Überprüfung meiner Personalien ohne Auffälligkeiten Entwarnung, sie glaubten mir meine Geschichte. "Da müssen Sie sich nichts dabei denken, wir sind in Frankfurt, da sind die Taxifahrer eben so" Aha. Ich ließ mir von dem Polizisten den Weg zur Party erklären - wieder ganz anders, als die Passanten es meinten. Als ich dann losfahren wollte kam die Frage: "Ach ja, haben Sie etwas getrunken?" - ich bin ohne zu antworten einfach weitergefahren.

Der Benz hatte einen Zigeunerhaken und so war ich dran, als wir hinter dem Studentenwohnheim eine Terrasse betonierten, den Zement zu holen.

Zigeunerhaken W123

Ich fuhr zum Praktiker, lieh dort kostenlos einen Hänger und lies eine Palette Zementsäcke auf den Hänger mit dem Gabelstapler laden. Der Staplerfahrer setzte genau über der Achse ab - Ladungssicherung? Ach, die 5 km... Und natürlich ist das Leben ein Arschloch - ich wurde geschnitten und mußte mit dem Gespann voll in die Eisen. Resultat: Die Palette Zement rutsch nach vorne. Resultat: Sportbootfahrwerk ist geschmeichelt, mein Beifahrer und ich sahen gen Himmel, die AHK war nur noch wenige cm über dem Asphalt. Ach, ich hab ja Highchecker - an die Take gefahren und aufgepumpt. Keine wirkliche Besserung. Palette umladen? Zu faul. Wir entschieden uns für eine Schleichfahrt durch Mainz. So leicht zu lenken war er nie wieder - ein Wunder, daß die Vorderräder noch Bodenkontakt hatten :.

Nach weniger als 2 Jahren stand mir der Sinn nach einem weiteren Automobilen Aufstieg. Ne S-Klasse, das wär´s! Ich hatte noch keine an der Hand, aber inserierte den Taxibenz schonmal vorsorglich. Er hatte noch etwas Rest-TÜV, einziger Rostschaden waren die Ecken der Kotflügel unten, da hatte es unter dem Frontspoiler gegammelt.

Rostloch Kotflügel Mercedes W123

Der Wagen fand sehr schnell für 1.000,-DM einen Käufer. Mal wieder viel zu billig. Der Käufer zahlte 500 DM an und gab mir einen Monat Zeit, einen Nachfolger zu finden. Und den suchte ich zu lange, wurde beim Kauf unvorsichtig. Wenn man zu heiß auf etwas ist, wird man betriebsblind. Der Taxibenz ging in Teilen letztendlich in den Libanon. Schade drum, er hätte wahrscheinlich ohne Probleme in Deutschland den Oldtimerstatus erreicht.

Original: Fusselblog

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