Ausstellung: ''Chromjuwelen. Autos mit Geschichte''
Der aufmerksame Chromjuwelen-Leser hat es sicher längst in unserem Terminkalender entdeckt. Dass im Technischen Museum Wien am 25. Oktober eine ganz besondere Sonderausstellung startet: ''Chromjuwelen. Autos mit Geschichte''. Anhand ausgewählter Fahrzeuge - u.a. Mercedes-Benz Silberpfleil, Bentley S2 oder dem legendären Kaiman MK IV - wird erzählt, warum diese Raritäten ''Ikonen'' sind.
Wir gratulieren nicht nur zur gelungenen Namenswahl, sondern möchten jedem Leser empfehlen, der Ausstellung, die aus rund 100 Jahren Automobilgeschichte erzählt, unbedingt einen Besuch abzustatten!
Die Ausstellung verdankt ihr Entstehen maßgeblich einer außergewöhnlichen Konstellation: Durch die Unterstützung eines wissenschaftlichen Beirats, sowie der Teilnahme renommierter Institutionen und Museen, ist es dem Technischen Museum gelungen, absolute Raritäten und Meilensteine der Automobilgeschichte für vier Monate in Wien ausstellen zu können.
''Pars pro toto'' gilt für die Ausstellungsmacher auch bei dieser hochkarätigen Fahrzeug-Schau. Mehr als drei Dutzend historischer ''Chromjuwelen'' geben einen imposanten Eindruck von fahrendem Luxus und automobiler Technik. Die Auswahl der Fahrzeuge erfolgte dabei nach Kriterien der Repräsentativität im doppelten Sinn: Die meisten der ausgestellten Automobile dienten zur Selbstinszenierung der Besitzer, die mit Luxus und Exklusivität ihres jeweiligen Gefährts Rang, Wohlstand oder Status symbolhaft markierten. Die konkrete Zusammenstellung der Fahrzeuge ist Spiegel eines Querschnitts namhafter Marken durch ein Jahrhundert Automobilgeschichte.
Die ''Chromjuwelen'' sind eingebettet in drei verschiedene Themenbereiche, die es den Besuchern erlauben, sich mit internationalem Rennsport, Fahrzeugdesign sowie Staatskarossen und Prominentenfahrzeugen auseinanderzusetzen. Neben besonderer Technik, raffiniertem Design und edler Herkunft besteht unter all diesen Fahrzeugen noch eine weitere Gemeinsamkeit, die sie erst für diese Sonderschau prädestinieren: Über jedes dieser Chromjuwelen gibt es eine Geschichte zu erzählen, die keinen Zweifel darüber lässt, dass sie weit mehr sind, als bloß die Summe ihrer Einzelteile. Denn erst die Geschichte formt aus Blech den Mythos.
Begleitend zur Ausstellung (25. Oktober 2007 bis 2. März 2008) erscheint ein hochwertiger Katalog mit Beiträgen von Alfred Komarek und Herbert Völker sowie Fotografien von Bernhard Angerer.
''Chromjuwelen. Autos mit Geschichte'', ISBN 978-3-902183-14-9, 200 Seiten, 29,90 €
-> Link: Technisches Museum Wien
Zu den vorgestellten Exponaten (Fotos: Bernhard Angerer):
1929 Austro-Daimler ADR 11/70 Innenlenker-Cabriolet Sport Victoria
Austro-Daimler war für technische Neuerungen bekannt. Die Tradition der Innovationsfreudigkeit Ferdinand Porsches setzte sich mit Karl Rabe und der ADR-Entwicklung auf Basis des Zentralrohrrahmens fort. Dabei ist das Prinzip dieser Bauweise nicht so kompliziert wie ihr Name: Ein zentrales Rohr, an dem sämtliche Aufbauten angebracht sind, verbindet Motor und Getriebe mit dem Differentialgetriebe, an dem die hinteren Halbachsen voneinander unabhängig pendeln können. Gekoppelt mit einem starken Sechs-Zylinder-Motor aus dem Rennmotorenbau gelang mit der Erstpräsentation des ADR bei der ''Olympia Show'' in London 1927 endgültig der Sprung in die internationale Oberliga der schnellen Luxusautos. Tatsächlich sollte dieses Modell mit etwa 2400 Einheiten das erfolgreichste der Firmengeschichte werden, ehe die Produktion 1933 stillgelegt und das Unternehmen mit den Steyr-Werken fusioniert wurde.
Dieses Exemplar in einer seltenen Victoria-Ausführung gehörte als Vorführwagen der Firma selbst. Am Ende des Jahres 1930 ging dieser ADR an einen Privatkunden. Dann verlor sich seine Spur, bis er 1963 als Wrack wieder auftauchte. Restauriert machte der Wagen in den USA eine zweite Karriere als Schaufahrzeug. Der American Automobile Club kürte diesen ADR 1986 zum besten ausländischen Oldtimer. Beim ''Concours d'Elegance'' in Pebble Beach, Kalifornien, errang das Fahrzeug 1988 einen spektakulären Klassensieg.
1924 Steyr Typ V 12/40 HP Sport Double Phaeton
Enzo Ferrari, Bertolt Brecht und Graf Ladislaus von Almásy hatten eine Gemeinsamkeit: Sie fuhren Steyr-Wagen. In seiner Karriere als Rennfahrer war ein Steyr eines der wenigen nicht italienischen Fahrzeuge, das der junge Ferrari etwa beim Bergrennen von Aosta - Gran San Bernardo 1922 benutzte und schätzte. Brecht erwarb angeblich 1928 im Austausch für das Werbegedicht ''Singende Steyrwägen'' einen Steyr XII, mit dem er ein Jahr später einen schweren Unfall nur leicht verletzt überstand. Und Almásy durchquerte 1926 als erster Automobilist eines Serienfahrzeugs die Sahara. Es war ein Steyr V wie dieser, mit dem der von Michael Ondaatje literarisch und Anthony Minghella filmisch als ''Englischer Patient'' verewigte Almásy eine Fahrt von 3075 km durch die nubische Wüste bewältigte.
Die außergewöhnliche Standfestigkeit des Steyr V und dessen aufwändige technische Auslegung entsprachen der Firmenstrategie, ein Spitzenprodukt zu etablieren, mit dem man den einheimischen Konkurrenten Austro-Daimler und Gräf & Stift wie auf internationaler Ebene dem heimlichen Vorbild Rolls-Royce auf Augenhöhe entgegentreten konnte. Die Konstruktion von Chassis und Antrieb dieses Sechszylinder-Wagens sah renntechnologische Elemente wie wälzgelagerte Kurbelwelle und Pleuel, obenliegende Nockenwelle und V-förmig hängende Ventile vor. Die mehrfach unterteilte und verschraubte Kurbelwelle erwies sich als ausgesprochen drehzahlfest. Vom Steyr V wurden in den Jahren 1924 und 1925 1850 Stück erzeugt.
1936 Cadillac 5775 Fleetwood Town Sedan
Cadillac, Chevrolet, Pontiac – einige der prestigeträchtigen US-Automarken tragen französische Namen. Die heutige US-Autometropole Detroit (frz. Meerenge, Sund) war eben ursprünglich eine französische Siedlung. Sie wurde von Antoine Laumet de La Mothe, Sieur de Cadillac, gegründet, und 200 Jahre später, im August 1902, begann in Detroit eine Firma gleichen Namens Automobile herzustellen. Die französische Bezeichnung schien sich mit ihrer exquisiten Anmutung gut zur Vermarktung eines Luxusprodukts zu eignen, zumal Cadillac mit innovativer Technik und bester Verarbeitung tatsächlich eine Klasse für sich war: Gerade in den Staaten, wo das Auto zur Mobilisierung der Massen diente, war es reizvoll, sich aus eben dieser Masse abzuheben. Um Wohlstand und Lebensart öffentlich zur Schau zu stellen, eignete sich im Land des Automobils wiederum das Auto. Es musste groß sein, um nicht übersehen zu werden, aber dezent und leise - und vor allem hoch. Die meist Hut tragenden Passagiere wollten beim Besteigen und Verlassen vor Publikum keinen Bückling machen.
Genau diese Kriterien erfüllte der Cadillac Fleetwood Series Seventy-Five. Mit verlängertem Radstand und erhöhtem Dachaufbau war diese Fleetwood-Version zunächst als Repräsentationsfahrzeug und Diplomatenautomobil konzipiert. Er erschien erstmals 1936; sein Grundkonzept hatte aber bis in die achtziger Jahre Bestand. Der Cadillac Fleetwood Town Sedan war selbst in den USA eine sehr seltene Ausführungsform und erst Recht eine Rarität in Europa, wo die Marke stets nur eine Nischenposition einnehmen konnte.
1961 Bentley S2 (ex Nadja Tiller)
Kleine Unterschiede gibt es auch bei eineiigen Zwillingen. Die aus demselben Werk im englischen Crewe (Cheshire) stammenden Rolls-Royces und Bentleys waren einander ab Mitte der 1950er-Jahre zum Verwechseln ähnlich. Ab dem Erscheinen der Parallelserien Rolls-Royce Silver Cloud II und Bentley S2 1959 war mit dem 6,2-Liter-V8-Motor auch der Antrieb angeglichen. Die beiden Typen unterschieden sich nur mehr in Kühlerform, Karosseriedetails und Markenemblemen. Und im Image: Galten Rolls-Royce-Fahrzeuge seit dem sagenhaften Silver Ghost als Herrschaftswagen, standen die Bentleys in einer sportlichen Tradition. In einem Rolls-Royce ließ man sich gewöhnlich chauffieren; einen Bentley fuhr der Besitzer meistens selbst. Mit der etwas schnelleren und verlängerten Version Bentley S2 Continental – die Bezeichnung beruht auf den höheren Geschwindigkeiten, die auf dem Kontinent gefahren werden durften – suchte die Firmenleitung dieser Reputation zu entsprechen.
Dieser S2 wurde im Jahre 1961 von der Wiener Schauspielerin Nadja Tiller erworben. Nachdem zu ''Miss Austria''-Titeln in den Jahren 1949 und 1951 erste kleine Rollen im Nachkriegsfilm gekommen waren, schaffte Nadja Tiller 1958 mit der Rolle der Nobelprostituierten Rosemarie Nitribitt in dem Film ''Das Mädchen Rosemarie'' (Regie: Rolf Thiele) den internationalen Durchbruch. Darin fuhr sie allerdings einen Mercedes-Benz 190 SL. Seit 1996 ist der S2 im Besitz des österreichischen Starpianisten Rudolf Buchbinder und wird von diesem liebevoll gepflegt. Der Bentley teilt sich mit anderen Chromjuwelen die Garage.
1955 Mercedes Benz W196 ''Silberpfeil''
Ein Name wurde zum Inbegriff für Technik, Motorsport und die darin lebende Emotion: Silberpfeil. Die gängigste Version seiner Entstehung geht auf den langjährigen Rennleiter des Mercedes-Benz-Teams Alfred Neubauer zurück: Das statutengemäße Gewichtslimit der 750-kg-Formel verfehlte der Mercedes-Benz W 25 vor dem Nürburgring-Rennen am 3. Juni 1934 gerade um ein gutes Kilogramm. Um bei der Abwage vor dem Start nicht zu den „Lackierten“ zu gehören, schmirgelte und schruppte die gesamte Mechanikermannschaft die traditionell weiße deutsche Rennfarbe bis auf das blanke Aluminiumblech ab. Die W 25 waren damit reglementkonform - nur eben glänzend wie ein neuer Penny. Wahr oder gut erfunden: Sieben Jahrzehnte hält sich nun schon der Beiname für die silbernen Renner von Mercedes-Benz.
Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte Mercedes mit dem W 196 in den Grand-Prix-Sport zurück und feierte beim Debüt am 4. Juli 1954 in Reims einen überlegenen Doppelsieg durch Juan Manuel Fangio und Karl Kling mit einer Zehntelsekunde Zeitdifferenz und mehr als einer Runde Vorsprung auf das Feld. Das Mercedes-Benz-Team siegte während der beiden Rennsaisonen 1954 und 1955 in neun von 13 Grand-Prix-Bewerben, an denen es teilnahm. Die treibende Kraft zu diesen Erfolgen lieferte der souveräne Reihen-Achtzylinder aus zwei Vierzylinderblöcken mit Mittelabtrieb, desmodromischer Ventilsteuerung, rollengelagerten Kurbelwellen und Benzin-Direkteinspritzung.
Mit diesem „Silberpfeil“ - allerdings in offener Karosserie - gewann Stirling Moss den Grand Prix von Großbritannien 1955 in Aintree.
1963 Jaguar Type E 3,8 Litre Serie 1 Coupé (ex Jochen Rindt)
Schön, stark, trendig - der E-Type traf den Zeitgeist genau. Britisches Image und markantes Design zu einem erschwinglichen Preis waren weitere Zutaten zum Verkaufserfolg. Fortan ging auch Jerry Cotton im E-Type auf Gangsterjagd. Tatsächlich war der E-Type eigentlich für den amerikanischen Markt konzipiert. Der zunehmende Wohlstand im Europa der 1960er-Jahre schuf aber auch diesseits des Atlantiks in der Zielgruppe der jungen Sportfahrer wachsende Nachfrage.
Diesen Jaguar E-Type als Statussymbol des stilvollen Rasens fuhr auch Jochen Rindt. ''Wer reitet so spät durch Nacht und Wind - es ist der Jaguar mit Jochen Rindt'', verballhornte Helmut Zwickl Geheimrat von Goethe und spielte auf die Ausfahrten mit Wettbewerbscharakter an, die Rindt und seine Freunde unternahmen. Die Ansprüche des späteren Formel-1-Weltmeisters (1970, posthum) ließen technische Eigenheiten des Fahrzeugs deutlicher zutage treten: Der starke Motor lieferte Leistung im Überfluss. Der Wagen war allerdings nicht als Rennfahrzeug konzipiert und mit der Motorleistung oft überfordert. Bremsbeläge hielten unter Rindts Einwirkung im Durchschnitt eine Woche. Prosaisch umschrieb Rindt die Schwächen des Jaguars mit einem Lob für seinen Freund und Mechaniker Josef Borka: ''Wenn ich den Joschi nicht hätt'', müsst' ich mit der Tramway fahren.''
1972 Porsche 911 Carrera RS (ex Michael Piëch; ''Der Lippenstift'')
Eigentlich sollte er anders heißen. Als ''901'' präsentierte ihn Porsche 1963 auf der IAA in Frankfurt, aber noch vor Beginn der Serienproduktion prozessierte Peugeot die Null weg. Für die Namensgeber mag die neue Typenbezeichnung ''911'' die zweitbeste Lösung gewesen sein - als Sportwagen wurde der Sechszylinder-Boxer binnen weniger Monate zur Nummer eins des Unternehmens, und heute ist die Primzahl längst ein ziffernmystisches Sinnbild für luftgekühlte Schnelligkeit.
1972 tauchte auf einem 911er erstmals der Carrera-Schriftzug auf. Er erinnerte an das mexikanische Straßenrennen, die ''Carrera Panamericana'', in dem Hans Herrmann 1954 mit einem 1,5-Liter-Porsche den in Hubraum vielfach überlegenen Ferraris Paroli bieten konnte, und wurde zur Signatur für die Generaltugenden der Porsche-Konstruktionen: Heckboxer in Leichtbauchassis.
Zu Beginn der Geschichte des Porsche 911 Carrera steht die auf das Maximum reduzierte RS-Variante. Unter Verzicht auf jeden Ausstattungsluxus überzeugt der Spartaner unter den Porsches allein durch innere Werte: Mit seinen 2,7 Litern Hubraum und 210 PS war der RS zu seiner Entstehungszeit das schnellste straßentaugliche Fahrzeug im deutschsprachigen Raum.
Mit dem gleichen Motor ausgestattet, ist das Ausstellungsexemplar ein Prototyp der RS-Serie. Atypisch für einen RS fehlen dem Wagen der fix aufgesetzte Heckspoiler und die ausgestellten Kotflügel. Auch die Farbgebung des Wagens blieb ein Unikum – das ''Leuchtorange'' ist nunmehr der Feuerwehr vorbehalten.
1970 Kaimann MK IV (''Die Fahrschule der Weltmeister'')
Die späteren Formel-1-Weltmeister Keke Rosberg und Niki Lauda erlernten das Rennfahrhandwerk gründlich. Genau dazu war die Formel V auch gedacht - zur Förderung des Pilotennachwuchses. Die aus den USA stammende Idee hinter dieser Formelklasse war einfach: Man versuchte durch den Einsatz von millionenfach hergestellten Fahrzeugkomponenten Motorsport billiger zu gestalten und so vor allem jungen Fahrern den Weg dahin zu ebnen.
Die Rechnung mit der Formel V begann Mitte der 1960er-Jahre auch in Europa aufzugehen. Auch in Österreich fand dieser Sport für das Cockpit und hinter dem Reißbrett junge Talente: Neben Lauda und Rosberg sorgten Piloten wie Erich Breinsberg, Günther Huber, Dr. Helmut Marko, Gerold Pankl, Peter Peter, Dieter Quester, Werner Riedl und Michael Walleczek für Furore. Für seinen Kaimann-Rennstall scharte Kurt „Master“ Bergmann mit den Assistenten von Prof. Robert Eberan von Eberhorst der TU Wien Fritz Indra und Heinz Lippitsch ein Technikerteam um sich, dem die Entwicklung eines extrem verwindungsfesten Rohrahmens gelang. Das Fahrzeug erreichte in der Abstimmung Werte, die denen eines Formel-2-Wagens nahekamen, und dominierte die Szene in den späten 60er-Jahren. Nach der Fusion mit dem langjährigen Konkurrenten, der Salzburger Austro-V, war für die österreichische Formel-V-Rennwagenproduktion 1970 der Höhepunkt erreicht. Insgesamt wurden um die 200 Kaimann-Rennwagen gebaut.