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Grosser Aufwand, 100 Jahre Maserati - die Ausfahrt-1821

Published in radical-classics.com

100 Jahre Maserati - die Party

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Totgeglaubte leben länger. Maserati stand so oft am Abgrund, dass es mehrfache Wunder brauchte, um die Marke kurz vor dem Ruin immer wieder auferstehen zu lassen. Jetzt, zum hundertsten Geburtstag, geht es der Firma so gut wie nie zuvor und man kann mit Stolz auf die bewegte Geschichte zurückschauen. So scheute man keine Kosten, um Händler und Journalisten aus der ganzen Welt in die Emilia Romagna einzuladen. Aus China, dem zweitgrössten Exportmarkt, kamen gleich zwei Dutzend, aber auch Japan, Korea, Neuseeland und natürlich die USA als wichtigster Markt waren vertreten.  Drei Tage lang Glanz und Gloria, kein Aufwand schien zu gross zu sein.

Die Reise begann in der Altstadt von Bologna, wo in einem höhlenartigen Atelier die Marke ihren Anfang nahm. Am 14. Dezember 1914 hatte Alfieri die Officine Alfieri Maserati hier gegründet, ein Garagenbetrieb, um Kundenautos schneller zu machen. Die Brüder Ernesto und Ettore folgten Alfieri nach dem Ende des Grossen Krieges und Bindo kam nach dem Tod von Alfieri 1932 dazu. Die Söhne von Ettore und Ernesto, Carlo und Alfieri Maserati, standen den Besuchern Red und Antwort zur Familiengeschichte. «Wir stammen aus Voghera, aber unsere Wurzeln sind in Bologna. Unser Onkel Mario war Künstler und hat als einziger nicht im Betrieb mitgearbeitet. Aber er hat das Logo mit dem Dreizack entworfen, zu dem ihn der Neptun-Brunnen in Bologna inspiriert hat.» Die beiden älteren Herren zeigten sich sichtlich stolz auf die Familiengeschichte. «Im Krieg begann man mit der Produktion von Zündkerzen, welche die Flugzeugmotoren zuverlässiger machten. Die Brüder waren hochtalentierte Techniker, aber Carlo, der Aelteste, der schon 1910 starb, war auch ein guter Rennfahrer und wurde von Fiat, Isotta-Fraschini, Bianchi und Junior eingesetzt.» 1926 schliesslich entstand der erste Maserati, der Tipo 26.
100 Jahre Maserati
100 Jahre Maserati
Schon im gleichen Jahr erreichte dieses Auto bei der Targa Florio einen Klassensieg und wurde, mit verschiedenen Motoren bestückt, zum Verkaufserfolg bei Privatfahrern. 43 Exemplare konnten über die folgenden Jahre abgesetzt werden. «Ausser den Pneus und den Instrumenten wurde alles im Hause konstruiert», erzählten die betagten Söhne enthusiastisch, «und niemand musste das finanzieren.» Vielleicht am Anfang, denn später soll der Marchese de Sterlich als Mäzen in der Not immer wieder zum Checkheft gegriffen haben. Auch ob der Verkauf der Marke an den Industriellen Adolfo Orsi 1937 so freiwillig geschah, wie die Maseratis das heute darstellen, darf bezweifelt werden. Mangel an Geld sei es nicht gewesen, se non e vero…, aber den wahren Grund wollen sie nicht preisgeben. «In zehn Jahren vielleicht», war die Antwort dazu.100 Jahre Maserati
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Orsi hatte beim Kauf die Maserati-Brüder als leitende Ingenieure für zehn Jahre verpflichtet. Aber da die Kriegsjahre dazwischen kamen und man sich eher um die Zündkerzenproduktion kümmern musste, konnten sie ihre Talente nicht zur Geltung bringen. Es scheint auch, dass sie und die Orsis das Heu nicht auf der gleichen Bühne hatten. Sie verliessen ihre Firma 1947 und gründeten mit OSCA eine neue Marke, die bis zu ihrem Verkauf an MV Agusta 1963 kleine Sport- und Rennwagen auf Fiat-Basis produzierte.  Adolfo Orsi und sein Sohn Omer hatten zuvor die Firma nach Modena verlegt und schon 1940 entschieden, dass man zukünftig Strassenfahrzeuge herstellen will. 1947 erschien mit dem A6 die erste einer langen Reihe von Luxuskarossen. Battista «Pinin» Farina hatte die Karosserie entworfen und begründete damit die lange Maserati-Tradition, dass unabhängige  Karosseriebauer die Autos für das Werk einkleiden sollten: Allemano, Frua, Bertone, Ghia, Touring, Scaglietti, Fantuzzi, Michelotti, Monterosa, Vignale,  schlicht alle Norditaliener, die Rang und Namen hatten.

In Modena empfing uns Adolfo Orsi jr., der Enkel des einstigen Käufers. Er ist Kurator des Museo Enzo Ferrari, wo gerade eine Sonderschau zum Maserati-Jubiläum stattfindet. «Um den Rennbetrieb aufrecht zu erhalten brauchten wir ein festes Standbein durch die Strassenfahrzeuge», erklärte er. «Wir hatten grosse Erfolge mit den Sportwagen 200S und 300S, aber vor allem mit dem 250F in der Formel 1, mit dem Juan Manuel Fangio 1957 Weltmeister wurde».  Aber Ende 1957 war Schluss mit dem Rennsport, vier zerstörte Werksautos beim letzten grossen Rennen in Caracas bedeuteten den Sargnagel. Die Orsis hatten den Rennsport lange genug subventioniert, dazu kamen die unbezahlten Rechnungen nach Argentinien nach dem Sturz des Präsidenten Peron. «Wir sind sehr stolz, was wir für Maserati getan haben» meinte denn auch Orsi. «Der Quattroporte war eine riskante Entscheidung. Unsere Konkurrenten Lagonda und Facel-Vega sind damals zugrunde gegangen».
100 Jahre Maserati
Orsi ist Spezialist für klassische Maseratis. «Im Vergleich zur Konkurrenz» –damit meint er Aston-Martin- «sind sie viel zu billig. Sie werden gewaltigen Wertzuwachs haben». Ein Wink mit dem Zaunpfahl. Also, worauf warten wir noch, schnell das Sparschwein zertrümmern!

Als Citroën bei Maserati anklopfte, um 25 Motoren täglich für ihr neues Luxusmodell SM zu bestellen, sah Omer Orsi den Zeitpunkt zum Verkauf gekommen. «Die Investitionen wären viel zu gross gewesen. Dazu kamen die Crashtests und Abgasvorschriften, die für eine Kleinfirma unerschwinglich waren. Ferrari ging an Fiat, Iso-Rivolta, Aston-Martin, Bizzarrini und Lamborghini wurden verkauft oder gingen ein.» erinnerte sich Adolfo jr. Citroën übernahmen zunächst 60 Prozent. «Aber sie haben die Firma nicht so geführt, wie wir uns das vorgestellt haben. Es war die richtige Zeit, um alles zu verkaufen.» Das war 1968, fünf Jahre später während der grossen Oelkrise ging auch Citroën in die Knie. Für Maserati begann eine harte Zeit unter der Führung von ex-Rennfahrer und Industriellen Alejandro de Tomaso, der die Firma vorwiegend mit Staatsgeldern erworben hatte. Er entschied sich für die Serienproduktion der Biturbos, die der Marke vor allem Garantiearbeiten und einen schlechten Ruf einbrachten, bis Fiat 1993 übernahm.

Obwohl Modena bis heute die Heimatstadt von Maserati bleibt, verlagerte sich damit die Entscheidungsgewalt Richtung Westen nach Turin. Auf dem Weg dorthin am Steuer eines brandneuen Quattroporte im Konvoi machten wir zunächst einen Zwischenhalt in Cremona, wo vor den Toren der Stadt Baconin Borzacchini mit dem V4 Grand Prix 1929 einen Weltrekord mit 246 km/h über die fliegenden 10-Kilometer aufgestellt hatte. «Bitte nicht nachmachen» warnte Maserati-Sprecher Luca Del Monte noch vor der Abfahrt, denn die Carabinieri warteten schon auf die Verrückten, die da vorbeikommen werden. Auf der Piazza vor dem Dom der Geigenbauer-Stadt hatten sich bereits die rund 200 Klassiker aufgestellt, deren Besitzer aus ganz Europa angereist waren. Ghibli, Merak, 3500GT, 5000GT, Indy, Mexico, Bora, Khamsin, sogar ein Boomerang – kaum ein Modell, das fehlte. Schliesslich weiter nach Turin, die Stadt mit dem Hauptsitz von Fiat. Im Vorort Grugliasco in den Hallen des ehemaligen Karosseriebauers Bertone wird inzwischen mit modernsten Anlagen die Mehrzahl der Maserati gebaut.

Der feierliche Abschluss für die 600 Gäste fand schliesslich im Schloss des ehemaligen Königs Umberto statt, Abendessen mit Black Tie. Was soviel wie Smoking bedeutet, aber nicht für den Gastgeber Sergio Marchionne, der wie immer einen Pullover trug, diesmal in schwarz, versteht sich. Dafür hatte er gute Nachrichten zu verkünden: «Wir werden bis 2018 fünfmal so viele Autos verkaufen wie 2013, nämlich 75‘000.» In zwei Jahren soll der SUV Levante und der Supersportwagen Alfieri ins Programm genommen werden. Gut möglich, dass Marchionne damit Recht behält.

Herzlichen Dank an Hans Treml.

Eine Sammlung der schönsten Maserati gibt es: hier.


Original: radical

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