Mitten im Klassenkampf!, 27. Kitzbüheler Alpenrallye-1781
27. Kitzbüheler Alpenrallye
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Am Grossglockner, so etwas wie das Matterhorn des von anständigen Bergen nicht gerade gesegneten Österreich, taten wir dann keinen Stich. Zwar hatte Vitezslav Kodym, verantwortlich bei Skoda für die Klassiker, etwas von 90 Pferdestärken erzählt. Doch dabei muss es sich eher um tschechische Ponys gehandelt haben. Hart kämpfte der Tscheche mit dem Berg, viel Lärm produzierte der Heckmotor, und nur selten kamen wir über den 2. Gang hinaus. Um im 3. dann gleich wieder zusammenzubrechen. Und dann ist der 2. ja auch quasi a.A., denn runterreissen, das ging am besten mit doppeltem Zwischengas, einem kleinen Tanz mit den Füssen. Andererseits: Es regnete, weiter oben schneite es sogar, es hatte dichten Nebel – und unser Scheibenwischer hatte just in der Anfahrt zum Grossglockner seinen Dienst quittiert. Auch die Lüftung des Skoda MB1100 aus dem Jahre 1967 muss definitiv als arbeitsscheu bezeichnet werden. Also: Nebel auch innen. Deshalb war es vielleicht ganz gut, dass die Pferde nicht zu wild über die Koppel trabten. Es ist zu vermelden: mit dem Tuch innen putzen ist ok, mit dem Tuch auch noch aussen zu putzen, das macht nicht schneller. Unser Kampfgewicht, durch die opulenten Jausen zusätzlich in die Höhe getrieben, trug dann auch noch einen kleinen Teil bei.
Obwohl: Oben auf dem Gipfel gab es da noch eine Zeitprüfung, da waren wir 7,12 Sekunden zu früh, fassten noch einmal 7,12 Strafpunkte. Das lag weniger an der brachialen Kraft des Skoda als mehr am Beifahrer Bernd, der mich auf der Abfahrt dann auch noch souverän an einer Zwischenkontrolle vorbeilotste, noch einmal 50 Punkte aufs Konto, damit konnten wir sämtliche Ambitionen auf eine vordere Platzierung bei der 27. Kitzbüheler Alpenrallye am Fuss des Grossglockners begraben. Einverstanden, gegen die halbprofessionellen Hunderstelsekunden-Räuber hätten wir eh nie eine Chance gehabt, aber, gell, Bernd, ein bisserl besser, genauer, rhythmischer beim Runterzählen wär schon noch möglich, oder?
(Am Schluss wurde es dann der 109. Rang – nach dem 13. Platz am ersten Tag.)
Kitzbühel ist etwas Besonderes. So ein bisschen die österreichische Version von St. Moritz, wobei: Das Städtchen selber ist viel hübscher. In Kitzbühel treffen sich die Schönen und Reichen genauso wie in St. Moritz, doch sie stammen halt meist aus der Umgebung von München. Und vielleicht noch Innsbruck und Salzburg. Doch die Zahl der feisten Bentley und flotten Porsche ist ähnlich gross wie im Engadin, die Herren sind meist grau meliert und tragen wild beschriftete Polo-Shirts sowie dunkle Sonnenbrillen, ihre weiblichen Begleiterinnen sind fast immer deutlich jünger und tragen auch Sonnenbrillen, gesichtsfüllend. Bisserl oder auch mehr Silikon ist auch Mode, und manch ein Fältchen ist beschönigt, auch bei den Jungs, ja: so ziemlich jedes Klischee wird hier bestätigt. Das gilt auch für die «Alpenrallye», die unter dem grosszügigen Patronat des VW-Konzerns steht.
Gehört auch zu Kitzbuehel - Bläserinnen.
Haben wir irgendwo geschrieben, dass das Wetter zumeist... ?
Der deutsche Hersteller sorgt immer auch für einen Grossaufmarsch von (deutschen) Promis, manch ein ehemaliger Rennfahrer oder aktueller TV-Kommissar drehte am Lenkrad eines VW Käfer oder Karmann Ghia (siehe auch: Heikko Deutschmann...), Fernseh-Koch Johann Lafer mühte sich in einem «Bulli» über die Berge. Das Publikum, das am Berg und bei Start und Ziel zahlreich am Strassenrand stand, mag diesen Aufmarsch an Bekanntheiten gerne, er passt auch gut zu Kitzbühel; wir kannten die wenigsten der Damen und vor allem Herren, aber es wurde uns dann schon erzählt - hast Du gesehen...? Der lärmige Rallye-Tscheche dagegen, der war weniger Kitzbühel als vielmehr Plattenbau. Und so erregte unser «Renngerät», der wild beklebte MB1100, der eigentlich ein 1000er war und gleichzeitig auch noch ein 1300er, dann halt ziemlich grosses Aufsehen. Irgendwie verständlich zwischen einem halben Dutzend Mercedes 300 SL aus den 50er-Jahren, alle unterdessen einen siebenstelligen Betrag wert, oder neben dem originalen Renn-Porsche 911 RSR aus den 70er-Jahren, der eher zwei als nur eine Million Euro teuer ist. Gleich hinter unserem Skoda startete ein Lamborghini Espada, und auch sonst gab es unter den über 200 Teilnehmern so ziemlich alles zu sehen, was das Herz des Oldtimer-Freundes höher schlagen lässt – viele Porsche, schöne Jaguar, flotte Ferrari. Mit Abstand grossartigstes Fahrzeug war aber der Hispano-Suiza H6 mit Chapron-Karosserie aus dem Jahr 1922 – oder vielleicht doch der Porsche 904 Carrera GTS von 1964?
Quer durch schöne Berglandschaften wurde das Teilnehmerfeld drei Tage lang gehetzt. Es geht bei solchen Oldtimer-Rallyes ja nicht um Geschwindigkeit, sondern um Gleichmässigkeit, bei den Sonderprüfungen gilt es, vordefinierte Strecken in einer exakten Zeit zu durchfahren. Unser Skoda drängte aber voran, auf den (flachen) Zwischenetappen lieferten wir uns harte Kämpfe gegen bedeutend potentere Konkurrenten.
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Dafür eignete sich der Rallye-Skoda bestens, er ist nicht einfach zu fahren, ganz besonders auf nassen Strassen nicht, da habe ich ihn einmal fast an eine Felswand verloren, der ungewollte Driftwinkel betrug gefühlte 89 Grad, und beim wilden Kurbeln am scharfkantigen Raderl riss es mir noch fast einen Finger von dannen. Aber danach packten wir frohgemut gleich ein ganzes Grüppchen von Mitstreitern, es wurde dieser und auch jener Mittelfinger erhoben, und es war uns sowas von.Mein persönliches Ziel war: einen 300 SL packen. Das haben wir geschafft. Den härtesten Kampf hatte der Skoda mit einem frühen Porsche 911 Turbo, der hat uns mehrfach auf der Überholspur einfach hat verhungern lassen; wir mussten dann wieder hinten einfädeln, welch Schmach. Doch auch die Turbine haben wir versägt, ist alles eine Frage der Taktik beim Überholen; welch noch viel grössere Schmach für den Porsche. Wir nennen das jetzt neu: vorausschauend fahren. Irgendwann, sagten wir uns alleweil wieder, wird das Überholverbot wieder aufgehoben. Und die Geschwindigkeitsbegrenzung auch. Man kann übrigens auch nach Gehör überholen: wenn der Aston weiter vorne hörbar anzieht, dann kann das ja nur bedeuten, dass die Strasse frei ist...
Wir bedanken uns herzlichst bei Skoda: es hat grossartigen Spass gemacht.
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Original: radical