Zäher Bursche, Volvo PV444-1718
Volvo PV444, 1955
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Volvo, lateinisch: «ich rolle», war eigentlich nur ein Versuch. 1915 gründete der schwedische Kugellager-Hersteller SKF eine Testabteilung, die an Automobilen neue Wälzlager erproben sollte. Viel geschah aber nicht, ab 1919 wurde der Name nicht mehr verwendet. Doch es gab da Assar Gabrielsson, einen ehemaligen Verkaufschef von SKF, und Gustaf Larson, einen ehemaligen Ingenieur von SKF, die sich, anscheinend zufällig, im Jahr 1924 trafen und sich bald schon einig waren, dass Schweden auch in die Automobil-Produktion einsteigen sollten. In ihrer Freizeit, heisst es, sollen sie ein Fahrzeug konstruiert haben, 1926 stellten sie es der Geschäftsleitung von SKF vor - und erhielten grünes Licht. Der Name Volvo wurde wieder aus der Schublade geholt, Gabrielsson wurde zum Geschäftsführer ernannt, SKF schoss Geld ein und Gabrielsson sein ganzes Vermögen, und am 14. April verliess das erste Volvo-Automobil, genannt «Jakob», in Lundby die Garage. Bis wenige Stunden vor dieser ersten Ausfahrt hatten die Schweden allerdings noch mit einem kleinen Problem zu kämpfen: der ÖV4 lief zwar, aber nur rückwärts.
Der «Öppen vagn», also das Cabrio, und sein Bruder, der PV4 (personvagn), der im Sommer 1927 dazukam, waren aber nicht die ganz grossen Renner, bis Ende 1929 wurden nur gerade 996 Stück gebaut. Es folgten dann die grösseren Modelle PV650 bis 659, die Produktion zog an, Volvo machte sich, zumindest in Schweden, einen guten Namen als Hersteller qualitativ hochwertiger Fahrzeuge - die alle sehr amerikanisch inspiriert waren. Schön: der PV36, gebaut von 1935 bis 1938, der aussah wie ein Chrysler Airflow, auch nach Brasilien exportiert wurde und deshalb den Übernamen «carioca» erhielt. Am erfolgreichsten waren vor dem 2. Weltkrieg die Modelle PV51 bis PV57, angetrieben von einem 3,6-Liter-Reihensechszylinder, der 86 PS schaffte.
Doch Gabrielsson wusste schon Mitte der 30er Jahre, dass die Zukunft von Volvo nicht bei den luxuriösen Fahrzeugen liegen konnte, es musste etwas Kleineres, Volkstümlicheres her. Er betraute Helmer Petterson mit dem Projekt, verlangte eine selbsttragende Karosserie, kompaktere Abmessungen, eine einfache Konstruktion. Petterson kaufte sich einen Hanomag, wohl Anfang 1940, begann ein bisschen zu rechnen und zu zeichnen. So richtig flott ging das Projekt nicht voran, Schweden war zwar nur am Rande am Krieg beteiligt, doch die Materialien waren knapp. Jeweils im September veranstaltete Volvo damals traditionell eine grosse Ausstellung, und im Jahr 1944 war dort das neue Modell zu bewundern: der PV444. Gemäss dem damaligen Kundenmagazin «Ratten» (übersetzt: das Lenkrad) stand diese Bezeichnung für: 4 Zylinder, 40 PS, 4 Sitze.
4800 schwedische Kronen verlangte Volvo für das neue Modell, das war ein Kampfpreis, es war absehbar, dass man den PV444 gar nicht für so wenig Geld produzieren konnte. Und wohl weil er ein Schnäppchen war, unterschrieben noch auf der Ausstellung 2300 Personen einen Kaufvertrag, die Produktion einer ersten Serie war gesichert. Doch der eigentliche Serienanlauf begann erst 1947, damals lagen schon über 10'000 Bestellungen vor (der Preis hatte sich unterdessen auf 6050 schwedische Kronen erhöht), doch die Schweden konnten nur gerade 1920 Stück ausliefern, 1948 dann auch nur 2176 Exemplare. Auch merkte man, dass Petterson wohl nicht ganz so sauber gearbeitet hatte, die selbsttragende Karosserie brauchte einen zusätzlichen Rahmen; böse Zungen behaupten, das stabilste Teil an der ersten Seie der PV444 sei die Verbundscheibe aus Glas gewesen, die Volvo als erster Hersteller in Serie verwendete.
Schweden erholte sich schneller als andere Länder von den Kriegswirren, in den 50er Jahren ging es steil bergauf, auch beim Volvo und dem PV444. 1953 war er das meistverkaufte Auto Schwedens, eine Kombi-Variante wurde eingeführt, der PV445, besser bekannt als «Duett», auch gab es eine andere Farbe als Schwarz, nämlich: grau. Schon 1951 war der Blinker in Form eines Mastes auf das Dach montiert worden, das sah nicht nur eigenartig aus, sondern gab auch Probleme bei der Herstellung, also wurde das Ding wieder auf der Seite angebracht. 1955 gab es dann ein umfangreiches «Facelift» die bisher geteilte Rückscheibe wurde aus einem Stück gefertigt, die Rücklichter verschwaden von den Kotflügeln, das Reserverad wurde nicht mehr einfach in den Kofferraum gelegt, sondern stehend aufbewahrt, was das Gepäckvolumen um satte 30 Prozent verbesserte. Und erstmals wurde in jenem Jahr Volvo nach Amerika exportiert. Ab 1956 gab es dann aber interne Konkurrenz, den P122, besser bekannt als «Amazon» - der «Buckel» sah dann ein bisschen alt aus. Wobei: 1958 kam ja dann noch der PV544, der direkte Nachfolger, mit der quasi gleichen Form, die bis 1965 bestehen bleiben durfte. Von den PV444 und PV544 wurden in all ihren Versionen genau 444'000 Stück gebaut.
Die ersten 444er (nachträglich PV444A genannt) verfügten über einen 1,4-Liter-Vierzylinder, der zuerst 40, dann 44 PS leistete; geschaltet wurde selbstverständlich manuell, über 3 Vorwärtsgänge. So richtig grob ging das natürlich nicht vorwärts, auch dann nicht, als Ende 1954 die Leistung auf 51 PS stieg (PV444H). Erst ab 1957 wurde die Geschichte etwas flotter, Volvo spendierte dem «Buckel» einen 1,6-Liter-Motor, der in der Basis 60 PS schaffte; für die USA gab es auch eine Variante mit einem Doppelvergaser, die hatte dann stolze 85 PS (und war dank der besseren Aerodynamik sogar schneller als der gleich starke P122, was viele «Amazon»-Käufer ärgerte).
Wir fuhren einen 55er PV444, den gab es auch in Grau. Aussen halt so herrlich klassisch in dieser Farbe - und innen ein Traum, die perfekte Schlichtheit, die uns manchmal etwas wehmütig stimmt, weil heute alles so kompliziert sein muss, digital, hässlich. Das Sitzen ist ein Schwimmfest, der Pilot hat immerhin das Lenkrad, an dem er sich festhalten kann - und die Scheibe direkt an der Nase. Der Motor ist ein zäher Bursche, er mag nicht so recht hochdrehen, wild ist also anders, das grossartige Fahrvergnügen darf man nicht erwarten: im Getriebe reicht die geringe Auswahl, mehr braucht es nicht. Doch dafür handelt es sich bei diesem Exemplar um einen traumhaften Wagen, der Zustand ist, was man so auf den ersten Blick abschätzen kann (und was auch auf den Bildern zu sehen ist), hervorragend. Schon, ein bisschen Patina, aber der Kerl wird ja auch bald 60 Jahre alt, da darf er das. Dieser Volvo PV444 kommt am 30. November in der Oldtimer Galerie in Toffen unter den Hammer, viele «Buckel» in diesem Zustand gibt es wohl nicht mehr.
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Original: radical