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Sturmvogel und Blaumeise, 50 Jahre Porsche 911 (4)-1804

Published in radical-classics.com

50 Jahre Porsche 911 (4)

Ein ganz so übles Volksfest wie heute war die IAA 1963 noch nicht, auch die Wege waren noch bei weitem nicht so weit. Doch die Messe, zu der stolze 850'000 Zuschauer eilen sollten, war schon damals eine der wichtigsten der Welt, und für Porsche war das Heimspiel von höchster Bedeutung. Der neue 901 wurde auch tatsächlich rechtzeitig fertig, am Dienstag, den 10. September 1963, stand er seit kurz vor 19 Uhr auf der Porsche-Ausstellung (die aber selbstverständlich weiterhin von den 356er dominiert wurde). Und so ganz fertig war er halt auch noch nicht: im Motorraum gab es nur eine Attrappe des neuen Sechszylinders. Und der Auspuffendtopf hatte zwei Endrohre, einen Schriftzug gab es noch nicht, auch keine Stosstangen-Hörner und auch keine der seitlichen Zierleisten. Ausgestellt wurde Prototyp Nummer 5, Fahrgestellnummer 13325, gebaut bei Karmann, einigermassen leuchtend gelb lackiert.

Und kaum war der neue Porsche zur Besichtigung freigegeben, steuerte auch schon eine Mercedes-Delegation den Stand an. Schliesslich hatten die Stuttgarter Nachbarn mit dem 230SL, später als Pagode bezeichnet, auch ein komplett neues Modell nach Frankfurt gebracht, zudem noch eines, das eine direkte Konkurrenz zum Porsche darstellte. Bald zogen sich die hohen Herren vom Stern nachdenklich zurück - eine Fahrzeug wie der 901 hatte als technisch nicht machbar gegolten. Und jetzt stand es da. Und stahl dem Benz die Show.

Schon vor der Messe hatte Porsche den Einstandspreis bekanntgegeben: 23'900 Mark. Inklusive Lederausstattung, die es dann beim Serienanlauf nicht einmal als Option gab. Das war in verschiedener Hinsicht ein Risiko, denn es waren satte 7000 Mark mehr als ein 356er kostete - und man wusste bei Porsche ja noch nicht einmal, ob man den Wagen rechtzeitig auf die Strasse bringen konnte. Den potenziellen Kunden versprach man, dass der 901 im Sommer 1964 lieferbar sein würde, aber selbst die Porsche-Mitarbeiter waren skeptisch, ob das überhaupt möglich sein würde.

Noch verdiente man Geld nur mit dem 356er.

IAA 1963

Doch das Kundeninteresse war gross auf der IAA 1963.

So kam es denn auch, dass trotz des neuen Modells auf dem Porsche-Stand noch 400 Kunden erfasst wurden, die sich für den 356er interessierten; 280 davon nahmen sogar die Möglichkeit einer Probefahrt war, davon hätte man in früheren Jahren bei Porsche gern geträumt. Natürlich wurden auch für den 901 erste Kaufsverträge geschrieben, über die Anzahl schwieg sich Porsche aber aus.

Dieser Prototyp Nummer 5, der in Frankfurt ausgestellt war, hatte eine wilde Geschichte. Die Karosserie war im Sommer 1963 bei Karmann in Osnabrück gebaut worden, danach kam er zu Reutter nach Stuttgart, ins alte Werk 1 in Zuffenhausen, wo er gelb lackiert wurde; die Montage erfolgte dann in der Versuchsabteilung von Porsche. Es gab das neue Fahrwerk, vorne tief angeordnete Querlenker mit den längsliegenden Torsionsstäben, dazu McPherson, aber ohne Federbeine, dafür mit Teleskopdämpfern, hinten Schräglenker und Doppelgelenk-Antriebswellen (siehe auch: Entwicklung der Technik).

IAA 1963

Noch verdiente man Geld nur mit dem 356er.

Porsche 901

Doch das Kundeninteresse war gross auf der IAA 1963.

Porsche 902
Porsche 902
Porsche 902?

Rundum Girling-Scheibenbremsen, einen Motor gab es, wie erwähnt, nicht. Auch die Innenaussattung war noch weit entfernt von der zukünftigen Serie, Nummer 5 hatte noch die drei grossen Rundinstrumente, wie sie aus dem 356er bekannt waren, und auch das bekannte dreispeichige Lenkrad.

Gleich, nachdem er in Frankfurt für Furore gesorgt hatte, reiste Prototyp Nummer 5 ins Ausland, verzauberte die Besucher des Pariser Salons (3. bis 13. Oktober 1963). Er wurde gewaschen - und auf die Ausstellung in London geschafft (16. bis 26. Oktober). Und schon ging es weiter nach Turin auf die Messe (30. Oktober bis 10. November). Dann endlich durfte der Wagen zurück nach Stuttgart, wo ihm Mitte November ein Motor eingebaut wurde, noch nicht eine Maschine, wie sie die Serie antreiben sollte, Motornummer 11. Da war noch so ziemlich alles in der Erprobungsphase, Ölpumpe, hydraulischer Kettenspanner, Zylinderkopf-Verschraubung, Schwungrad, Auslassventile, Ventilfedern, Kipphebelbolzen und Ölkühler. Die geplanten Solex-Überlaufvergaser waren noch nicht lieferbar, also behalf man sich mit Solex-Vergaser aus einem Lancia.

Dann ging Nummer 5 auf grosse Fahrt, er sollte (zusammen mit einem zweiten Fahrzeug) bei allen grössern Händlern in Europa Station machen, für erste Probefahrten genutzt werden können (und das, obwohl er nur 120 anstatt der versprochenen 130 PS hatte). Der Wagen wurde dem 28-jährigen Dieter Lenz überlassen und sollte in den nächsten Monaten nach einem akribischen Plan quer durch Europa gefahren werden. Das klappte ab dem 16. Februar 1964 auch bestens - bis nach gut 20'000 Kilometern am 13. Mai ein Kolben festging. Es gab über Nacht einen neuen Motor und weitere Reparaturen wurden durchgeführt, und bereits um 8 Uhr morgens durfte ein weiterer potenzieller Kunde auf dem Beifahrerseitz Platz nehmen.

frühe 911er

Noch verdiente man Geld nur mit dem 356er.

Nummer 5 war auch noch das Testfahrzeug für «auto, motor und sport», bei Kilometer 31'420 brannte wieder ein Kolben durch, und am 3. Juli 1964 gab Lenk Nummer 5 wieder zurück, mit Kilometerstand 46'987. Danach wurde der Wagen noch für weitere Versuche genutzt, am 29. November 1965 hatte er dann einen schweren Unfall und wurde zwei Tage später verschrottet.

Insgesamt wurden 13 Prototypen gebaut, die Serienummer 13321 bis 13327 vor dem Serienanaluf, dazu zwei Versuchsfahrzeuge für den 902 (später als 912 bezeichnet) mit den Nummer 13328/13329, und bis Ende 1964 noch weitere vier Exemplare (13330 bis 13333). Heute existiert noch ein einziges dieser Fahrzeuge, die Nummer 7, die sich heute in amerikanischem Privatbesitz befindet. Dieses Fahrzeug hatte Richard von Frankenberg, noch so ein grosser Porsche-Namen, im April 1965 gekauft, dann blieb es für einige Jahre in Italien verschollen und tauchte Anfang der 80er Jahre in den USA wieder auf. Wie manche dieser Prototypen trug auch Nummer 7 einen Spitznamen, nämlich: Barbarossa. Es gab auch noch Sturmvogel (Nummer 1), Fledermaus (Nummer 2), Blaumeise (Nummer 3), Zitronenfalter (Nummer 4), Quickblau (Nummer 6).

Es ist nun auch noch an der Zeit, die Geschichte zu erzählen, wie der 911er zu seinem Namen kam. Erst im Oktober 1964, nach dem Automobil-Salon in Paris, erfolgte das Veto von Peugeot, das die Namensrechte an allen dreistelligen Zahlen mit einer Null in der Mitte besass, gegen die Bezeichnung 901. Porsche wehrte sich gar nicht, zu eindeutig war die Rechtslage. Doch es musste schnell eine Lösung her, denn die ersten Serien-901 waren schon gebaut, sie sollten am 16. November ausgeliefert werden. Man ging den schwäbischen Weg, sprich: den sparsamen. Weil die Gussvorlagen für 901 ja schon bestanden, wurde einfach eine zweite 1 eingefügt.

Die ganze Liste unserer Geschichten zum 50. Geburtstag des Porsche 911 gibt es: hier.

 

Original: radical

 

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