«Blindschleiche», 50 Jahre Porsche 911 (3)-1803
50 Jahre Porsche 911 (3)
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Mit dem neuen 2-Liter-Triebwerk für den Carrera 2, besser bekannt als der Königswellen-Motor, hatte Porsche ab Ende 1961 ein ganz heisses Eisen im Feuer. 130 PS in der Serienversion, das gab Anfang der 60er Jahre etwas her. Doch die Maschine war in der Konstruktion sehr aufwendig und teuer - und im Unterhalt für eine Grossserie viel zu kompliziert.
Es war damals, als der Carrera 2 auf den Markt kam, aber bereits klar, dass der 356er einen Nachfolger erhalten würde. Und für dieses neue Modell brauchte es einen neuen Motor, der mindestens so stark war wie die Königswellen-Maschine. Zwar beschäftigte sich Porsche in jenen Jahren auch gerade mit Achtzylinder-Motoren, den Typen 753 und 771 für den Formel-1-Rennwagen vom Typ 804, doch auch diese hatten keine Chance für eine grössere Serie. Also wählte Ferry Porsche, auch um die Entwicklungskosten vertreten zu können, die goldene Mitte, einen Sechser. Die Vorgabe lautete: 2 Liter Hubraum, 130 PS.
Der erste Versuch unter Leitung von Claus von Rücker ging ziemlich schief. Der Typ 745 baute zwar sehr niedrig (deshalb hätte er auch als Unterflur-Motor eingebaut werden können), war aber mit über Stosstangen angetriebenen Ventilen auch eine eher konventionelle Lösung. Und kam irgendwie nicht so recht auf Touren, bei 6500/min war definitiv Ende, und das reichte gerade einmal für 120 PS. Der Hubraum wurde dann noch auf 2,2 Liter vergrössert, damit die gewünschten 130 PS möglich wurden, doch das Triebwerk war eine Totgeburt (obwohl es dann noch in den Typ 754 T7 eingebaut wurde), Ferry wollte keine weiteren Versuche mit Stossstangen mehr, es mussten obenliegende Nockenwellen her.
Hier kommen jetzt drei Namen ins Spiel: Hans Tomala, Hans Metzger und Ferdinand Piëch.
Der Typ 754.
Da war man doch schon recht nah...
omala hatte im Frühjahr 1962 von Rücker abgelöst, Metzger wurde aus der Rennmotoren-Entwicklung abgezogen für die Konstruktion des Typ 821, und Piëch war zu Beginn der Arbeiten - die erst im Frühjahr 1962 begannen - zwar noch Student an der ETH, doch er gehörte zur Familie, deshalb galt sein Wort viel. Man beschloss bald, dass der Antrieb für je eine obenliegende Nockenwelle pro Zylinderkopf (Metzger: «Wenn wir schon zwei Nockenwellen einbauen, dann können wir sie auch gleich nach oben verlegen.») über Ketten und einen ölhydraulischen Kettenspanner erfolgen sollte; die Königswellen waren, wie schon erwähnt, zu teuer, ein Zahnradantrieb ebenfalls, der Zahnriemen galt als (noch) zu unberechenbar. Selbstverständlich war auch der Typ 821 eine Boxer-Konstruktion, obwohl man wusste, dass sich bei einem Boxer das Öl in schnell gefahrenen Kurven in der äusseren Zylinderkopfreihe staute. Deshalb konstruierte man eine deutlich höhere Ölwanne; zur Kühlung reichte ein mittig angeordnetes Lüfterrad.Der Typ 754.
Da war man doch schon recht nah...
Aus dem Motorentyp 821 wurde ganz flüssig der Typ 901/01; die Bezeichnung wurde erstmals am 9. Januar 1963 verwendet. Der grösste Unterschied zum Typ 821 war die Schmierung, trotz deutlich höheren Kosten bestanden Metzger und Piëch auf einer Trockensumpfschmierung. Dafür war aber noch eine zusätzliche Welle erforderlich, um die Ölpumpen anzutreiben. Die Brennräume wurden von Metzger noch einmal überarbeitet, die Ventile wurden in einem Winkel von 59 Grad angeordnet (die Einlassventile wurden um 27 Grad, die Auslassventile um 32 Grad aus der Vertikalen versetzt). Von den Achtzylindern für die Formel 1 hatte man die einzelnen Zylinder und einzelnen Zylinderköpfe übernommen: man dachte gleich zu Beginn schon an kontinuierliche Hubraumerhöhungen. Die Entwicklung des Typ 901/01 verlief sehr schnell, doch das Resultat war, wie man heute weiss, absolut grossartig. Selbstverständlich stimmten auch die Daten: 1991 ccm, 131 PS bei 6100/min, ein maximales Drehmoment von 17,8 kpm bei 4300/min (damals wurde noch nicht mit Newtonmeter gerechnet, umgerechnet sind das 174 Nm).
Natürlich musste auch beim Fahrwerk etwas geschehen, der 356er hatte ja nur eine eingeschweisste Vorderachse und die vom Käfer stammende Hinterachse. Ja. über die Jahre arbeitete Porsche heftig an Verbesserungen, so wurde etwa einem 356er eine Mercedes-Doppelquerlenker-Vorderachse aus dem 180er eingebaut (plus die Kugelumlauflenkung), doch für das neue Modell reichte das natürlich nicht aus. Zwar hatten die Fahrwerksspezialisten Leopold Schmid und Helmut Rompold schon bald nach der Genehmigung für die Versuche an einem neuen Modell im Jahre 1959 mit ernsthafteren Versuchen begonnen, doch Anfang 1961 waren sie noch nicht entscheidend weitergekommen, man hatte erste Befürchtungen, dass ein komplett neues Fahrwerk bis Juli 1963 nicht mehr zu schaffen sei. Auch deshalb nicht, weil 1961 ja schon feststand, dass man wahrscheinlich nicht um ein neues Fahrgestell mit McPherson-Federbeinen herumkommen würde, weil man sich ja dringend auch eine Vergrösserung des Kofferraums wünschte.
Der Typ 754.
Bald merkte man aber, dass man beim McPherson-Querlenker-Prinzip auch ohne Fahrschemel auskommen konnte. Diese neue Lösung, als Stossdämpferachse bezeichnet und erstmals präsentiert Anfang 1963, erschien derart plausibel, dass sofort die einzelnen Komponenten bestellt wurden. Das schien auch tatsächlich zu funktionieren, nachdem zur Verbesserung des Kurvenverhaltens auch noch ein Stabilisator verwendet wurde, der quer zur Fahrzeuglängsachse lag und über Hebel und Gehänge die Vorderräder miteinander verband. Für die Lenkung wurde eine Zahnstangen-Konstruktion verwendet, die nur knapp über dem Karosserieboden eingebaut werden konnte. Die Lenksäule ist deshalb zweimal geknickt, was aber auch zusätzliche Sicherheit brachte; zudem konnte die Lenkungsspindel in der Mitte angebracht werden, damit war es kein Problem, den Wagen als Rechts- oder Linkslenker zu bauen.Doch da war immer noch die Hinterachse; der erste Prototyp war immer noch mit der 356er-Hinterachse unterwegs. Erst Mitte 1962 wurde entschieden, dass es auf jeden Fall eine Einzelradaufhängung sein musste. Wie beim 356er wurden die hinteren Räder an Längslenkern aufgehängt, die über querstehende Drehstäbe abgestützt wurden; dazu kamen hinter den Rad montierte Teleskopstossdämpfer, die deshalb einen grossen Federweg hatten. Erste Versuche verliefen positiv, doch es musste in den folgenden Monaten noch sehr viel gefeilt werden, vor allem am Sturz und am Nachlauf. Als Ferry Porsche aber eines der ersten Vorserienfahrzeuge erhielt, bemängelte er schon nach wenigen Stunden Fahrt den schlechten Geradeauslauf. Es wurde weiter geändert, die bei den Prototypen noch verstellbaren Achsaufnahmen eingeschweisst, doch die Null-Serie war bereits am Band, dort konnte nichts mehr geändert werden. Dass die frühen 911er so gar nicht gut geradeaus liefen, trug ihnen den Übernamen «Blindschleiche» ein.
Entsprechend negativ fiel dann auch ein erste Testbericht in «auto, motor und sport» (Ausgabe 2/1965) aus, in dem Reinhard Seiffert die «unbefriedigende Richtungsstabilität bei Seitenwind und auf unebener Fahrbahn» bemängelte sowie «die fahrbahnempfindliche, grosse Haltekräfte erforderende Lenkung».
Was schön aufzeigt, dass auch beim Porsche 911 nicht alles von Beginn so glorreich war, wie man das heute gerne glauben will.
(Wir zeigen hier noch die Bilder des Typ 754 und seiner weiteren Entwicklungen, ganz einfach deshalb, weil wir im zweiten Teil den Typ 695 gezeigt hatten und weil wir sonst keine Gelegenheit mehr haben. Und weil wir Teleskopstossdämpfer und Kettenspanner nicht so sehr sexy finden. Es sei uns verziehen, es kommt dann schon noch Technik auch im Bild.)
Mehr Porsche gibt es im Archiv. Den Überblick über unsere Serie finden Sie: hier.
Original: radical