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Wohin des Weges?, 50 Jahre Porsche 911 (2)-1801

Published in radical-classics.com

50 Jahre Porsche 911 (2)

Eine kleine Serie zum 50. Geburtstag des Porsche 911, Jahr für Jahr, mit einigen Seitensprüngen - widmen wir uns doch der Entstehungsgeschichte des Designs.

Es wird oft geschrieben, dass der Porsche 911 eigentlich aus der Not entstanden sei, der 356er sei ausgelutscht gewesen, er habe Anfang der 60er Jahre dringend einen grösseren, stärkeren Nachfolger gebraucht. Das mag zum Teil stimmen, doch wenn man die Entstehungsgeschichte des 911 ein bisschen genauer anschaut, dann muss man früher anfangen, Mitte der 50er Jahre und dann vor allem ins Jahr 1959 zurückschauen, und da war der 356 alles andere als am Ende, da hatte er seine Höhepunkte noch vor sich. Und trotzdem bastelte man in Stuttgart intensiv an einem neuen Modell - nicht in der Not, sondern wahrscheinlich eher mit dem Gedanken, dem einzigen Modell noch einen grösseren Bruder zur Seite zu stellen. Vielleicht eine etwas gewagte These, doch wahrscheinlich nicht ganz abwegig, wenn man die Entstehungsgeschichte des 911ers anschaut. (In dieser Geschichte gibt es übrigens einige Punkte, die sind nicht ganz klar, vom chronologischen Ablauf her - wer immer da Gewissheit verschaffen kann, mag sich melden.)

Mitte der 50er Jahre also, da war der 356er bestens in Schuss. Und doch äusserten die Kunden natürlich Wünsche, mehr Platz vor allem, für die hinteren Passagiere, aber auch für das Gepäck. Ausserdem wussten die Ingenieure, dass der luftgekühlte Vierzylinder, der ja das Triebwerk aus dem VW Käfer als Basis hatte, irgendwann an seine Leistungsgrenzen stossen würde, es eigentlich mit 1,6 Liter Hubraum schon war. Es kam dann zwar noch der 2-Liter-Carrera, doch der konstruktive Aufwand für diese wunderbare Maschine rechnete sich nicht - es bestand halt schon der Wunsch nach sechs Zylindern.

Es begann das Basteln. Das heisst: es hatte schon früher begonnen, mit einer viersitzigen Variante des 356er, die der Käfer- und 356er-Designer Erwin Komenda schon Anfang der 50er Jahre auf die Räder stellte.

Noch unverkennbar ein 356er...

Oder ein Panhard?

Dies Ding wurde als Typ 530 bezeichnet, und es war gar nicht so übel. Doch damals war der Bedarf noch nicht richtig gross, es bestand auch kein Lastenheft, man hatte auch sonst genug zu tun.

Dann, im Juli 1957, stand plötzlich eine bekannte Designergrösse vor der Tür: Albrecht Graf von Schlitz genannt von Görtz und von Wrisberg, geboren am 12. Januar 1914 auf dem Rittergut Brunkensen/Alfeld. Über Albrecht Graf von Goertz würde es manch eine Geschichte zu erzählen geben, wir halten uns hier daran, dass er ab 1953 für BMW arbeitete, dort den wunderbaren 507 und den unterschätzten 503 («der 507 ist gut, aber der 503 ist einfach wunderschön», sagte einst Pinin Farina) auf die Räder brachte - und deshalb in Deutschland einen ausgezeichneten Ruf geniessen durfte. Goertz arbeitete sowohl in Stuttgart wie auch in New York, er verschaffte Porsche zwei Modelle, eines war sehr amerikanisch («ein wunderschöner Goertz, aber kein Porsche», wie Ferry Porsche anmerkte), der zweite Entwurf - Typ 695 - war dann aber schon tauglicher.

Noch unverkennbar ein 356er...

Oder ein Panhard?




Trotzdem: es wurde nichts aus der Ehe zwischen Goertz und Porsche, nach neun Monaten fand die Zusammenarbeit bereits ein Ende. Dass Goertz für Porsche gearbeitet hat, wird allerdings in den meisten 911er-Büchern nicht einmal erwähnt.

Wir schreiben unterdessen bereits das Jahr 1959, und langsam wurde die Nachfolge oder zumindest die Familienerweiterung des 356 zu einem echten Thema. In der Zwischenzeit war Ferdinand Alexander Porsche, genannt «Butzi», ins Unternehmen eingetreten. Und am 28. August 1959 begann er sich ernsthaft mit der Arbeit an einem Fahrzeug, das sein grösster Erfolg werden sollte. Er orientierte sich vorerst am Typ 530, übernahm dessen Radstand von 2,4 Metern (der 356er verfügt über einen Radstand von 2,1 Meter) - und entwarf ein Fahrzeug, das als Typ 754 T7 berühmt werden sollte. Schon am 9. Oktober war ein erstes Plastilin-Modell fertig, das intern grossen Zuspruch fand, und über die Weihnachts- und Feiertage 59/60 wurde bereits ein 1:1-Modell hergestellt; es rollte auf den 356er-Achsen. Wenn man das Teil heute betrachtet, dann ist man erfreut, verwundert, wie nah der erste Vorschlag von «Butzi» der späteren Realität schon kam.

Es gab aber nochmals einen Umweg. Der Typ 754 T7 verfügte, wie erwähnt, über einen Radstand von 2,4 Metern: Ferry Porsche verlangte aber ultimativ, dass es maximal 2,2 Meter sein dürfen. Also begann das Spiel von vorne, F.A.Porsche bastelte am Typ 644 T8 - und Erwin Komenda kam auch noch einmal ins Spiel, mit dem Typ 754 T9 (von dem es dann drei verschiedene Varianten gab, T9/1, T9/2 und T9/3). Doch Komenda entfernte sich schnell selbst aus dem Rennen, er wurde immer schwülstiger, seinen Entwürfen fehlte nicht nur die Eleganz, sondern auch die Kraft, die Harmonie. 1961 wurde Ferdinand Alexander Porsche zum Leiter der Modellabteilung ernannt, damit war klar, wohin die Reise gehen sollte.

Noch unverkennbar ein 356er...

Der Typ 644 T8 hatte anfangs einen Radstand von 2,1 Metern, war aber ein reiner Zweisitzer. Butzi gab 100 Millimeter dazu, damit war man dann beim 2+2-Sitzer. Wir schreiben aber unterdessen Oktober 1961 - jetzt musste es schnell gehen. Es kamen aber jetzt natürlich auch noch die technischen Neuerungen dazu, die man für das neue Modell eingeplant hatte, doch diesen Dingen wollen wir uns in einer anderen Geschichte widmen, hier geht es nur um die Optik.

Mitte April 1962 waren dann ein erstes Anschauungs- sowie ein Sitz-Modell mit dem endgültigen Radstand entstanden. Diverse Kleinigkeiten waren aber noch nicht geklärt, etwa die Lufteinlässe vorne und hinten sowie die Anordnung des Tankstutzens (darüber wurde endgültig erst drei Wochen vor der IAA entschieden...). Um diese Zeit begann Karmann in Osnabrück, ein bewährter Porsche-Partner, bereits mit der Konstruktion der Werkzeug für den Karosseriebau - es war ja schliesslich geplant, dass unmittelbar nach der IAA im Herbst 1963 mit der Serienproduktion begonnen werden sollte, ein sehr ehrgeiziger Zeitplan. Die ersten zwei Ur-Modelle wurden von der Porsche-Führung am 15. November 1962 in Osnabrück besichtigt und abgenommen. Da gibt es allerdings ein kleines Fragezeichen: Entwicklungsleiter Helmuth Bott fuhr bereits am 9. November 1962 einen ersten Prototypen des unterdessen als 901 bezeichneten Modells.

Mit der endgültigen Gestaltung des Innenraums war man noch mehr im Verzug. Erst Ende März 1963 wurde aus zwei Entwürfen die definitive Form gewählt, kurz darauf entstand der Fahrwagen III. Spannend ist auch, dass die endgültigen Konstruktionszeichnungen zwischen dem 26. Juni und 18. Dezember 1963 angefertigt wurden, was aufzeigt, dass beim neuen Modell sehr viel improvisiert wurde. Auch spannend: diese Konstruktionszeichnungen zeigen vier verschiedene Coupé (unter anderem eines mit einem Faltschiebedach - und eines mit einem abnehmbaren Stahldach...) sowie zwei verschiedene Cabrio-Versionen. Doch über eine allfällige Produktion wollte man Porsche noch nicht entscheiden, die IAA sollte abgewartet werden, dort wollte man schauen, hören, fühlen, wie das neue Fahrzeug aufgenommen wurde. Und so ganz überzeugt war man nicht: «Wenn das Auto kommt, gehen wir unter», war Ernst Bolt, der für den Modellbau zuständig war, überzeugt.

Ach ja, die Bezeichnung. Erstmals als 901 wurde das Fahrzeug in einem Schriftverkehr vom 17. Mai 1962 bezeichnet, zuerst noch mit der Zusatzbezeichnung T8. Die Geschichte, dass der 901 die 901. Konstruktion des 1937 gegründeten Konstruktionsbüros Porsche gewesen sein soll, kann nicht stimmen, denn eine systematische Zählweise gab es da nie. Der Hintergrund ist anders (und ein gewisser Bezug zur Aktualität lässt sich nicht abstreiten): Anfang der 60er Jahre sollten die Organisationen von Volkswagen und Porsche verschmolzen werden. Deshalb wurde in der Zentrale in Wolfsburg nach freien Nummer für die Ersatzteile gesucht - und gefunden wurden die Zahlen der 900er-Reihe. Der 901 sollte das erste Modell der mehr als nur angedachten Fusion werden (und deshalb trugen und tragen die Porsche-Modelle bis heute 9er-Nummern). Dass dann alles noch einmal anders kommen würde, das wusste bis zur IAA 1963, die am 12. Septmeber ihre Tore öffnete, allerdings noch niemand.

Wir zeigen hier Bilder zu den Typen 530 und 695, die man wohl noch nicht so oft gesehen hat. Die Bilder zu den Typen 754 und 644 folgen dann in der nächsten Geschichte.

Mehr Porsche gibt es im Archiv. Den ersten Teil unserer 911er-Geschichte finden Sie: hier.

 

Original: radical

 

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