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Corvette, 1958-1960

Published in radical-classics.com

Alles wird gut

Noch nicht erstellt
Das waren noch Zeiten. In den 50ern spendierte General Motors seinen Bestsellern, vor allem jenen von Chevrolet und Cadillac, Jahr für Jahr eine Schönheitsoperation. Und nein - es waren jeweils nicht nur Details, wie das heute so ist beim Facelift zur Mitte des meist siebenjährigen Modellzyklus moderner Fahrzeuge, ein neues Blinkerchen, andere Farben, noch LED-Lämpchen zusätzlich beim Tagfahrlicht - da wurde, teilweise, richtig grob hingelangt. Die Corvette, von der 1957 6339 Stück abgesetzt werden konnten, gehörte aber nicht zu diesen Verkaufserfolgen. Deshalb musste sie sich zwei Jahrgänge gedulden, bis sie aussen wieder überarbeitet wurde.

In verschiedenen Quellen wird das Design der 58er-Vette dem Übervater des Automobil-Designs, Harley Earl, zugeschrieben. Es besteht kein Zweifel daran, dass Earl die treibende Kraft hinter der Geburt der Corvette gewesen ist. Aber dass er fünf Jahre später, im Jahr seiner Pensionierung als GM-Designchef, noch einmal federführend gewesen sein soll… Wir wissen es nicht. Sicher ist, dass die Zeichnungen für das neue Modell über seinen Tisch gegangen sind, aber ob er wirklich noch einmal selber Hand angelegt hat, werden wir wohl nie erfahren.

Wie auch immer. Die 58er-Corvette sah nicht nur behäbiger aus als ihre Vorgänger - sie war es auch. Das Gewicht stieg um rund 100 Kilo gegenüber dem 57er-Modell auf neu über 3000 Pfund. Die Länge nahm um 9,2 inch (23,4 Zentimeter) auf 177,2 inch (4,50 Meter) zu, die Breite um 2,3 inch (5,8 Zentimeter) auf 72,8 inch (1,85 Meter). Am auffälligsten am neuen Design - ob nun von Earl oder auch nicht - sind sicher die Doppelscheinwerfer vorne sowie, weit weniger auffällig, aber dafür umso schöner, die perfekt in den Hintern integrierten Heckleuchten. Es gab noch einige weitere optische Gimmicks: ie Finnen etwa auf dem Kofferraumdeckel, oder die nichtsnutzigen Luftrippen auf der Motorhaube. Wichtiger war da schon, dass die Stossstangen - von der Grösse her weiterhin eher ein Scherz als tauglich - jetzt tatsächlich am Rahmen montiert waren, nicht mehr an der eh zerbrechlichen Fiberglasskarosse.

Wir haben es hier mit einem 59er-Modell zu tun. Vorne: ein 58er.


Die 59er waren glücklicherweise weniger chrombefrachtet als die 58er.

Auch innen räumte Chevrolet tüchtig auf. Alle Uhren (ausser der Uhr) wurden nun direkt vor den Fahrer plaziert, ähnlich wie bei der geheimnisumwitterten Option 579E von 1957, den berühmten «Airbox»-Corvette. Auch der Tourenzähler reichte bis stolze 8000/min. Die Sitze waren immer noch schlecht. Vor allem boten sie weiterhin kaum Seitenhalt, was nicht besonders angenehm war, denn die 58er-Vetten waren ziemlich nette Sportgeräte, auch wenn sie ein paar Pfunde zugenommen hatten.

Unter der Haube passierte nicht viel. Es gab weiterhin zwei Vergaser-Modelle: das Standard-Modell mit 230 PS, ein zweites mit zwei Carter-Vierfach-Vergaser (2613) mit 245 PS sowie ein weiteres, nochmals mit zwei Carter-Vierfach-Vergasern (2614) mit 270 PS. Erstaunlicherweise wurden die «klassischen» Vergaser weit häufiger gekauft als jene Fahrzeuge mit Benzineinspritzung: Von den 9168 verkauften Exemplaren - 1958 schrieb Chevrolet mit der Corvette erstmals schwarze Zahlen - waren nur gerade 1500 mit dem Ramjet ausgerüstet.

Wir haben es hier mit einem 59er-Modell zu tun. Vorne: ein 58er.


Die 59er waren glücklicherweise weniger chrombefrachtet als die 58er.




Auch bei den «Fuelies» gab es wieder zwei Versionen: eine mit 250 Pferden, die andere neu mit 290 PS. Das manuelle Dreigang-Getriebe blieb Standard, doch schon über 40 Prozent der Corvette-Kunden wählten das manuelle Viergang-Getriebe für 215 Dollar Aufpreis. Der Basispreis für die 58er-Vette lag bei jetzt doch happigen 3591 Dollar.

Von der Presse wurden die Veränderungen gut aufgenommen, und das Handling sowie die Fahrleistungen manchmal etwas gar heftig gelobt. Sprints von 0 auf 60 Meilen unter 8 Sekunden waren die Regel, die Höchstgeschwindigkeit lag schon mit der Basis-Maschine bei über 200 km/h. Und wer wollte, konnte die Vette weiterhin zu einem sehr schnellen Sportgerät aufrüsten. Mit dem stärksten Motor, dem manuellen Viergang-Getriebe, dem Sperr-Differential «Positraction» (nur 48,45 Dollar Aufpreis) und dem so genannten «heavy duty»-Fahrwerk (für happige 780,10 Dollar) war man im Amateurrennsport vorne mit dabei, und das auch gegen deutlich teurere Jaguar, Porsche und sogar Ferrari. Wenig Lob erhielten einzig die neuen «Cerametallic»-Bremsen, die im «heavy duty»-Package inbegriffen waren, denn diese tendierten dazu, heftig auf eine Seite zu ziehen. Dummerweise nicht immer auf die gleiche.

Bill Mitchell, der Nachfolger von Harley Earl als Designchef von GM und in der Folge eine ähnlich legendäre Figur, gab später zu, dass die 58er-Vette vielleicht ein bisschen gar verspielt waren, optisch, dass zu viel Chrom verwendet wurde. Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung, und darum wurde die 59er-Vette optisch wieder etwas entspannt. Die unnötigen Rinnen auf der Motorhaube verschwanden wieder, genau wie die Finnen auf dem Kofferraum-Deckel. Innen wurde die Uhren mit einem konkaven Glas versehen. Damit konnte man nun tatsächlich sehen, wie schnell man fuhr und wie hoch der Motor gerade drehte. Und auch neu war der so genannte «T»-Schalthebel - man musste ihn nun leicht anheben, um den Rückwärtsgang einlegen zu können. Die Sitze wurden endlich verbessert und boten nun einen Anflug von Seitenhalt. Ausserdem gab es ein winziges Handschuhfach, in dem aber knapp ein Handschuh Platz fand.

Wir haben es hier mit einem 59er-Modell zu tun. Vorne: ein 58er.

Mechanisch die wichtigste Veränderung waren sicher die verbesserten Bremsen, die es als Option 686 für gerade einmal 26,90 Dollar zu kaufen gab. 9670 Corvette wurden 1959 verkauft, der grosse Renner war der Chevrolet weiterhin nicht.

Kein Wunder also, dass die GM-Design-Abteilung schon heftig an einem Nachfolger bastelte. Bereits 1957 war die so genannte Q-Corvette entstanden, ein höchst spannendes Konzept mit Transaxle-Bauweise, innenliegenden Scheibenbremsen, einer hinteren Einzelradaufhängung und einem 4,6-Liter-V8 komplett aus Alu. Das Gefährt wog nur 2225 Pfund, und es hätte die Corvette sicher auf den richtigen Weg gebracht. Aber 1958 befand sich die US-Autoindustrie gerade in einer kleinen Krise, und das bedeutete den Tod für dieses Projekt. 1959 versuchten sich Bill Mitchell und sein Team am XP-700, eine wilde Konstruktion. Vorne sah er aus wie ein ramponierter Ferrari 250 GT von Pininfarina, hinten wurde das zukünftige Stingray-Heck vorweg genommen. Sehr schräg auch die «Double Bubble»-Glaskuppel, die dem XP-700 Ende des Jahres noch aufgesetzt wurde. Mitchell fuhr den Wagen ein Jahr lang privat durch die Gegend, aber mehr als eine Fingerübung war dieses Konzept (zum Glück) nicht.

Doch anstatt der Vette für den Modelljahrgang 1960 einen neuen Kick zu verleihen, blieb das Fahrzeug - äusserlich - quasi unverändert. Immerhin tat sich unter der Haube so einiges. Zwar blieben die Vergaser-Modelle (230, 245, 270 PS) gleich, doch die «Fuel Injection»-Varianten hatten neu 275 PS bei 5200/min sowie, mit einer Verdichtung von 11,0:1, sogar satte 315 PS bei 6200/min. Es gab eine verstärkte Kupplung für das manuelle Viergang-Getriebe (die Powerglide-Automatik war nur noch für die Vergasermodelle erhältlich), einen thermostatisch kontrollierten Lüfter sowie, auf Wunsch, einen 24-Gallonen-Tank. Auch das Fahrwerk wurde sanft verbessert, die Spur hinten um einen Inch (2,54 Zentimeter) verbreitert, was die Vette mit einem verbesserten Handling dankte.

Anfang des Jahres experimentierte Chevrolet auch mit ganz speziellen Alu-Zylinderköpfen, die aber nur für die Ramjet-Modelle erhältlich waren. Diese «heads» waren mit Silikon beschichtet, doch sie hatten die unangenehme Eigenschaft, nicht bloss schnell zu überhitzen, sondern sich dann auch noch zu verformen. Chevrolet gab den Versuch schnell auf.

Nicht ganz so schnell aufgeben wollte allerdings Bill Mitchell. Er wusste 1959 ja bereits, dass die Corvette auch 1961/62 nicht gross verändert werden würde, hatte aber das persönliche Bedürfnis, seinem liebsten Spielzeug wieder etwas Leben einzuhauchen. Noch 1959 bezahlte er aus der eigenen Kasse 500 Dollar, um den berühmten Corvette SS (offiziell: Corvette SS XP-64) zu kaufen. Er gab Larry Shinoda den Auftrag, eine neue Karosse für den Wagen zu kreieren. Shinoda schaute sich die Q-Corvette genau an (und wohl auch den Ghia IXG, der 1957 in Turin vorgestellt worden war, ein sehr aussergewöhnliches Design vom Tom Tjaarda), und verpasste dem Wagen, der auf den Namen Stingray Racer XP-87 getauft wurde, eine Optik, die viel von der nächsten Generation der Corvette (ab 1963) vorwegnahm.

Die 60er-Vetten schafften erstmals mehr als 10'000 verkaufte Exemplare, 10'261, um genau zu sein. Das lag sicher auch daran, dass Chevrolet die Preise für den neuen Modelljahrgang nicht erhöht hatte, im Gegenteil: Mit einem Basispreis von 3872 Dollar waren die 60er-Versionen sogar noch 3 Dollar günstiger als jene von 1959. 1960 war auch das einzige Jahr, in dem die Farbe «Cascade Green» erhältlich war; keine so schlechte Entscheidung, die Vette später nicht mehr in diesem süssen Bonbon-Ton zu lackieren.

Teil 1: Corvette 1953-1955.
Teil 2: Corvette 1956/57.


Original: radical

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