Verleiht Flügel, Dodge Polara-1644
Dodge Polara, 1960
Noch nicht erstellt
Virgil Max Exner, geboren 1902, verstorben 1973, war einer der wirklich stil-bildenden, wichtigen amerikanischen Auto-Designer, auch wenn er in Europa kaum je Bekanntheit erlangt hat. Er wollte Kunst studieren, hatte aber zu wenig Geld, und musste deshalb eine Stelle als Werbegrafiker annehmen. Als Zeichner kam er dann auch zu Studebaker, wo ihn der amerikanische Design-Papst Harley Earl entdeckte und zu General Motors holte. Doch schon kurz darauf, 1938, wurde Exner von Raymond Loewy (Lucky Strike, Greyhound-Bus, Shell-Muschel...) abgeworben, doch die beiden Herren verstanden sich nicht besonders gut, auch deshalb nicht, weil Exner so nebenbei weiterhin für Studebaker arbeitete. Loewy warf ihn raus, beanspruchte aber alle Patente für die Exner-Zeichnungen. Was ihm dann wiederum Ärger mit Studebaker eintrug, die umgehend Exner als Designer engagierten. 1949 wechselte Exner zu Chrysler.
Es waren wilde Jahre, damals, kurz nach dem 2. Weltkrieg. Das Automobil-Design stand vor einer grossen Erneuerung. Die führende Figur war natürlich Harley Earl, der schon 1948 die ersten Modelle mit kleinen Heckflossen und so etwas wie aerodynamischem Design vorstellen konnte, die Cadillac des Jahrgangs 1948. Exner wurde davon inspiriert, er liebte sowohl Flossen wie auch Aerodynamik, versuchte seinen Vorgesetzten, das ihm Windkanal zu erklären, doch es sollte einige Jahre dauern, bis er seine Ideen durchsetzen konnte. Doch Exner war auch einer der ersten amerikanischen Designer, der über den grossen Teich schaute, seine Freundschaft mit Luigi Segre von der Carrozzeria Ghia in Turin brachte für Chrysler einige aussergewöhnliche Fahrzeuge.
Der grosse Schnitt kam für Chrysler 1955. Das Unternehmen war wieder einmal in einer Krise, und Exner konnte die Unternehmensführung überzeugen, die 55er-Modelle radikal anders zu gestalten. Und weil dies viel Geld kostete, nahm das Unternehmen diese Änderungen auch gleich in die Werbung auf und nannte die Kampagne: «The new 100 Million Dollar Look».
Als Cabrio geht es ja noch so einigermassen...
... aber als Hardtop-Coupé: schwer verständlich.
Legendär sind die Chrysler-300-Modelle, die Exner zeichnete - elegant, sauber, klar, präzis, so ganz anders als alles, was damals in den USA gebaut wurde. Und die Chrysler wurden sofort zum Erfolg, denn es gab in den Vereinigten Staaten viele Kunden, die das teilweise sehr wuchtige, überladene Design von General Motors nicht schätzten.In den folgenden Jahren perfektionierte Exner sein Design, es entstand der «Forward Look», sprich: nicht mehr unendlich lange Motorhauben standen im Zentrum, die Position des Fahrers wanderte, nicht nur optisch, deutlich weiter nach vorne. Und Exner wurde zum Design-Star, vielleicht nicht ganz auf Augenhöhe mit Harley Earl, doch er hatte für Chrysler (und die dazugehörigen Marken Dodge sowie Plymouth) eine eigene Designsprache gefunden, die er auch durchziehen konnte. Doch da war immer noch seine Liebe zu diesen Heckflossen...
Als Cabrio geht es ja noch so einigermassen...
... aber als Hardtop-Coupé: schwer verständlich.
1960 erhielten alle Fahrzeuge des Chrysler-Konzern erstmals eine Monocoque-Karosserie, so auch das neue eingeführte Dodge-Modell Polara. Der Polara sollte zusammen mit dem Matador das Spitzen-Modell von Dodge darstellen, also musste auch ein ungewöhnliches Design her. Exner hatte jede Menge Spielraum, denn der Polara verfügte über einen Radstand von satten 3,1 Metern und wurde 5,51 Meter lang. Das Jahr 1959 hatte in den USA die grössten je gesehenen Heckflossen hervorgebracht, die es je gegeben hatte (Cadillac Eldorado, Chevrolet Impala), auch die Chrysler hatten wilde Flügel. Der Polara lehnte sich optisch klar an diese 59er-Modelle an, doch Exner arbeitete alles noch radikaler aus, mehr Chrom, viel mehr Chrom, die Heckflossen waren zwar relativ kurz, aber dafür sehr hoch. Nein, der Polara, den es als Cabrio, Hardtop-Coupé, viertürige Hardtop-Limousine (ohne B-Säule), viertürige Limousine (mit B-Säule) und sogar fünftürigen Kombi gab, war sicher nicht der beste Exner-Entwurf aller Zeiten, aber sicher einer der aussergewöhnlichsten.
Unter der Haube arbeitete natürlich ein V8, in der Standard-Ausführung mit 5,9 Liter Hubraum und etwa 300 PS, doch dann gab es noch die D-500-Option mit 6,3 Liter Hubraum und etwa 325 PS; geschaltet wurde über die so genannte TorqueFlite, eine 3-Gang-Automatik. In Sachen Leistung war auch der D-500 nicht ganz auf der Höhe mit Chevrolet und Ford, doch der Dodge konnte mit seiner souveränen Kraftentfaltung gefallen. Warum der D-500 so hiess, das weiss man nicht, denn weder Hubraum (383 cubic inch) noch maximales Drehmoment (435 Nm bei 2800/min) hatten etwas mit dieser Zahl zu tun. Anscheinend wollte Dodge 1956, als die D-500-Option erstmals auftauchte, unbedingt das Pace Car bei den 500 Meilen von Indianapolis stellen, was aber nicht gelang, und deshalb ist auch diese Erklärung ziemlich dürftig.
Als Cabrio geht es ja noch so einigermassen...
Die 60er Polara (und auch Matador) waren ein grober Schlag ins Wasser für Dodge, die Autos verkauften sich gar nicht gut. Schon 1961 wurde das Design deutlich vereinfacht, 1962 wurde der Matador aus dem Programm gestrichen. Den Namen Polara verwendete Dodge noch bis 1973.Die beiden hier gezeigten Fahrzeuge, ein Polara D-500 Convertible und ein Polara D-500 Hardtop Coupé, wurden kürzlich von RM Auctions in den USA versteigert. Das Cabrio wurde für 123'750 Dollar zugeschlagen, das Coupé kam auf 85'800 Dollar. Stolze Preise für zwei Fahrzeuge, deren Design auch heute noch sehr kontrovers anmutet. Doch genau das ist wohl auch der Grund: genaue Verkaufszahlen gibt es nicht, doch man darf davon ausgehen, dass vom Polara-Cabrio kaum mehr als 1000 Stück produziert worden sind.
Original: radical