Heisser Kühlschrank, Iso Grifo-1638
Iso Grifo
Ihr Geld hatte die italienische Familie Rivolta mit Kühlschränken gemacht. Doch Renzo Rivolta, geboren 1908 und zum Ingenieur ausgebildet, war das auf Dauer ein wenig langweilig, also konstruierte er nach dem 2. Weltkrieg zuerst Motorräder und schliesslich den ersten Kühlschrank auf Rädern, ein Automobil, das ab 1954 als Isetta bekannt wurde. Wenn man das Ding genau anschaut, dann ist schnell alles klar: die Fronttür wird aufgeklappt, doch anstatt dass man sich dann ein Bier rausholt, setzt man sich hinein. Die Isetta war eine geniale Konstruktion, und so richtig berühmt wurde sie als Lizenzbau von BMW; die Deutschen konnten über 130'000 Stück davon verkaufen (und brachten damit das Unternehmen wieder so einigermassen auf den Weg). Für Renzo, der die Isetta-Lizenz ausserdem nach Frankreich, England und Brasilien verkaufen konnte und damit einen ordentlichen Batzen verdiente, konnte sich endlich auf das konzentrieren, was sowieso zu seinem mächtigen Ego passte: Sportwagen.
Es heisst, er habe sich 1960 einen Gordon-Keeble GT ausgeliehen, einen englischen Gran Turismo , der von einem Chevrolet-Triebwerk befeuert wurde. Renzo soll dieses Ding, das heute kaum einer mehr kennt, in seinem Werkstatt mitgenommen habe, es dort quasi in seine Einzelteile zerlegt, dann wieder zusammengebaut und nach einigen Tagen zurückgebracht haben. Danach wusste er genau, was er brauchte. Jetzt wird die Geschichte aber bereits etwas eng, denn: der Gordon-Keeble, ein durchaus spannendes Gefährt, wurde erst ab 1963 in Serie gebaut...
In der offiziellen Geschichtsschreibung heisst es ausserdem, dass Renzo Rivolta sich an Giotto Bizzarrini wandte, damit ihm dieser den schon angedachten Iso Rivolta auf die Strasse brachte.
Nicht absolut original, dieses Teil, die Front stammt von einem Serie II.
Aber die Form: wunderbar.
Bizzarrini, dieser Tausendsassa der italienischen Auto-Industrie, war massgeblich an der Konstruktion der Ferrari 250 GT Spider California, 250 GT SWB und 250 GTO beteiligt gewesen, hatte sich aber im Herbst 1961 mit dem grossen, grossen «Commendatore» Enzo Ferrari zerstritten und zusammen mit einigen anderen Ferrari-Führungskräften Maranello verlassen (in der Automobil-Geschichte bekannt als der September-Putsch). Herbst 1961 also - und schon 1962 war der Iso Rivolta 300 (die Bezeichnungen variieren, IR 300, GT, was man halt gerade mag) fertig? Samt einem komplett selbst entwickelten Stahlrahmen-Kasten und einer teilweise mittragenden Stahlblech-Karosse? Zumal Bizzarrini in der gleichen Zeit auch noch einen 3,5-Liter-V12 bastelte und an einen Traktorenfabrikanten verkaufte (siehe: Lamborghini 350 GTV), den ASA 1000 GT auf die Räder stellte und das AJS-Projekt vorantrieb.Nicht absolut original, dieses Teil, die Front stammt von einem Serie II.
Aber die Form: wunderbar.
Wie auch immer, die Konstruktion wird also Bizzarrini (sowie Pierluigi Raggi) zugeschrieben, das Design des 300 stammte von Bertone (genauer: Giorgetto Giugiaro) - und die Technik aus der Corvette, als V8 mit 5,3 Liter Hubraum und 300 oder gar 340 PS (dies allerdings in SAE...). Andererseits, und da kommen wir nochmals auf Gordon zurück - dort will Bertone 1960 das Auto innert 27 Tagen vom Zeichenbrett auf die Räder gebracht haben, allerdings ohne Motor.
Doch die Rede soll hier ja sein vom Iso Grifo. Denn der Gran Turismo war zwar nach Rivoltas Geschmack, er wurde auch gut aufgenommen, doch schon damals waren echte Sportwagen die Krone des Automobilbaus. Das Team stand ja schon, das Design sollte wieder von Bertone kommen (also aus der Hand Giorgetto Giugiaro), Bizzarrini und Raggi konnten sich um den Unterbau kümmern, auch in Sachen Technik wollte Renzo Rivolta das Rad nicht neu erfinden, er war ganz zufrieden mit den Corvette-Triebwerken. Weitere Bauteile stammten von ZF (Getriebe; die Automaten kamen von Borg-Warner oder Mancie)), die Lenkung von Burman, das Sperrdifferential von Salisbury, die Scheibenbremsen von Dunlop. Für den Grifo verkürzte Bizzarrini den Radstand des Rivolta von 270 auf 250 Zentimeter, und Giugiaro zeichnete eine wunderbare Form (die sich nicht wesentlich von einen seiner Bertone-Entwürfe für einen Ferrari 250 GT aus dem Jahr 1962 unterschied; andere Beobachter wollen eine frappante Ähnlichkeit mit dem Pininfarina Rondine I sehen, den Tom Tjaarda auf Basis einer Corvette entworfen hatte, doch dieses Fahrzeug wurde erst 1963 erstmals gezeigt, qussi zeitgleich mit dem Prototypen des Grifo).
Dieses Entwurf wurde als Iso Grifo A3/Lusso bezeichnet. Vom Serienprodukt sollte er sich nicht mehr sonderlich unterscheiden, einmal abgesehen von der Frontpartie, die einen schön dreidimensional ausgelegten Kühlergrill hatte sowie die schrägen Augen - als Mongolen-Blick bezeichnet - der Doppelscheinwerfer.
Nicht absolut original, dieses Teil, die Front stammt von einem Serie II.
Zwischen dem vorderen Radhaus und der A-Säule befanden sich die typischen Entlüftungsschlitze, unter denen die «amerikanischen» Sidepipes zu erkennen waren (die es leider auch nicht in die Serie schafften). Der Motor wurde hinter der Vorderachse eingebaut, was eine ausgezeichnete Gewichtsverteilung ermöglichte (49 Prozent vorne, folglich 51 Prozent hinten), die Hinterachse war eine feine, spur- und sturz-konstante DeDion-Konstruktion.Aber jetzt wird es wieder kompliziert, und wir haben diese Geschichte schon einmal verfasst, bei der Beschreibung des so herrlichen Bizzarrini GT Strada 5300. Deshalb gibt es hier nur noch eine Kurzfassung: Bizzarrini wollte unbedingt auch Rennsport betreiben. Deshalb verkürzte er den Radstand noch einmal, auf 245 Zentimeter, der Kastenrahmen blieb nur im Bereich des Passagierraums erhalten, davor und dahinter gab es einen Rohrrahmen, gleich drei Benzintanks wurden montiert (zwei seitlich, in den Kastenrahmen, einer hinter die Sitze), der Corvette-Motor wurde mit vier Weber-Doppelvergasern auf 405 SAE-PS gebracht; dieses Prachtstück wurde A3/Competizione genannt. Rivolta und Bizzarrini gerieten bei diesem Auto zuerst an- und dann auseinander, es entstanden der Iso Grifo (aus dem A3/Lusso) und der Bizzarrini 5300 GT (aus dem A3/C).
Rivolta beginnt mit der Serienproduktion 1965. Aussen blieb der Wagen bis 1974 fast unverändert, mit einem spannenden Detail, das 1970 eingeführt wurde: die Klappen, welche die Scheinwerfer in der oberen Hälfte verdeckten. Dazu wurden zwischen 1966 und 1970 noch insgesamt 17 Targa-Varianten gebaut (plus, schon 1964, eine Studie eines Cabrio, die heute noch existiert). Doch unter der Haube geschah viel: Standard-Motorisierung war der 5,3-Liter-V8 mit einer Leistung zwischen 300 und 395 PS (immer SAE, also minus etwa 30 Prozent zu den DIN-Zahlen). Ab 1970 gab es den 5,7-Liter-Chevy-Motor (300 bis 365 PS), nach einem Krach mit GM über die Zahlungsformalitäten (Iso, wo Piero Rivolta nach dem frühen Tod seines Vaters im Jahr 1965 die Führung übernommen hatte, war ständig etwas knapp an Flüssigem) wurden dann ab 1972 Ford-Triebwerke verwendet, ein 5,8-Liter mit 325 PS.
Aber damit war noch längst nicht Ende der Fahnenstange. Ab 1968 gab es neben der Basisversion des Grifo auch den 7 Litri mit einem 7-Liter-V8 vom GM; ihm wurden über 400 PS und eine Höchstgeschwindigkeit von mehr als 300 km/h angedichtet. Das riesige Triebwerk passte allerdings nicht unter die Haube des Grifo, also wurde das so genannte «Penthouse» montiert, eine mächtige Hutze, die den Grifo nicht unbedingt schöner machte. Auch waren die 7 Litri im Gegensatz zu den «gewöhnlichen» Grifo alles andere als zuverlässig, sie neigten zum Überhitzen. 1970 wurde der Hubraum auf 7,4 Liter erhöht, diese Grifo erhielten die Zusatzbezeichnung Can Am.
Es heisst, dass 20 Can Am entstanden. Und wohl 70 7 Litri. Und wahrscheinlich 25 späte Grifo-Exemplare mit einem Ford-Motor. Insgesamt wurden 412 Iso Grifo gebaut; andere Quellen sprechen von 471 Stück. Das hier gezeigte Exemplar ist ein 66er Grifo, der irgendwann die Front einer Serie Ii erhielt - und auch unter der Haube ein bisschen aufgemotzt wurde, deshalb renntauglich ist. Er kommt am 31. Oktober bei einer RM-Auktion in London unter den Hammer, mindestens 120'000 Pfund sind gefragt.
Original: radical