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Alles wird gut, Mercedes W116-1631

Published in radical-classics.com

Mercedes W116

Noch nicht erstellt
Heute kennen wir die Bezeichnungen von Mercedes nur noch so, es beginnt mit der A-Klasse, es gibt B- und C-Klasse und auch noch E-, G-, GL-, GLK- und so weiter. Dabei ist noch gar nicht so lange her, dass Mercedes diese klare und erfreulich deutliche Nomenklatur eingeführt hat, 1993 war es, da gab es neben den S-Klasse dann neu auch C-, E- und G-Klasse. Die S-Klasse hingegen, die existiert schon seit 1972, als sie im September jenen Jahres auf dem Pariser Salon (die IAA musste in jenem Jahr abgesagt werden) unter dieser damals ganz neuen Bezeichnung ihre Weltpremiere feierte. Das «S» als Kürzel für die oberste Stufe von Fahrzeugen war allerdings noch viel älter, schon in den 20er Jahren gab es die berühmten Kompressor-Wagen. Und warum gerade «S»? Die genaue Erklärung kennt heute niemand mehr, aber es sicher etwas mit «super» zu tun.

Der Entwicklungsauftrag an die Mercedes-Ingenieure erging im Herbst 1966 und war klar umrissen: man wollte das beste Auto der Welt bauen. Erstmals konnten die Konstrukteure auf die Hilfe von Computern zurückgreifen, das Rechensystem hiess ESEM.

Die Baureihe 116 löste die Baureihen W 108/109 ab und umfasste zunächst die Typen 280 S (160 PS), 280 SE (185 PS) und 350 SE (200 PS). In den Typen 280 S und 280 SE kommt ein Sechszylinder-Motor mit zwei obenliegenden Nockenwellen zum Einsatz, der zuvor in der Baureihe W114 debütiert hatte, dem berühmten Strich-8. Der 350 SE wird von einem 3,5-Liter angetrieben, ein halbes Jahr später folgte der 450 SE mit dem hubraumstärkeren 4,5-Liter-V8-Motor. 1973 erschienen auch die Typen 450 SEL und 350 SEL mit einem um 100 Millimeter verlängerten Radstand. Der Raumgewinn kam einzig der Beinfreiheit im Fond zugute. Die verlängerte Version war ab April 1974 auch als 280 SEL erhältlich. 1973 wurde der W116 zum «Auto des Jahres» gewählt - es war das letzte Mal, dass ein Oberklasse-Fahrzeug diesen «Oscar» der Auto-Industrie gewinnen konnte.
Mercedes-Benz W116.

Heute schöner als damals.

Mercedes-Benz W116.

Aber halt eine saubere, klassische Form.

Eine bemerkenswerte technische Neuerung, die bei den Limousinen der Baureihe 116 erstmals in einem Serienfahrzeug verwirklicht wurde, war die Doppelquerlenker-Vorderradaufhängung mit Lenkrollradius null und Bremsnick-Abstützung; sie ermöglichte eine bedeutsame Verbesserung der Fahreigenschaften und damit ein deutliches Plus der aktiven (Fahr-)Sicherheit. Die Hinterradaufhängung der Typen mit 2,8- und 3,5-Liter-Motor entsprach der Schräglenker-Konstruktion, die sich in den Strich-8-Typen der Baureihen W 114/115 seit Jahren bewährt hatte und seit 1971 ausserdem im Typ 350 SL verwendet wurde. Die 4,5-Liter-Typen erhielten eine Koppelachse – eine spezielle Ausführung der Schräglenker-Hinterachse, die das Eintauchen des Fahrzeughecks beim Anfahren und Beschleunigen verhinderte.

Auch bei der passiven Sicherheit markierte die S-Klasse mit ihrem integralen Sicherheitskonzept den damals höchsten Stand der Technik:  So befand sich der Kraftstofftank nun nicht mehr im Wagenheck, sondern wurde kollisionsgeschützt über der Hinterachse eingebaut.Mercedes-Benz W116.

Heute schöner als damals.

Mercedes-Benz W116.

Aber halt eine saubere, klassische Form.

Mercedes-Benz W116.
Mercedes-Benz W116.
Mercedes-Benz W116.
im Innenraum sorgten das stark gepolsterte Armaturenbrett, deformierbare oder versenkt angeordnete Schalter und Hebel sowie ein Vierspeichen-Sicherheitslenkrad mit Pralltopf und breiter Polsterplatte für grösstmöglichen Aufprallschutz. Wichtigste Verbesserung im Vergleich zur Vorgänger-Baureihe war die stabilere Sicherheits-Fahrgastzelle mit versteifter Dachrahmen-Struktur, hochfesten Dachpfosten und Türsäulen sowie verstärkten Türen. Die Energieabsorption der vorderen und hinteren Knautschzone wurde durch kontrollierte Deformationsfähigkeit von Vorbau und Heckbereich deutlich erhöht.

Im Mai 1975 - die Ölkrise von 1973/74 war noch kaum verdaut - wurde der Typ 450 SEL 6.9 als neues Spitzenmodell der Baureihe und legitimer Nachfolger der spektakulären Hochleistungs-Limousine Mercedes-Benz 300 SEL 6.3 (W 109) präsentiert. Der leistungsstarke 6,9-Liter-V8-Motor (mit Trockensumpfschmierung!), weiterentwickelt aus dem bewährten 6,3-Liter-Aggregat des Vorgängers, erreichte eine Leistung von 286 PS und ein maximales Drehmoment von 549 Nm. Diese schon damals rund 2 Tonnen schwere Trotzburg auf Rädern beschleunigte in 8 Sekunden von 0 auf 100 km/h und schaffte eine Höchstgeschwindigkeit von 225 km/h. Und soff im Schnitt 22 Liter auf 100 Kilometern.

Höchsten Fahrkomfort gewährleistete die erstmals bei einem Mercedes eingesetzte hydropneumatische Federung - Citroën lässt grüssen - mit Niveauregulierung. Weitere Sonderausstattungen, die zum serienmässigen Lieferumfang des Topmodells gehörten, waren Zentralverriegelung, Klimaanlage und Scheinwerfer-Waschanlage. Wie sein direkter Vorgänger war auch der Typ 450 SEL 6.9 erfolgreich: Obwohl er mehr als doppelt so teuer war wie ein 350 SE, wurden in der viereinhalbjährigen Produktionszeit 7380 Exemplare verkauft.

Das ist allerdings alles relativ: Auch wenn die S-Klasse damals das Beste war, was Europa zu bieten hatte (die Rolls-Royce waren nur teurer, viel teurer, aber sicher nicht besser), so wurde die automobile Oberklasse in jenen Jahren immer noch von den USA definiert.
Mercedes-Benz W116.

Heute schöner als damals.

Cadillac verkaufte von seinen grossen Limousinen, die von einem 7,8-Liter-V8 angetrieben wurden, allein 1973 über 80'000 Exemplare. Und es sei noch bemerkt, dass 1972, als der W116 auf den Markt kam, Jaguar gerade die ersten XJ mit Zwölfzylinder-Motor ausrüstete - das waren auch feine Wagen, bedeutend anfälliger als die Benzen, aber sicher auch oberste Liga.

Im Mai 1978 wurde die Modellpalette der Baureihe 116 noch einmal erweitert. Als neues Mitglied der Typenfamilie erregte der Typ 300 SD in Fachkreisen ebenso viel Aufmerksamkeit wie drei Jahre zuvor der Typ 450 SEL 6.9, auch wenn er am entgegengesetzten Ende der Leistungsskala angesiedelt war. Angetrieben wurde das neue S-Klasse Modell erstmals in der Geschichte dieser Fahrzeug-Kategorie von einem Dieselmotor. Der 3,0-Liter-Fünfzylinder, der sich im Mittelklasse-Typ 240 D 3.0 (80 PS) bestens bewährt hatte, erhielt für seine neue Aufgabe in der S-Klasse einen Abgasturbolader, der die Leistung auf 115 PS steigerte. Ohnein, Fahrspass war da nicht: Mercedes meinte, der Wagen sei in 17 Sekunden auf 100 km/h zu beschleunigen, es dauerte aber eine gefühlte halbe Stunde.

Die Entwicklung dieser ungewöhnlichen S-Klasse Variante, die ausschliesslich in den USA und Kanada angeboten wurde, war eine Reaktion auf die dort neu eingeführten Verbrauchsgrenzwerte. Massgebliche Grösse war dabei der sogenannte «Flottenverbrauch», eine Erfindung der Carter-Regierung, die den Durchschnittsverbrauch aller angebotenen Pkw-Modelle eines Herstellers bezeichnete. Mit einem erweiterten Angebot an traditionell sparsameren Dieselmodellen konnte der Flottenverbrauch unter das gesetzliche Limit gesenkt werden. Wobei, sparsam ist relativ: auch der 300SD verbrauchte 14 Liter im Schnitt.

Eine technische Innovation von richtungsweisender Bedeutung wurde ab Herbst 1978 exklusiv in den Limousinen der S-Klasse angeboten: Das gemeinsam mit Bosch entwickelte Anti-Blockier-System ABS, das die uneingeschränkte Lenkfähigkeit des Fahrzeugs auch bei einer Vollbremsung garantierte und damit einen wesentlichen Beitrag zur aktiven Sicherheit leistete. Die Markteinführung des ABS war seinerzeit eine echte Sensation, auch wenn andere Hersteller, etwa Jensen, schon früher als Mercedes mit solchen System experimentiert hatten. Doch man muss es halt so sehen: Mercedes baute nur etwas in seiner Luxusklasse ein, was auch wirklich funktionierte. Andere Neuerungen, etwa den Tempomaten oder das Autotelefon (1973 - zum Preis von 20'000 Mark, also fast gleich viel, wie ein 280 S in der Basis-Variante kostete), waren zwar neu für Europa, doch das konnten die Amerikaner zum Teil schon Jahrzehnte vor den Deutschen.

Als letztes von insgesamt 473'035 gebauten Exemplaren dieser Modellreihe passierte im September 1980  ein Typ 300 SD die Endabnahme im Werk Sindelfingen. Die erfolgreichste Variante der Baureihe war der 280 SE mit 150'593 gebauten Limousinen, während der Typ 350 SEL mit 4266 Fahrzeugen am seltensten gewählt wurde. Der für den nordamerikanischen Markt gebaute 300 SD wurde insgesamt 28'634-mal verkauft. Nochmals zum Vergleich: Cadillac konnte im gleichen Zeitraum knapp eine Million Stück seiner grossen Limousinen absetzen.

Wir würden gerne einmal einen 450 SEL 6.9 fahren (seinen Vorgänger, dem 300 SEL 6.3. übrigens auch) - kann uns da jemand weiterhelfen?

Mehr Mercedes gibt es im Archiv.


Original: radical

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