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Überhol- und andere Manöver, radical-RAID (2)-1627

Published in radical-classics.com

radical-RAID (2)

Ja, wir haben den VW Golf LS schon so ein wenig getreten.

Jetzt wird es schwierig. Also. Fangen wir mal so an. Das Automobil ist doch immer auch Ausdruck der eigenen Persönlichkeit. Das funktioniert, bei mir zumindest, sogar dann, wenn ich nicht mein eigenes Automobil bewege. Wenn ich also in diesem RAID-Feld aus lauter Jaguar, Ferrari, Porsche den von der Sammlung des VW-Importeurs AMAG zur Verfügung gestellten Golf I, Jahrgang 76 bewege, dann fühle ich mich schon ein wenig als - der Underdog? Ach ja, da gab es schon so einige, die unseren grünen Golf belächelt haben, ihn als Gebrauchtwagen betrachteten, knapp noch dem Export entronnen, ihn nicht einmal mit ihrem (gelifteten?) Hintern angesehen haben. Doch das ist normal, auch in der Oldie-Szene, in der man sich gerne duzt, genau so eine Tatsache wie im richtigen Leben, in dem der Audi-Besitzer dem Dacia-Fahrer die paar Quadratmeter Strasse, die das rumänische Produkt beansprucht, nicht gönnen will.

Man kann es so sehen: ich fühlte mich so ein bisschen «minderwertig», deshalb musste ich es allen zeigen. Man kann es aber auch so sehen: würde der Jaguar-XK120-Pilot akzeptieren können, dass wir («mein» Golf und ich - ich will hier nicht für meinen Beifahrer labbern) einfach schneller unterwegs sind, dann müsste ich ihn auch nicht, hmm, dort überholen, wo er es dann nicht mehr erwartet. Auf der Geraden schnell, das kann jeder. In den kurvigen Abschnitten ein bisschen flotter, nein, das kann nicht jeder. Die Verkehrssituation sofort erfassen und zu seinen Gunsten ausnutzen, das können nur die wenigsten. Danach mosern, das sei gefährlich gewesen, das ist dann einfach nur dämlich.

Yep, ich gebe nicht so viel auf Anstandsregeln. Mir sind Rang und Namen und Alter und Besitzstand sowas von. Aber wenn ich schon die Möglichkeit habe, auf herrlichen, quasi verkehrsfreien französischen Gassen so ein bisschen Spass zu haben, dann lass ich mir den nicht nehmen durch irgendwelche Gurken, die durch die Gegend schaukeln. Auch nicht, wenn es Jaguar, Ferrari oder Porsche sind. Neid? Aber - null.

Es gilt allerdings auch noch zu vermelden, dass der Golf schon sehr gut geht. Das Fahrwerk ist - eine Überraschung. Nach heutigen Massstäben hat das Ding natürlich viel zu viel Seitenneigung, doch wir haben uns bei dieser Fahrt gewundert, warum die Hersteller eigentlich von dieser Auslegung abgekommen sind. Denn es dauert ewig, ewig, bis der Golf I über die Vorderräder wegschiebt - im Gegensatz zu manch einem modernen Fahrzeug, das schon beinahe auf dem Parkplatz den Eindruck erwecken will, man fahre den Bogen zu flott. Dazu: ausgezeichneter Federkomfort. Auch auf den schlechtesten Strassen konnten wir grob heizen, der Golf steckte alles weg. Schlug nie auf. War einfach extrem souverän.

Motorleistung - naja. 75 PS sind nicht gerade wild, auch wenn sie es nur mit 800 Kilo zu tun kriegen. Ausserdem waren wir brav zu diesem alten Herren, haben nie über 4000/min gedreht (das sind im 4. Gang dann 120 km/h auf dem Tacho). Und ein 4-Gang-Getriebe mit noch so richtig langen Schaltwegen (vom 3. in den 4. muss man noch einen kleinen Bogen machen) ist jetzt auch nicht gerade das, wovon man als Herrenfahrer schlaflose Nächte kriegt. Deshalb galt es um so mehr: antizipieren. Und halt vielleicht auch einmal einen Kreisel nicht ganz im Sinne des Erfinders zu verwenden.

Wie auch immer - wir servieren hier noch eine zweite Tranche an Bildern. Morgen folgt dann noch der Höhepunkt, das Autodrome von Montlhéry. Und im Laufe der Woche folgt dann noch die Entstehungsgeschichte des Golf I sowie ein ausführlicher Fahrbericht unseres RAID-Autos.


RAID Suisse-Paris 2012

Gutes, gutes Auto.

RAID Suisse-Paris 2012

Text: pru., Fotos: Daniel Riesen/pru.

Original: radical

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