
Ferrari 375 MM Berlinetta – #0472AM
Herr Bank-Direktor
Vielleicht darf man Alfred Ducato als etwas kleinlich bezeichnen. Das war beim Vice President der United California Bank in San Francisco wahrscheinlich beruflich bedingt, doch seine Korrespondenz mit Enzo Ferrari weist schon darauf hin, dass er es sehr genau nahm. Am 6. Oktober 1954 schrieb er: «My dear Mr. Ferrari: Since Mr. Chinetti telephoned me on Sunday and told me about your extreme generosity in preparing an outstanding 4.5 Milli Mille car for me, I have not been able to sleep at night since I am so excited about it. This is really most kind of you, Mr. Ferrari, and I cannot tell you how much I appreciate it. Needless to say, you know I will do everything possible in the future, as I have done in the past, to further promote the wonderful cars which you create and I hope you will be pleased with the results.» Und fügte hinzu: «The body must be very comfortable for long trips with plenty of head room, leg room and baggage room… The seats should be very well upholstered and the entire car, including the top inside, to be leather lined… please be sure the car has glass windows and is most comfortable…the highest rear axle ratio for maximum top speed…strong bumpers – front – rear… tools and spare parts… Corsa tires… Mr. Chinetti and I thought that a blue color with yellow or tan leather would make a nice color combination for the car…». Wahrscheinlich konnte Ducato sich das alles leisten, gehörte Luigi Chinetti doch zu seinem guten Freunden – und er in den innersten Kreis der guten Ferrari-Kunden, elf Stück hat er direkt ab Werk gekauft, alles 12-Zylinder. Bloss etwas hatte Alfred Ducato etwas unterschätzt: Für seine 4,5 Millionen Lire (damals etwa 16’500 Dollar, also richtig viel Geld) kaufte er sich einen 375 MM, also einen Rennwagen.


So war er zwar stolz und zufrieden, als er seine von Pinin Farina eingekleidete Berlinetta am 9. April 1955 auf Pier 50 im Hafen von San Francisco abholen konnte. Es gefiel ihm allerdings die Farbe nicht, das «Azzurro» (Code 4354) war ihm nicht auffällig genug, er liess den Wagen dunkelblau umlackieren. Dann merkte er, dass die gewaltige Maschine im 375 MM nicht so wirklich geeignet war für den täglichen Verkehr in San Francisco, also schickte er den Ferrari zu Chinetti nach New York, damit dieser eine Lösung fand. Chinetti fand keine Lösung, kaufte Ducato #0472AM ab – und verkaufte ihm dafür ein 250-GT-Pininfarina-Coupé. Nächster Besitzer des 375 MM war dann Norman N. Tompson aus Mailbu, der den Ferrari gleich mal rot lackierte – und den Zwölfzylinder darnieder machte bei einem Rennen gegen eine Corvette. Als Fred Leydorf den Ferrari 375 MM im Sommer 1969 übernehmen konnte, hatte dieser gut 50’000 Meilen auf dem Tacho – und war zwar noch sehr original, aber nicht mehr fahrbar. Leydorf, geboren 1931 und für viele Jahre einer der führenden Ingenieure in der Ford-Entwicklungsabteilung, war damals Präsident des Ferrari Club of America – und bekannt für seine Kleinlichkeit in Sachen Originalität. Er begann eine jahrzehntelange Restauration von #0472AM, die erst 2006 beendet war – und liess ihn unerklärlicherweise in Rosso Chiaro lackieren. Die Berlinetta kommt nun, nur ein halbes Jahr nach dem Tod des Sammlers, bei Gooding & Co. auf Amelia Island 2025 zur Versteigerung, erwartet werden zwischen 8 und 10 Millionen Dollar.
















Selbstverständlich haben wir die ganze Geschichte der so grossartigen Ferrari 375 MM, hier. Und überhaupt eine feine Übersicht zu den frühen Modellen von Ferrari, hier. Und dann haben wir auch noch das Archiv.
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